170. Geburtstag von Franz Wickhoff

Am 7. Mai 1853, also vor 170 Jahren, wurde in Steyr einer der Gründerväter der „Wiener Schule der Kunstgeschichte“ geboren. Bereits zu seinem 50. Geburtstag 1903 wurde der Begriff „Wiener kunsthistorische Schule“ in einem Bericht der Tageszeitung „Neue Freie Presse“ verwendet: „Sein Verdienst ist es, […] wenn wir gegenwärtig das Recht besitzen, mit Rücksicht auf einen eigenartigen, die modernsten Behelfe der Hilfswissenschaften voll ausnutzenden Forschungsbetrieb im ehrendsten Sinn von einer Wiener Schule zu sprechen“ (Abbildung).

Franz Wickhoff stammte aus einer wohlhabenden oberösterreichischen Familie; sein Vater, der Eisengroßhändler Franz Wickhoff sen., war auch Mitglied des österreichischen Reichsrates (Abbildung). Der Junior studierte bei Rudolf Eitelberger sowie Moriz Thausing und absolvierte das Institut für österreichische Geschichtsforschung. 1880 promovierte er mit der Dissertation "Eine Zeichnung Dürers nach der Antike". 1879-95 wirkte er als Kustos der Textilsammlung am Österreichischen Museum für Kunst und Industrie (heute MAK), 1885 wurde er zum außerordentlichen Professor und 1891 zum Ordinarius für Kunstgeschichte ernannt.

Ebenso wie seine Lehrer war Wickhoff bemüht, die Kunstgeschichte auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen, wobei er sich auf die sogenannte Morreli‘sche Methode berufen hat, die er zur vergleichenden Stilanalyse weiterentwickelte. Ebenso wichtig wie der entwicklungsgeschichtliche war für ihn jedoch auch der geistes- und kulturgeschichtliche Zusammenhang des Kunstwerkes.

Themen seiner Forschungen bildeten die Kunst der italienischen Renaissance und die frühchristliche Buchmalerei, aber er trat beim Klimt-Streit der Universität auch für die zeitgenössische Kunst ein. Wickhoffs wissenschaftlichen Schwerpunkte belegen das 1904 gegründete Rezensionsorgan „Kunstgeschichtliche Anzeigen“ sowie die Mitwirkung an der "Zeitschriftenbibliographie" des "Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft" (Abbildung), der 1891–92 publizierte "Katalog der italienischen Zeichnungen der Albertina" sowie das von ihm initiierte „Beschreibende Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich“. Nach längerer Krankheit starb Franz Wickhoff, der sich auch als Maler und Schriftsteller betätigte, während eines Aufenthaltes in Venedig am 6. April 1909 und er wurde dort auf dem Cimitero San Michele bestattet.

Der frühe Tod dieses Ordinarius bildete offensichtlich auch den Anlass für den Beginn der Nachlass-Sammlung des Institutsarchivs. Im Unterschied zum rein wissenschaftlichen und auf Vorlesungsmanuskripte beschränkten Nachlass des 1905 verstorbenen Alois Riegl umfasst der Bestand zu Franz Wickhoff mehrere Familienfotos (Abbildung) und persönlich Dokumente wie das Studienbuch des ersten Semesters 1874/75 (Abbildung), wo u.a. Vorlesungen des Kunsthistorikers Rudolf von Eitelberger und des Archäologen Alexander Conze eingetragen wurden.

Bemerkenswert ist jedoch auch der wissenschaftliche Nachlass mit den Schwerpunkten auf der Kunst des Frühchristentums und der italienischen Renaissance. Dazu kommen einige forschungspolitische Akzente. So gibt es zahlreiche Unterlagen für das von Wickhoff ab 1904 herausgegebene „Beschreibende Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich“, mit dem die Gattung der Corpuswerke zur Buchmalerei in Österreich begründet wurde und die heute vom „Pächt-Archiv“ fortgeführt wird. Diese Bestandskataloge begannen mit umfangreichen Erfassungen der in den Bibliotheken der österreichisch-ungarischen Monarchie vorhandenen Bestände. 1906 war aber auch eine Kooperation mit der Biblioteca Apostolica Vaticana angedacht, wie aus den Beständen im Wickhoff-Nachlass hervorgeht.

Ebenso wesentlich für die neue wissenschaftliche Dimension der Erforschung der Buchmalerei wie diese Grundlagenforschung war die fotografische Erfassung der Denkmäler und deren Publikation in hochwertigen Drucken, nachdem zunächst von einzelnen Miniaturen Zeichnungen angefertigt worden waren (Abbildung). Wickhoff und später sein Nachfolger Max Dvořák schlossen dafür eigene Verträge mit Fotografen wie Michael Frankenstein, Martin Gerlach und Hans Makart in Wien oder Alois Beer in Klagenfurt und mit Feindruckereien wie Angerer & Göschl ab (Abbildung). In den dafür angelegten Listen wurde genau festgehalten, welche Miniatur im Format 9 x 12, 13 x 18 oder 21 x 27 cm fotografiert werden sollte (Abbildung). Der wichtigste Mitarbeiter des 1903 gestarteten Forschungsprojektes war der heute kaum bekannte Hermann Julius Hermann (1869-1953), dessen Teilnachlass sich ebenfalls im Institutsarchiv befindet. Ein weiterer Bearbeiter war der schillernde jüdische Kulturhistoriker Robert Eisler (1882-1949). Seine Karriere als Handschriftenbearbeiter nahm aber 1907 ein plötzliches Ende, weil in der Erzbischöflichen Palastbibliothek in Udine ein Kodex aus dem 15. Jahrhundert gestohlen wurde. „Anlässlich des darauffolgenden Prozesses charakterisierte ihn Hugo von Hofmannsthal, der als Zeuge geladen war, als ‚erregbar und nervös, genial, aber pessimistisch‘. Eisler bezahlte die Gerichtskosten und durfte den Gerichtssaal als freier Mann verlassen.“ (Wikipedia).

Bemerkenswert im Wickhoff-Nachlass sind weiters die Dokumente zum Klimtstreit der Universität sowie zum Bau des Historischen Museums auf dem Karlsplatz (Abbildung). War der Ordinarius im ersten Fall ein innerhalb der Professorenschaft isolierter Kämpfer für die moderne Kunst, so äußerte er sich bei der Diskussion um die Entwürfe für das Kaiser-Franz-Josef-Museum gegen den Entwurf von Otto Wagner (wenn auch aus anderen Gründen als sein späterer Nachfolger Josef Strzygowski).

Ein großer Teil des Wickhoff-Nachlasses betrifft seine Korrespondenz, darunter Briefe von ihm bzw. an ihn von Wiener Kollegen wie den Archäologen August Otto Benndorf und Wilhelm Klein, den Historikern Oswald Redlich und Theodor von Sickel sowie den Arabisten Alois Musil. Die Kunsthistoriker sind u.a. mit Briefen von Theodor v. Frimmel, Gustav Glück, Oskar Pollak, Wilhelm Suida, Robert Stiassny, Josef Strzygowski, Arpad Weixlgärtner, Hermann Dollmayr, Moritz Dreger, Karl M. Swoboda, Julius v. Schlosser und Alois Riegl vertreten.

Das internationale Netzwerk von Wickhoff belegt die Post von Carl Frey, Paul Schubring, Max Friedländer, Kurt Regling, Wolfgang v. Oettingen und Wilhelm v. Bode (Berlin), Heinrich Weizsäcker und Georg Swarzenski (Frankfurt am Main), Christian Hülsen (Rom), Bernard Berenson (Florenz), Gustavo Frizzoni und Giovanni Morelli (Mailand), Georges Hulin de Loo (Gent), Cornelis Hofstede de Groot (Den Haag), Richard Stettiner (Hamburg), Hans Posse und Jean Louis Sponsel (Dresden), Eugène Müntz (Paris), Francesco Bertolini (Bologna), Emes Bell (London; Abbildung), Max Wingenroth (Karlsruhe) oder Bernardo Mantuani.

Besonders wichtig ist ein Konvolut mit Briefen und Postkarten des jungen Max Dvorák (Abbildung). Dieser war der favorisierte Nachfolger Wickhoffs, aber schon gegen seine Ernennung zum außerordentlichen Professor im Jahre 1905 gab es heftige deutschnationale Proteste, Demonstrationen von Studierenden und sogar eine Anfrage an den Unterrichtsminister im Parlament (Abbildung) sowie annoyme Schmähschriften an den Ordinarius (Abbildung).

Friedrich Polleroß    Fotos: Institut für Kunstgeschichte