Kunstraub & Provenienzforschung

Am 20. Juni 2018 wurde im Eroica-Saal des Palais Lobkowitz ein Werk vorgestellt, welches die Ergebnisse eines Forschungsprojekts enthält, das von 2014 bis 2016 am Institut für Kunstgeschichte in Kooperation mit der Kommission für Provenienzforschung des Bundeskanzleramts erarbeitet wurde: Birgit SchwarzHitlers Sonderauftrag Ostmark. Kunstraub und Museumspolitik im Nationalsozialismus“ (Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung, Band 7).

Wie die Herausgeberin der Reihe, Rektorin Eva Blimlinger, im voll besetzten Saal ausführte, war das Datum der Präsentation gut gewählt: Am 18. Juni 1938, also fast genau 70 Jahre zuvor, hatte sich Adolf Hitler mit dem „Führervorbehalt“ den persönlichen Zugriff auf die nach dem „Anschluss“ beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen in Wien und das Vorrecht eingeräumt, über die Verwendung der Kunstwerke höchstpersönlich zu entscheiden. Initiiert wurde damit die Zuteilung von über 5000 hochrangigen Kunstwerken an die österreichischen Museen. Diesem Vorgang ist das Buch gewidmet und bietet damit unter anderem auch wichtige Grundlagen für die Provenienzforschung.

Nach den Begrüßungs- und Dankesworten gab die Autorin einen Ausblick auf die Bedeutung des Verteilungsprogramms für die NS-Kunstpolitik und stellte es in den Kontext der Museumspolitik Hitlers: Die Femeschau „Entartete Kunst“ 1937 in München und die folgende Beschlagnahmeaktion von Kunstwerken der avantgardistischen Moderne in deutschen Museen hatten Hitlers Selbstdarstellung und Image als Künstler und Kunstfreund beschädigt. Die den Museen als „Führerspenden“ zugeteilten Kunstwerke sollten dies korrigieren und Hitlers Nachkriegsimage als großer Museumsmäzen vorbereiten. Das Verteilungsprogramm der beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen bildet damit das bisher unbekannte Komplementärprogramm zur Aktion „Entartete Kunst“.

Das Verteilungsaktion wurde bekanntlich von einem hochrangigen Sammlungsfachmann durchgeführt, dem Direktor der Dresdner Gemäldegalerie Hans Posse, der sein Studium der Kunstgeschichte am Wiener Institut bei Franz Wickhoff abgeschlossen hatte und Mitglied des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung war. Unterstützt wurde er dabei vom ehemaligen österreichischen Staatsdenkmalamt, das nicht aufgelöst, sondern von 1940 bis 1945 unter dem Namen „Institut für Denkmalpflege“ weitergeführt wurde. Die Autorin führte aus, dass dessen enge Kooperation mit Posse und letztlich mit Hitler wesentlich dadurch motiviert war, dass zentrale denkmalpflegerische Anliegen wie die Nicht-Freigabe kunsthistorisch bedeutender Stifte und Klöster für die Einquartierung sog. volksdeutscher Umsiedler sogar gegen NS-Organisationen durchgesetzt werden konnten. Erreicht wurde dies mit Hilfe des „Führervorbehalts“, der erst auf die Klostersammlungen, später dann auch auf Klostergebäude ausgedehnt wurde, um deren kulturelle Nutzung sicherzustellen.  

Zum Abschluss der Veranstaltung gab Monika Löscher, seit 2009 Mitarbeiterin der Kommission, unter dem Titel „Klimt und Klaviere“ einen Überblick über die zwanzigjährige erfolgreiche Tätigkeit der Kommission für Provenienzforschung. Österreich hat nicht nur das einzige Kunstrückgabegesetz weltweit; in den zwanzig Jahren seit Bestehen der Kommission wurden zudem über 30.000 Objekte an ihre ehemaligen Eigentümer bzw. deren Rechtsnachfolger zurückerstattet. Österreich gilt damit im Umgang mit NS-Raubkunst heute international als Vorbild. Im Beirat der Kommission, der Empfehlungen für die Rückgabe erarbeitet, ist das Institut für Kunstgeschichte durch Artur Rosenauer als Mitglied und Michael Viktor Schwarz als Ersatzmitglied vertreten.

Birgit Schwarz  Fotos: Kommission für Provenienzforschung