„Habent sua fata libelli academici“
„Habent sua fata libelli academici“
Ein vieldeutiges Sprichwort von Terentianus Maurus lautet „Habent sua fata libelli“. Eigenwillige Schicksale kennzeichnen auch oft akademische Festschriften, da diese mitunter durch komplizierte und längere Entstehungsgeschichten geprägt sind. So wurde die „Festschrift“ zum 150. Geburtstag von Julius von Schlosser im Jahr 2016 ein Jahrfünft später publiziert, während die Festschrift zum 60. Geburtstag von deren Herausgeber, unserem Dekan und Rector designatus Sebastian Schütze, coronabedingt erst einige Monate nach dem Festtag 2021 präsentiert werden konnte. Eine längere Entstehungsgeschichte kennzeichnet auch zwei Festschriften unseres Institutes, die nun vorgestellt werden sollen.
Im Jahr 2017 bekam der Vorsitzende des Senats, Michael Viktor Schwarz, anlässlich seines 60. Geburtstages (Abbildungen) vom Rektorat als Geschenk die Zusage für die Finanzierung einer Tagung, die im Jahre 2018 über die Bühne ging. Beiträge dieser Veranstaltung sowie weitere Texte mit einer Würdigung der Forschungsschwerpunkte des Senatsvorsitzenden wurden unter dem Titel „How Do images Work? Strategies of Visual Communication in Medieval Art“ zu einer Festschrift zum 65. Geburtstag von Professor Schwarz gebündelt, die noch Ende des vergangenen Jahres das Licht der Welt erblickte. Der im renommierten Brepols-Verlag von Christine Beier, Tim Juckes sowie Assaf Pinkus herausgegebene Band vereinigt auf 244 Seiten zahlreiche internationale Forscher*nnen in mehreren Sprachen zu den Themen „Visuelle Rhetorik“, „Bilder in Büchern“ und „Bilder im Raum“. Milena Bartlová (Prag) beginnt den ersten Abschnitt mit „Wordless Images“, während Paul Binski (Cambridge) Realismus und Magniloquentia der gotischen Kunst anhand der Forschungen von Erich Auerbach beleuchtet. Der vor den Nazis in die USA geflüchtete Berliner Romanist hatte seine Methode nicht zuletzt unter dem Einfluss von Wiener Kunsthistorikern entwickelt. Assaf Pinkus und Einat Klafter (Tel Aviv) schreiben über „The Scaling Turn: Experiencing Late Medieval Artifacts“, und Hans Körner (Düsseldorf) über „Die Wilden Leute des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit im Raum des Dekorativen“ in der Buchmalerei und Graphik. Romuald Kaczmarek (Wroclaw) behandelt an zwei schlesischen Beispielen vom Anfang des 16. Jahrhunderts, einem Reliquien-Triptychon und einem Wandnischenretabel, das Verhältnis von Kultbild und Rahmen.
Das Kapitel zur Buchmalerei beginnt Rosa M. Rodríguez Porto (Santiago de Compostela) mit Illustrationen der Trojanersage mit Bezügen zu Venedig und Neapel sowie Lieselotte E. Saurma-Jeltsch mit der Analyse der Bilder im Alexanderroman. Ivan Gerát (Bratislava) untersucht Darstellungen der Heiligen Elisabeth im Sinne einer Imitatio Mariae.
Das Raumkapitel enthält einen Aufsatz von Jacqueline E. Jung (Yale) über die Taubensymbolik im Naumburger Dom sowie von Marc Carel Schurr (Straßburg) über die Katharinenkapelle im Straßburger Münster und die Repräsentation ihres Auftraggebers, des Bischofs Berthold von Buchegg. Der Wiener Assistent Tim Juckes analysiert hingegen die entsprechende Strategie der Nürnberger Patrizierfamilie Imhoff im Chor der Lorenzkirche. Ulrich Pfisterer (München) schreibt über die ambivalente Symbolik der alttestamentlichen Heldin Judith und ihre Rolle als „naturalisierte Allegorie“. Die Wiener Assitentin Tanja Hinterholz untersucht die Wandmalereien in der „camera pape“ des Papstpalastes in Avignon und deren Deutung zwischen Ornament und religiöser Symbolik. Valentino Pace (Udine, Hartford) präsentiert die romanischen Portale des Heiligen Grabes in Brindisi und deren Illustration von „Storia, mito e allegoria“.
Anlässlich des 65. Geburtstages und der Verabschiedung von Professorin Inge Schemper-Sparholz fand 2018 am Institut ein Studientag statt. Ein Teil der Vorträge wurde mit weiteren Texten als Festschrift in Form eines Sonderbandes der „Barockberichte“ geplant. Die Fertigstellung verzögerte sich u.a. durch den Tod der Zeitschriftenherausgeberin Regina Kaltenbrunner bis 2021, und wegen Corona musste dann die Präsentation auf das Jahr 2022 verschoben werden.
Der 145 Seiten starke Band fast ausschließlich mit Aufsätzen zur österreichischen Skulptur vom 17. bis zum 19. Jahrhundert beginnt mit einer Bibliographie der Geehrten von Nina Steiner und Julia Strobl. Die beiden Dissertantinnen zeichneten auch für die Herausgabe verantwortlich. Dann folgt ein Beitrage von Inge-Schemper-Sparholz zu den Anfängen der Büsten von Gelehrten in Wien – sozusagen als Nachtrag zu ihren Forschungen zum Arkadenhof bzw. der entsprechenden Tagung, Johann Kronpichler stellt einen bisher unbekannten Gemäldezyklus von Stephan Kessler vor, Friedrich Polleroß zwei Wiener Bildhauerzeichnungen um 1700. Nina Stainer informiert über Zeichnungen von Thomas Schwanthaler u.a., die sie im Rahmen ihrer Dissertation bearbeitet hat. Katrin Harter berichtet ausgehend von ihrer ebenfalls bei Professorin Schemper verfassten Magisterarbeit über die Rekonstruktion der Kaskade von Schlosshof. Julia Strobl geht den Spuren des Wienaufenthaltes von Philipp Johann Straub nach, und die Doyenne der Barockslulpturforschung in Mitteleuropa Maria Pötzl-Malikova vermutet für den von Balthasar Ferdinand Moll ausgeführten Prunksarkophag von Karl VI. einen Entwurf von Joseph Emanuel Fischer von Erlach. Der jetzt in Bonn unterrichtende Gernot Mayer stellt eine wieder entdeckte Büste des Fürsten Johann Wenzel von Paar von Johann Baptist Hagenauer vor, während die nun an der Universität Erlangen tätige Anna Frasca-Rath die ebenfalls in der Liechtenstein-Sammlung befindliche Skulptur „Der Genius der Kunst die Natur enthüllend“ von Leopold Kiesling analysiert. Der Budapester Doyen Géza Galavics vergleicht die spätbarocke bzw. klassizistische Gartenplastik der ungarischen Schlösser Esterháza und Körmend, während Stefan Körner das Mariahilfer Gartenapalais Esterházy als frühen Museumsbau würdigt. Andrea Mayr beschreibt die Medaillen von Kaiser Ferdinand I. von Österreich und Caroline Mang die Skizzen zum Denkmal Maria Theresias von Caspar von Zumbusch, die sie im Besitz der Familie des Künstlers entdeckt hat.
Der Prager Kreuzherr und Kunsthistoriker P. Marek Pučalik, der in der Festschrift über Kleinskulpturen von Franz Ignaz Platzer informiert, konnte als jetziger Rektor der Karlskirche am 29. Mai in seiner Kirche zur Buchpräsentation begrüssen. Als ehemaliger Erasmusstudent an unserem Institut freute er sich über das Wiedersehen mit so vielen Kolleg*innen in seiner Kirche, die mit Professorin Schemper durch deren Mattiell-Forschungren verbunden ist. Emeritus Artur Rosenauer hob in seiner Würdigung neben den wissenschaftlichen Verdiensten vor allem die Lehrtätigkeit hervor, deren Erfolg sich an vielen guten Absolvent*innen zeige. Außerdem habe sich Inge Schemper-Sparholz auch in den Zeitungen kritisch über die Aufstellung des Donnerbrunnens oder die Absage der Ausstellung zum 100-Jahr-Jubiläum des Barockmuseums durch das Belvedere geäußert. Alexandra Hylla vom Salzburgmuseum sowie Julia Strobl stellten dann den Band vor, und die Geehrte ließ anhand der Beiträger*innen des Bandes ihre wissenschafltiche Karriere Revue passieren. Von Barockmusik auf Violine und Erzlaute akustisch und mit einem Buffet in der Turmstube kulinarisch ergänzt klang der Abend mit einem Blick von der Kirchenterrasse aus.
Friedrich Polleroß Fotos: Friedrich Polleroß