Studientag anlässlich des Ruhestandes von Prof. Ingeborg Schemper-Sparholz

Am 29. Juni 2018 wurde zu Ehren der mit Ende September in den Ruhestand gehenden A.o. Prof. Dr. Ingeborg Schemper-Sparholz am Institut ein Studientag abgehalten, der dem Schwerpunkt der Kunsthistorikerin entsprechend der Skulpturenforschung gewidmet war: „Mehransichtig. Neue Perspektiven der Skulpturenforschung (1650-1900)“.

Einer der Organisatoren, Univ.-Ass. Mag. Gernot Mayer, begrüßte in Vertretung der verhinderten Dr. Julia Rüdiger die Gäste und führte in die Tagungsthematik ein. Die wissenschafltiche Laufbahn von Inge Schemper hatte ja vom Stuck über Lorenzo Mattielli zu Antonio Canova und der Plastik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts im Arkadenhof der Universität geführt. In den Referaten sollten sowohl alte Weggefährten zu Wort kommen als auch aktuelle Dissertationsprojekte sozusagen als Früchte der Lehrtätigkeit vorgestellt und 2019 in den Barockberichten veröffentlicht werden.

Maria Pötzl-Malikova, die Grande Dame der mitteleuropäischen Barockskulpturenforschung, präsentierte neue Erkenntnisse zum Sarkophag Kaiser Karls VI. in der Kapuzinergruft, der zwar allgemein bekannt, aber noch nicht vollständig erforscht ist. Aufgrund eines Aktenkonvoluts im Finanz- und Hofkammerarchiv lässt sich die komplizierte und im Prinzip aus zwei Phasen bestehende Entstehungs- geschichte rekonstruieren. Als Inventor schlägt Pötzl trotz der teilweise mangelhaften Dekorationsformen Joseph Emanuel Fischer von Erlach vor, an dessen Grabmäler die zentralisierende Mittelgruppe des Sarkophags erinnert.

Der ungarische Doyen der Kunstgeschichte Géza Galavics widmete sich dann der Gartenskulptur anhand zweier zeitlich naher, aber stilistisch unterschiedlicher und nur teilweise erhaltener Gestaltungen im Park von Esterháza des Fürsten Esterházy und beim Schloss Körment des Fürsten Batthyány. Während Nikolaus II. mit seinem Herkulesbrunnen von 1764 und chinesischer Pagode noch in der Tradition des Ancien Régime steht, verkörpert der jüngere Fürst Ludwig als Mitglied der Freimaurerloge „Zur wahren Eintracht“ mit dem ersten Gessnerdenkmal das Ideal der Aufklärung, und sein Park bietet mit einem Homerdenkmal und den von Johann Martin Fischer in griechischen Lettern signierten Skulpturen auch ein neues ästhetisches Ideal. Galavics hob in seiner Rede auch die Kooperation Schempers mit den Kollegen und Kolleginnen in den „östlichen“ Nachbarländern hervor.

Nina Stainer, zur Zeit Katalogbearbeiterin am Barockmuseum in Salzburg, stellte einige Bildhauerzeichungen aus dem sogenannten Skizzenbuch von Pécs vor, das sie in ihrer Dissertation bearbeitet hatte. Das offensichtlich von einem Meister auf seinen Schüler vererbte Material wurde mehrfach ergänzt, wobei eine Darstellung eines eine Madonnenfigur schnitzenden Bildhauers von Thomas Schwanthaler von Matthias Winderhalder und später von Georg Hoffer kopiert wurde. Nach Meinung der Referentin handelt es sich dabei um eine Werkstattansicht, tatsächlich verweist aber die Inschrift auf eine Darstellung des hl. Lukas.
Die in Schlosshof angestellte Schülerin Katrin Harter berichtete über die Rekonstruktion der Großen Kaskade in diesem Barockgarten an der March. Aus hunderten Teilen hatte man mit Hilfe von Andreas Gamerith die um Apollo kreisende Thematik der Reliefs zusammen gesetzt und die fehlenden Teile teilweise rekonstruiert. In der Diskussion wurde die Vorgangsweise als denkmalpflegerisch problematisch bezeichnet, aber aufgrund der Wiederherstellung einer gesamten Gartenanlage ist dies vielleicht zulässig.
P. Marek Pučalík von den Prager Kreuzherren und der Karlsuniversität widmete sich dem Problem der barocken Wachsfiguren. Am Beispiel zweier Andachtsbilder auf Seitenaltären im westböhmischen Falkenau/Sokolov aus der Prager Servitenkirche St. Michael stellte er die Frage, ob es sich um Bozzetti oder Modelletti, um Entwurf oder Sekundärverwendung handle oder nicht doch um selbständige Kunstwerke. Die Gestaltung im Stil von Klosterarbeiten sowie die typische Servitenikonographie spricht wohl die originale Verwendung zur Andacht.
Julia Strobl Mitarbeiter des europäischen europäischen Forschungsprojektes über die Bildhauerfamilie Straub, wdmete sich ähnlichen Fragen am Beispiel einer 1739 datierten und von Johann Baptist Straub signierten Nepomuk-Figur auf einem Seitenaltar der Heimatpfarre Wiesensteig. Auch hier ist nicht klar, ob es sich um ein Modell für einen Altar in Brünn handelt oder doch um ein eigens für diesen Anlass angefertigtes Andachtsbild, da es auch ein in den letzten Jahrzehnten verschwundenes Gegenstück gab.

Nach der Mittagspause präsentierte der Laibacher Kollege Matej Klemenčič den aus Venedig stammenden Antonio Corradini und dessen Oeuvre sowie künstlerische Wurzeln. Er brachte auch frühe Hinweise zu diesem Künstler in Reiseberichten und Zeitungen. So wurde von der Aufstellung des Denkmals von Johann Matthias von der Schulenburg schon 1717 in dem in Wien und Rom verlegten „Diario ordinario d’Ungheria“ berichtet.

Der schon einmal genannte  Andreas Gamerith, Archivar und Kunstkurator des Stiftes Zwettl sowie Lehrbeautrager an den Wiener Kunstuniviersitäten, konnte einige seiner Funde sowie Neuerwerbungen präsentierten. Abt Melchior Zaunagg hat nicht nur mit Vorliebe Passionsthemen gesammelt, was der Referent mit seiner Hypochondrie erklärte, sondern sich von vielen Künstlern Probestücke anfertigen lassen, z.B. einen Johanneskopf von Josef Matthias Götz. Zu den in den letzten Jahren entdeckten Werken gehört etwa eine Porträtmedaillon des Geistlichen von Schletterer (oder Donner). Unter den jüngst angekauften Stücken findet man etwa einen Altarbildentwurf von Spiegler sowie von Mildorfer.

Nach der Kaffeepause sprang Gernot Mayer für die erkrankte Anna Frasca-Rath ein und stellte eine bisher unbekannte Büste des Fürsten Johann Wenzel Paar von 1782 vor, die er überzeugend Johann Baptist Hagenauer zuschrieb. Außerdem bot er einen Einblick in die Sammeltätigkeit dieses Aristokraten, vor allem dessen mithilfe des Grafen Durazzo parallel zur „Albertina“ angelegte Kupferstichsammlung.
Andrea Mayr, die im Kunsthistorischen Museum an einem Projekt zu den Münzen des 19. Jahrhunderts arbeitet, stellte aus ihrer Dissertation über den Medailleur Böhm die Medaillen Ferdinands I. vor. Dabei ging sie u.a. der Frage nach, inwiefern die kaiserlichen Beamten wie der als Sammler bekannt geworden Graf Czernin oder der Historiker Arneth an Programm und Ausführung beteiligt waren.
Zuletzt bot Caroline Mang, zur Zeit Assisstentin an unserem Institut, einen Einblick in ihr Forschungsprojekt über Caspar Zumbusch. Aufgrund eines in Familienbesitz entdeckten Konvolutes von sieben Skizzenbüchern konnte sie die Entstehung und thematische Zuspitzung des Maria-Theresiendenkmals beleuchten. Dabei ist es ja eine Ironie der Geschichte, dass man gerade für dieses patriotischte aller habsburgischen Denkmäler einen preußischen Bildhauer betraute. Vor diesem Hintergrund war also die die Darstellung der zahlreichen kaiserlichen Berater am Denkmal vielleicht nicht nur eine Gender-, sondern auch eine groß- oder kleindeutsche Frage….
Der letzte Vortrag von Barbara Murovec führte dann ins 20. Jahrhundert. Sie berichtete von einem Work-in-progress, nämlich einer Studie über die Arbeiten der vielfach in Wien geschulten südslawischen Kriegsbildhauer und der Ideologie der slowenischen Kriegerdenkmäler vor und nach 1918.

Die abendliche Würdigung von Prof. Schemper oblag ihrem langjährigen Freund und Kollegen Univ.-Prof. Dr. Petr Fidler, der nach seiner Pensionierung in Innsbruck an der Universität Pardubice tätig ist. Er erinnerte zunächst an ihre gegenläufige Forschungschronologie: beide hatten 1982 mit der Kunst des 17. Jahrhunderts begonnen – er habe sich aber zurück ins 16. Jh. bewegt, während die Wiener Kollegin ins 19. und 20. Jahrhundert fortgeschritten sei. Prof. Fidler lobte vor allem Schempers „Demut vor den Kunstwerken“ und dass sie „keine Angst vor dem Archiv“ habe. Als wissenschaftliches Hauptwerk hob er die alleinige Bearbeitung der Skulptur im Barockband der österreichischen Kunstgeschichte hervor. Nachdem die angehende Pensionistin von Institutsvorstand Univ.-Prof. Dr. Sebastian Egenhofer mit einem Blumenstrauß bedankt worden war, ergriff sie selbst das Wort. Sie bezeichnet sich nicht zuletzt aufgrund ihrer 47-jährigen Präsenz am Institut sowie wegen der Betreuung von nicht weniger als 106 Masterarbeiten als „Auslaufmodell“. Ebenso sei sie eine der letzten Vertreterinnen der „Wiener Schule der Kunstgeschichte“ aufgrund ihrer Prägung durch die Professoren Günther Heinz und Renate Wagner-Rieger. Aus dieser Tradition stimmte sie auch ein Plädoyer für „regionale Forschung“ an den Kunstwerken und die Kooperation mit den KollegInnen der Nachbarländer an. Diese regionale Kunstforschung war übrigens erst 1911 explizit von Max Dvorák im Auftrag Erzherzog Franz Ferdinands und parallel zur Gründung der Kunsttopographien bzw. der Schaffung eines Wiener Jahrbuchs für Kunstgeschichte eingeführt worden. Zum allgemeinen Anstoßen mit der scheidenden Kollegin hatte sich auch Univ.-Prof. Dr. Hans Aurenhammer aus Frankfurt eingefunden.

Friedrich Polleroß    Fotos: Karl Pani, Armin Plankensteiner und René Steyer