Universitätssammlungen & Provenienzforschung

Die Rückgabe von Kunstwerken, die ab 1938 jüdischen Familien wie Rothschild oder Bloch-Bauer geraubt wurden, hat eine große öffentliche Publizität erfahren bis hin zu Hollywoodfilmen. Weniger beachtet wurde hingegen die Tatsache, dass damit in den letzten zwei Jahrzehnten ein neuer Berufs- und Forschungszweig für HistorikerInnen und KunsthistorikerInnen entstanden ist. Darauf hat Dekan Univ.-Prof. Dr. Sebastian Schütze (Abb.) bei der Präsentation des Lexikons der österreichischen Provenenienzforschung (Abb.) in der Fachbibliothek für Zeitgeschichte am 29. Jänner 2019 hingewiesen. In diesem neuen Internetlexikon werden auch zahlreiche Kunsthistoriker und Kunsthistorikerinnen vorgestellt. Abgesehen von Opfern und Tätern, auf die wir noch näher zurück kommen, werden im Lexikon der Provenienzforschung folgende Fachleute genannt, die meist auch an unserem Institut studiert haben: Gert Adriani, Ernst Buschbeck, Bernhard Degenhart, Fritz Dworschak, Robert Eigenberger, Walter Frodl, Ernst Kris, Alphons Lhotsky, Vinzenz Oberhammer, Margarethe Poch-Kalous, Hans Posse, Otto Reich und Gertrude Tripp.
Hans Posse, der 1903 in Wien bei Franz Wickhoff promoviert hatte, wurde als Direktor der Gemäldegalerie Dresden 1939 von Adolf Hitler mit dem Aufbau des „Führermuseums“ in Linz betraut. Eine der Spezialistinnen für dessen Geschichte  ist Dr. Birgit Schwarz, die in den letzten Jahren das Forschungsprojekt "‘Sonderauftrag Ostmark‘: Hitlers Kunstraub- und Museumspolitik in Österreich“ am Institut für Kunstgeschichte durchgeführt und  ihre Fachkenntnis auch schon als Lektorin an unserem Institut weiter gegeben hat.

Neben den teilweise für das Linzer-Führer-Museum gestohlenen, aber auch angekauften Beständen, gab es jedoch tausende geraubte Alltags- oder Kulturgegenstände wie Bücher, die den ins Ausland fliehenden oder in die Konzentrationslager deportierten Menschen ebenfalls abgepresst wurden. Daher hat die Universitätsbibliothek bereits 2004 mit NS-Provenienzforschung begonnen, die auch unsere Institutsbibliothek betraf. Ein Bericht darüber wurde 2014 veröffentlicht: Olivia Kaiser-Dolidze und Markus Stumpf: Wien – London und retour? NS-Provenienzforschung an der Fachbereichsbibliothek Kunstgeschichte der Universität Wien. In: Die Praxis des Sammelns. In den letzten Jahren wurden daher auch aus unserer Institutsbibliothek Bücher aus dem Besitz von drei Kunsthistorikern an die Erben restituiert: 2009 von Gerhart B. Ladner und seinem Vater Oskar, die 1938 nach Kanada emigrierten; 2013 von Hans Tietze und 2014 von Fritz Saxl. Die Schenkungen von Otto Demus, Otto und Lilli Fröhlich, Betty Kurth (geb. Kris), Otto Pächt, Louis Nathaniel von Rothschild (1882-1955) und Dr. Victor Robitschek (1879-1942) erwiesen sich hingegen als rechtmäßig. Der Fall „Maria Lederer“ konnte nicht verifiziert werden.
130 Bücher aus dem etwa 1300 Werke umfassenden Vorlass des 1941 verstorbenen Ordinarius Josef Strzygowski tragen einen Stempel der NSDAP, da sie von der Gattin Hertha Strzygowski schon ein Jahr vor dem Tod ihres Mannes an die Gauleitung Wien verkauft wurden. Dieser Verkauf ging auf den KHM-Bibliothekar Karl Ortner (geb. Prochaska) zurück, der 1931 bei Josef Strzygowski promoviert hatte und damals auch schon Mitglied der NSDAP war. Er wollte damit die Bibliothek seines Doktorvaters vor der Verschleppung "ins Reich" bewahren. 1945 gingen die Bücher ins Eigentum der Stadt Wien über und wurden 1951 mit dem wissenschaftlichen Nachlass Strzygowskis dem Institut übergeben.
Neben den mitunter problematischen Erwerbungen gab es jedoch auch den gegenteiligen Effekt: Bücher jüdischer Autoren und Autorinnen, darunter der AbsolventInnen Hans Tietze (Abb.), Max Eisler, Oskar Pollack, Lotte Fröhlich Bum, Erica Tietze Conrat, Anny Popp, Otto Pächt, Betty Kurth, Marianne Zweig, Gustav Glück, Ernst Kris und Otto Kurz, wurden nicht gesammelt, sondern aussortiert bzw. am Institut für Kunstgeschichte in einem „Judenkasten“ dem allgemeinen Zugriff entzogen (Abb.). Mehrere dieser als „entartet“ gebrandmarkten Bücher waren in der von Hans Tietze begründeten populärwissenschaftlichen Reihe „Bibliothek der Kunstgeschichte“ erschienen.

Mittlerweise hat sich die Tätigkeit der Recherchen jedoch von den Bibliotheken auch auf andere wissenschaftliche Sammlungen der Universität Wien ausgeweitet. Daher wurde das 20. Sammlungstreffen am 27. Februar 2019 dem Thema „Herkunftsgeschichten und Erwerbungskontexte von Sammlungsobjekten“ gewidmet. Es fand am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft statt, welches durch seine Gründung im Jahre 1943 als „Zentralinstitut für Theaterwissenschaft“ direkt der NS-Ideologie verpflichtet war und auch über Bestände aus jüdischem Besitz verfügt. Diese Problematik wird mit einer Dauerausstellung auch den Studierenden näher gebracht.

Das Archiv des Instituts für Kunstgeschichte wurde von den Restitutionsforscherinnen mehrfach konsultiert, um etwa im Nachlass des Belvedere-Direktors Fritz Nowotny Informationen über  Provenienz, Verbleib oder (Nicht-) Restitution von Klimtgemälden zu suchen. Bisher unbeachtet blieb in diesem Zusammenhang jedoch das vor zwei Jahren inventarisierte Archiv der Studierenden-Akten vor 1945. Diese Unterlagen könnten Aufschluss geben über das „Netzwerk“ der Beteiligten, befanden sich ja unter den AbsolventInnen und Studierenden des Instituts für Kunstgeschichte vor 1938 nicht nur zahlreiche Emigrantinnen, sondern sowohl bedeutende Sammler und namhafte Kunsthändler als auch wichtige „Ariseure“ bzw. Beamte in Museen und Bundesdenkmalamt. So studierten auch zwei Verwandte aus dem direkten Umfeld der eingangs genannten Familien an unserem Institut: Luise Gutmann (geb. Bloch-Bauer) war eine Nichte von Adele Bloch-Bauer und schrieb 1929 ein Referat über die Wand- und Tafelmalerei in Spanien von 1000-1250 mit Lichtbildern (Abb.). Sie war mit dem kroatischen Industriellen Viktor von Gutmann Baron von Gelse und Belišće verheiratet, der 1946 von den Kommunisten hingerichtet wurde. Hilda Hériot (geb. Hildegard von Auersperg) war mit dem Besitzer des „Grand Magasins du Louvre“ August Olympe Hériot vermählt. Die 1907 von Oskar Laske gestaltete Villa des Ehepaares in der Rustenschacherallee 30 wurde 1931 mit Stahlrohrmöbeln von Marcel Breuer ausgestattet. 1932 errichteten Friedel Dicker und Franz Singer das Gästehaus der Villa ebenfalls im Stil des Bauhauses. 1934 verfasste Hilda Hériot eine Aufnahmearbeit zu Brueghels "Kinderspielen" (Abb.) und 1946 vermählte sie sich mit dem oben genannten Baron Louis Nathanlel von Rothschild.

Beachtung im Kontext von Sammlungsgeschichte und Restitutionsfragen verdienen aber auch folgende AbsolventInnen unseres Institutes:

  • Erich Cahn: Der aus einer Frankfurter Münzhändlerfamilie stammende Numismatiker studierte 1932/33 in Wien. Nach der Emigration gründete er 1933 gemeinsamem mit seinem Bruder Herbert die „Münzhandlung Basel“, die zu einer der weltweit bedeutendsten Münzhandlungen wurde. Cahn verfasste Publikationen zur schweizerischen sowie süddeutschen Münzgeschichte und starb 1993 in Bern.
  • Benno Fleischmann: Der  1906 in Wien geborene Fleischmann promovierte 1930 bei Julius von Schlosser und fertigte dafür offensichtlich auch einen Lebenslauf an (Abb.). 1932–38 arbeitete er an der Albertina. Dann wurde er beurlaubt, weil zwei seiner Großeltern als jüdisch galten. Ende April 1939 erfolgte seine Versetzung in den Ruhestand. Nachdem Fleischmann in der Folge im Wiener Kunsthandel, v. a. im „arisierten“ (!) Kunstauktionshaus Kärntnerstraße (siehe unten), tätig gewesen war, trat er 1945 seinen Dienst in der Albertina wieder an.
  • Ludwig Gierse: Der Sohn eines Kölner Industrievertreters wurde 1913 in Baku am Kaspischen Meer geboren. Er studierte u.a. in Wien Kunstgeschichte und hat sich vor allem mit der Geschichte des Kölner Doms beschäftigt. Daneben war er Sammler religiöser Graphik. Einige der wertvollsten Stücke der Sammlung Gierse kamen als Geschenke bzw. als Leihgaben in die Domschatzkammer. Der bis ins Alter von 100 Jahren aktive Kunsthistoriker starb 2015.
  • Bruno Grimschitz: Der Kärntner Kunsthistoriker wurde 1918 an der Universität Wien promoviert, 1937 habilitiert und 1944 zum a.o. Professor ernannt. Als Direktor der Österreichischen Galerie von 1939 bis 1945 und vorübergehender Leiter der Gemäldegalerie des KHM gilt er als „einer der Hauptakteure bei der ‚Arisierung‘ der Wiener Kunstsammlungen“ (Hubertus Czernin).
  • Robert Herzig war der 1911 in Mährisch-Schönberg geborene Sohn von Carl Herzig, der 1919 gemeinsam mit Fritz Mondschein die „Galerie St. Lucas“ eröffnet hat, die auf den Altmeisterhandel spezialisiert war und ist. Robert verfasste 1933 eine Aufnahmearbeit über Gemälde der Familiengalerie und schloss sein Studium mit einer Dissertation über Kärtner Wandmalerei 1300-1450 ab (Abb.). Weil Mondschein als Jude 1938 nach New York emigrieren musste, übernahm Robert Herzig dessen Geschäftsanteile. Er verkaufte Cranach-Gemälde der Sammlung Lederer, aber auch Werke von Makart und Klimt aus dem Besitz des jüdischen Kunsthändlers Pick u.a. an Hans Posse, den Leiter des „Sonderauftrages Linz“. Nach dem Krieg vermittelte er etwa ein Porträt von El Greco aus der Sammlung des 1939 nach Mexiko emigrierten Industriellen Julius Priester an den früheren Geschäftsführer der Galerie, der sich nun Frederick Mont nannte.
  • Franz Kieslinger: Der 1891 in Wien geborene Franz Kieslinger studierte von 1911 bis 1914 Kunstgeschichte an der Universität Wien bei Josef Strzygowski sowie Max Dvořák und wurde 1919 promoviert. Er arbeitete im Kunsthandel und als Kunstsachverständiger für das Wiener Dorotheum.  Kieslinger wurde 1938 Geschäftsführer der „arisierten“ Kunsthandlung  Kende und inventarisierte u.a. die Kunstsammlung von Fritz Grünbaum. 1940 wurde er Mitarbeiter des SS-Oberst Kajetan Mühlmann für den Kunstraub in den Niederlanden.
  • Heinrich Klapsia: Der 1907 im schlesischen Troppau geborene Klapsia promovierte 1930 an unserem Institut. Er war ab 1931 am KHM tätig und wurde 1943 Leiter der Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe. 1941 betreute er auch die beschlagnahmten Sammlungen des Stiftes Klosterneuburg. Zuvor hatte er die Aufstellung der Bestände der Sammlung Figdor in der Neuen Burg kuratiert. Über diese aus jüdischem Besitz stammende größte Privatsammlung Wiens wird Marco Antonio Ricci bei Prof. Schütze am "Vienna Center for the History of Collecting" eine Dissertation schreiben.
  • Karolina Lanckorońska: Die polnische Gräfin wurde 1898 in Buchberg am Kamp geboren und schrieb 1921 ein Referat "Delacroix's Beziehungen zu Michelangelo" (Abb.). Sie promovierte 1926 an unserem Institut über Michelangelo Buonarroti. 1935 habilitierte sie sich als erste polnische Kunsthistorikerin in Lemberg, wo sie danach auch unterrichtete. Nach dem Überfall auf Polen 1939 wurde das Wiener Palais der Familie mit seiner wertvollen Kunstsammlung konfisziert. Karolina wurde 1942 in Polen von den Nazis verhaftet und kam später in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete sie als Kunsthistorikerin in Rom. Dort spielt auch folgende Anekdote: als Papst Johannes Paul II. ihr zum 95. Geburtstag mit dem polnischen Glückwunsch „100 Jahre sollst Du werden!“ gratulierte, soll sie geantwortet haben „Nur 100 Jahre, Eure Heiligkeit?“  Tatsächlich starb sie erst 2002 und erlebte daher auch noch die Rückstellung des Gemäldes von Dosso Dossi „Juppiter, Merkur und Virtus“ (Abb.) aus dem Kunsthistorischen Museum. Als überzeugte Patriotin stiftete Lanckorońska die Sammlung ihrer Familie den Museen in Warschau und Krakau.
  • Wiltrud Mersmann: Die 1919 in Berlin geborene Kunsthistorikerin wurde nach zweimaliger Ausbombung (Abb.) 1944 an der Universität Wien promoviert. Nach dem Krieg arbeitete sie vom März 1946 bis Juni 1949 am Central Collecting Point in München. Hier half sie dem kroatischen Kunsthändler Ante Topić Mimara (1898–1987), in den Besitz von angeblich aus Jugoslawien stammenden, von den Nationalsozialisten geraubten, Kunstwerken zu gelangen. 1957 heiratete sie Topić Mimara und lebte mit ihm im Schloss Neuhaus in Salzburg. 1977 wurde sie an der Universität Salzburg habilitiert. 1973 vermachte das Ehepaar seine Kunstsammlung dem kroatischen Staat und diese ist seit 1987 im Mimara-Museum in Zagreb (Abb.) der Öffentlichkeit zugänglich.
  • Ferdinand Nagler: Der Wiener studierte um 1925 an unserem Institut und war ab 1930 als Kunsthändler tätig. 1938  wurde Nagler zunächst zum kommissarischen Verwalter von Albert Kendes Kunst- und Auktionshaus in der Kärntnerstraße 4 bestellt. Von 1941 bis 1976 war er Inhaber des Kunst- und Auktionshaus in der Kärntnerstraße. Dieses spielte während der NS-Zeit eine zentrale Rolle für den Kunsthandel im gesamten Deutschen Reich, vor allem als Umschlagplatz für entzogene Kunst- und Kulturgüter. Unter anderem wurden ein Teil der Sammlung Ferdinand Bloch-Bauer sowie zahlreiche Objekte aus der Silbersammlung Ernst Eggers hier versteigert.
  • Otto Kallir-Nirenstein: Der 1894 in Wien geborene Otto Nirenstein studierte vermutlich vor 1920 an unserem Institut (Abb.) und eröffnete 1923 seine „Neue Galerie“ (heute „Galerie nächst St. Stephan“). Er entwickelte sich zu einem international angesehenen Kunsthändler und verlegte bibliophile Werke über Gustav Klimt, Oskar Kokoschka, Egon Schiele und Alfred Kubin. 1933 änderte er seinen Familiennamen auf Kallir. 1938 emigrierte er und gründete zunächst in Paris die Galerie „St. Etienne“, musste diese jedoch schon 1939 nach New York verlegen. Die „Autographensammlung Otto Kallir“ befindet sich in der Wienbibliothek im Rathaus. Sein Nachlass wird im Leo Baeck Institut in New York und im Archiv der Österreichischen Galerie im Belvedere aufbewahrt.
  • Felix Reichmann: Der 1899 in Wien geborene Felix Reichmann war der Sohn eines jüdischen Buchhändlers sowie Antiquars und promovierte 1923 mit der Dissertation „Die gotische Wandmalerei in Niederösterreich“. Danach arbeitete er in Frankfurt, Paris, London und Florenz als Buchhändler. 1926 übernahm er die Buchhandlung des Vaters in Wien-Wieden. 1938 wurde das Geschäft arisiert, Reichmann selbst wurde bis Februar 1939 zuerst im KZ Dachau und darauf im KZ Buchenwald interniert, doch 1939 konnte die Familie in die USA emigrieren. Dort arbeitete Reichmann als Museumskurator und Bibliothekar. Ab 1945 war Reichmann in Württemberg-Baden für die Militärregierung der Vereinigten Staaten als Leiter der Kontrolle für Druckwerke (Chief of the Publications Control Branch). Seine Buchhandlung in Wien wurde restituiert, Reichmann kehrte jedoch 1947 in die USA zurück und wurde Bibliothekar an der Cornell University in Ithaca, NY.
  • Kurt L. Schwarz: Der 1909 in Wien geborene Kurt Leo Schwarz war der Sohn eines Antiquars und widmete sich während seines Studiums sowohl Dürer als auch Toulouse-Lautrec (Abb.). 1932 wurde er bei Julius von Schlosser mit der Dissertation über den Maler Daniel Gran promoviert. Seit 1927 arbeitete er im väterlichen Antiquariat, nach dem Tod seines Vaters führte er dieses mit seiner Mutter. 1938, wurde die Firma vom Mitarbeiter Johann Paulusch „arisiert“. Kurt Schwarz ging zuerst nach Paris, 1939 nach London und 1940 nach Shanghai, wo er bis 1941 Bibliothekar der Royal Asiatic Society Library war. Von 1940 bis 1947 arbeitete er für Heinz Egon Heinemann in dessen „Western Arts Gallery“ in Shanghai, die Bücher, Kunst und Gebrauchtwaren an deutsche Emigranten verkaufte. 1947 ging er in die USA, wo er in Kalifornien das Antiquariat „Kurt L. Schwarz Antiquarian Books“ betrieb.
  • George Saiko: Der 1892 in Böhmen geborene Seiko kam 1910 nach Wien. 1925 promovierte er bei Julius Schlosser und Josef Strzygowski mit einer Arbeit über den frühbarocken Palastbau in Wien, er war jedoch hauptsächlich schriftstellerisch tätig. Im Februar 1939 wurde Saiko über persönlichen Auftrag von Staatssekretär Kajetan Mühlmann an die Albertina geholt, wo er die Nachfolge des aus "rassischen" Gründen in den Ruhestand versetzten Benno Fleischmann (siehe oben) antrat. Seine U.K.-Stellung erfolgte im Herbst 1944, da Saiko als Leiter der Bergungsdepots für die Kunstwerke der Albertina als unentbehrlich erachtet wurde. Ab Februar 1945 hatte Heinrich Leporini teilweise gemeinsam mit Georg Saiko die kommissarische Leitung der Albertina inne, bis Saiko diese im Mai 1945 alleine übernahm, um sie noch im selben Monat an Josef Bick abgeben zu müssen. 1950 wurde Seiko entlassen und war in der Folge als Privatgelehrter und Schriftsteller tätig.
  • Antoine Seilern: Antoine Edward Graf von Seilern und Aspang wurde 1901 in England geboren, stammte jedoch väterlicherseits aus einer österreichischen Adelsfamilie. Seine Mutter war die Tochter eines (erfolg-)reichen deutsch-amerikanischen Börsenspekulanten. Ab 1933 studierte Seilern Kunstgeschichte an der Universität Wien. Seine schon damals berühmte Kunstsammlung befand sich in seinem Haus am Brahmsplatz Nr. 1. 1939 emigrierte der Sammler nach London, wo er 1978 seine über 120 Gemälde und Zeichnungen umfassende Sammlung dem Courtauld Institute of Art stiftete. Der Kunsthistoriker verfasste 1933/34 eine Aufnahmearbeit über „Rubens Jesuitendecken“ (Abb.). Die in der Arbeit genannte Ölskizze des "Papstes Gregor" (Abb. ) befand sich damals schon in seinem Besitz (Abb.). Später erwarb er weitere Ölskizzen des Antwerpener Malers. Antoines in Böhmen geborene Cousine (?) Ida Seilern (1919-2018), die ungefähr zur gleichen Zeit ebenfalls eine Aufnahmearbeit zu Rubens verfasste, war später mit ihrem in Prag noch als Prinz geborenen Studienkollegen Franz Windisch-Graetz (1913-2011), dem Möbelspezialisten des MAK, verheiratet.
  • Karl Graf von Wilczek (1888-1949) war der Enkel des Bauherren von Kreuzenstein und Schwager des Fürsten von Liechtenstein, dessen Kunstsammlung in Wien 1944/45 vor Nazis und Bomben nach Vaduz geflüchtet  wurde, während die Bestände in Mähren nach 1945 von den Kommunisten enteignet wurden. Wilczek war daher auch ein Onkel des kunstsammelnden Fürsten Hans Adam II. von Liechtenstein. Er verfasste während seines Studiums an unserem Institut Referate über den Verduner Altar sowie über Dürer und Raffael. 1925 promovierte er mit einer Dissertation über Heinrich Friedrich Füger. 1936 publizierte Wilczek den „Katalog der Graf Czernin’schen Gemäldesammlung in Wien“ (Abb.), die durch den Verkauf der „Malkunst“ von Vermeer an Adolf Hitler in die Restitutionsdiskussion geriet. Außerdem fungierte der Kunsthistoriker vor 1938 und nach 1945 als Kunstberater der Familie Rothschild.


Friedrich Polleroß  Fotos: Institut für Kunstgeschichte, Friedrich Polleroß