"ausgeschieden 1938": Archivalien zu Emigranten und Emigrantinnen des Instituts für Kunstgeschichte

Das Jahr 1938 bildete nicht nur einen schwerwiegenden Einschnitt in der Geschichte Österreichs, sondern auch in jener des Kunsthistorischen Institutes der Universität Wien, mussten doch auch im Bereich unseres Faches zahlreiche Jungakademiker und Studierende aufgrund der Rassengesetze der Nationalsozialisten oder politischer Kritik nicht nur die Universität, sondern auch das Land verlassen. Einen guten Eindruck von der Wiener Situation, aber auch von der problematischen Rolle des Institutsvorstandes Hans Sedlmayr, dessen Werk zuletzt von Maria Männig kritisch durchleuchtet wurde, bietet ein Interview mit der deutschen Kunsthistorikerin Sigrid Esche-Braunfels (geb. 1914). Esches im Mai 1938 vorgelegte Aufnahmearbeit „Die Anbetung der heiligen Drei Könige am Nordturm des Stephansdomes“ wurde von Sedlmayr mit "gut!" beurteilt (Abb.).

Das Schicksal zahlreicher EmigrantInnen, derer an unserem Institut auch mit einem materiellen und einem virtuellen Denkmal gedacht wird, wurde bereits in den letzten Jahrzehnten erforscht, vor allem wenn es sich um prominente Persönlichkeiten der Kunstwissenschaft handelte. England, die USA und Australien profitierten durch die jüdischen Immigranten, die an vielen Universitäten erst den Aufbau einer akademischen Kunstwissenschaft ermöglichten.

Ergänzend zu den bisherigen Informationen können nun auch die Unterlagen von Studierenden vor 1945 unseres Archives ausgewertet werden. Diese sind zwar nicht vollständig, da vor allem die Akten der Strzygowskischüler des I. Kunsthistorischen Institutes fehlen. Das gilt etwa für Emmy Wellesz (geb. Stross, 1889-1987), deren Arbeit zur buddhistischen Kunst jüngst von Karl Johns gewürdigt wurde, sowie für deren Ehemann Egon Wellesz (1885-1974), dessen musikwissenschaftliche Forschungen von den Vorlesungen Strzgowskis und Dvoráks angeregt wurden. Das Ehepaar Wellesz musste mit seinen zwei Töchtern 1938 nach England emigrieren. Aber auch manche Unterlagen jüdischer Absolventen des II. Kunsthistorischen Institutes sind (seit 1938 nicht mehr?) erhalten, z. B. von Ernst Gombrich.

Dafür bietet das Archiv auch Hinweise auf Absolventen oder Studierende, die bisher kaum beachtet wurden. Das Institutsarchiv enthält u.a. Material zu folgenden KunsthistorikerInnen, die vorübergehend ins Exil gingen oder überhaupt erst in der Emigration Karriere machten:
•    Der Albertina-Mitarbeiter  Benno Richard Fleischmann (1906-1948), der 1930 bei Prof. Schlosser promoviert hatte, wurde 1939 wegen seiner jüdischen Herkunft entlassen, konnte jedoch 1945 an seinen früheren Arbeitsplatz zurück kehren. Er war auch als Journalist und Schriftsteller tätig. Unser Archiv enthält u.a. einen Lebenslauf sowie die Aufnahmearbeit „Die Ornamentik des Book of Durrow, ihre Erklärungsversuche und ihre Aufgabe als Buchillustration“ (1925). Aus dem beiliegenden Lebenslauf (Abb.) geht hervor, dass Fleischmann Philosophie-Vorlesungen der Professoren Gomperz, Bühler und Schlick hörte. Letzterer wurde 1936 in der Universität von einem Nazi erschossen, die anderen beiden Philiophieprofessoren emigrierten in die USA.
•    Der Dvořák-Schüler Felix Horb (1890-1958) studierte ab 1909 in Wien. Seine 1913 begonnene, aber erst 1923 abgeschlossene Dissertation trug den Titel „Die Vorgeschichte von Duccios und Giottos Architekturbild bis zu den Anfängen des Naturalismus in der italienischen Malerei der zweite Hälfte der Duecento“. Erste Texte und Teile der Dissertation haben sich im Wiener Institutsarchiv erhalten (siehe Abbildung). Horb arbeitete ab 1924 für den dem Dorotheum angeschlossenen „Krystall Verlag“ als Schriftleiter der Kunstzeitschrift „Belvedere“ und 1927 trat Dr. Horb als „Kollektiv-Prokurist“ in die Verlagsfirma ein, aber aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen arbeitete er ab 1930 als freischaffender Kunsthistoriker. Wann er nach Schweden auswanderte, ist nicht bekannt.
•    Der Deutsche Hans Huth (1892-1977) studierte in Halle sowie in Wien, wo er 1913 das Referat „Kritik an Vasaris Vita des V. Pisanello“ hielt, und promovierte 1922 in Berlin. Von 1924 bis 1936 war als Kurator für Schlösser und Gärten bzw. Möbel in Berlin sowie Kassel tätig. Nach seiner Emigration arbeitete er an der New York University, am Art Institute of Chicago und schließlich an der University of California. Aus der vorübergehenden Beschäftigung für das National Park Service resultierte das Buch „The American and Nature“ von 1957, welches noch 1990 neu aufgelegt wurde.
•    Der Wiener Ernst Kris (1900-1957) war neben seiner Tätigkeit als Kurator für Steinschneidekunst am KHM auch als Psychoanalytiker tätig. In seiner Studie „Ein geisteskranker Bildhauer“ über Franz Xaver Messerschmidt verband er beide Interessen. Nach der Emigration 1938 nach London sowie 1943 nach New York arbeitete er hauptsächlich als Psychoanalytiker. Das Institutsarchiv verwahrt sein Referat „Der Klassizismus auf Wiener Friedhöfen“ (undatiert, Abb.).
•    Otto Kurz (1908-1975), der 1931 bei Prof. Schlosser promovierte, wurde schon 1933 als Jude in der Universitätsblbibliothek von Nazi-Studenten verprügelt. 1935 emigrierte er daher mit der Hamburger Warburg-Bibliothek nach London, wo er 1944 auch eine dauerhafte Anstellung bekam. In unserem Archiv hat sich nur die Aufnahmearbeit „Dürers ‚Große Passion‘“ (1928) erhalten, die von Schlosser nur als "zureichend" beurteilt wurde (Abb.).
•    Vom Rembrandt-Forscher Ludwig Münz (1889-1957), der in Wien und Hamburg studierte, 1938 nach England emigrierte und als einer der wenigen nach 1945 nach Österreich zurück gerufen und zum Direktor der Galerie der Akademie der bildenden Künste ernannt wurde, besitzt das Institutsarchiv drei Bestandsgruppen: das  Referat „Die Landschaftsmalerei bei Jan van Eyck“ (1911), Unterlagen zur Herausgabe des Buches „Das holländische Gruppenporträt“ von Alois Riegl (1934) sowie einen Nachlass, der auch Materialien zu den kunstpsychologischen Studien in London umfasst.
•    Auch von unserem ehemaligen Ordinarius Otto Pächt (1902-1988) haben sich die Aufnahmearbeit „Hans Dürer“ und das Referat „Nordische Denkmäler und ihr Verhältnis zur mittelalterlichen Kunst“ (1922) erhalten. Dazu gibt es einen umfangreichen Nachlass, der auch Briefwechsel und Arbeitsnotizen aus London und Oxford umfasst.
•    Auf den in Australien bedeutend gewordenen Kunsthistoriker Franz Philipp (1914-1970) und seine Archivalien im Studierenden-Archiv wurde schon an anderer Stelle hingewiesen.
•    Der derselben Generation angehörige Adolf Placzek musste 1934/35 zwei Aufnahmearbeiten schreiben (Abb.). Die erste „Über den grossen Schnitzaltar im Kunsthistorischen Museum in Wien“ (den sog. "Znaimer Altar" heute im Belvedere) wurde von Hans Sedlmayr als ungenügend bewertet ("viel Anempfindung, wenig Anschauung"), während Placzeks „Beschreibendes Verzeichnis der Glasmalerei von St. Stephan“ diesen dann Schlosser und Seldmayr als für eine "Provisorische Aufnahme" geeinget erscheinen ließ. Er konnte aber sein Studium nicht mehr abschließen. 1939 emigrierte er nach London und dann nach New York. Dort studierte er an der Columbia University Bibliothekswissenschaften. Daneben arbeitete er für die Avery-Library, der wichtigsten Architekturbibliothek Amerikas, deren Leitung er von 1960-80 innehatte.
•    Hilde Schüller (1910-1981) studierte in Frankfurt sowie Wien, Nach ihrer Promotion 1933 arbeitete sie als Volontärin an der Albertina. 1937 emigrierte sie nach England, wo sie Otto Kurz ehelichte. Das Institutsarchiv besitzt ihre mit der Note "1-2" beurteilte handschriftliche Aufnahmearbeit (Abb.) über Rembrandts Gemälde im Kunsthistorischen Museum unter dem Titel „Der Apostel Paulus vor dem Schreibtisch sitzend“ (1928) sowie das Typoskript „Der Apostel Paulus im Kunsthistorischen Museum zu Wien. (Versuch einer Datierung und Einreihung in das Werk Rembrandts)“ (undatiert). Von dieser Studentin haben sich auch ein Brief an Prof. Schlosser und ein Museumsausweis in den institutsakten erhalten.
•    Der Prager Heinrich Schwarz (1894-1974) begann sein Studium in Wien 1914 mit der im Archiv erhaltenen Arbeit „Die illustrierten Terenzhandschriften und ihre Beziehung zu den ersten gedruckten Terenzausgaben“ (Abb.). 1921 promovierte er über die Lithographie und wurde schließlich als Mitarbeiter von Albertina und Österreichischer Galerie zum Spezialisten für die Geschichte der Fotografie. 1938 musste er einen Teil seinen Privatbibliothek verkaufen, um nach Schweden emigrieren zu können. 1940 wanderte er in die USA aus, wo er an mehreren Orten als Museumskurator und Universitätslehrer tätig war. Sein Nachlass befindet sich im Getty Research Institute in Los Angeles.
•    Die Wienerin Elisabeth Sgalitzer (1918-2016) studierte ab 1936 an unserem Institut, wo sie 1937 eine Aufnahmearbeit „Das alte Wiener Rathaus“ verfasste. Sie war im Sommersemester 1938 im Rahmen des Numerus clausus für jüdische Studierende noch zum Weiterstudium bis zum Semesterende zugelassen (Abb.). Im September 1938 emigrierte die Familie über Prag nach Istanbul, wo Elisabeth 1943 ihr Kunstgeschichtestudium abschließen konnte. Im selben Jahr wanderte sie mit ihren Geschwistern in die USA aus. 1945 heiratete sie den deutschen Kunsthistoriker Richard Ettinghausen. 1967 übersiedelte die Familie nach Princeton, wo Elizabeth Ettinghausen Islamische und Byzantinische Kunst lehrte.
•    Die Pragerin Magda Starkenstein (1917-2011) wechselte 1937 von der Prager an die Wiener Universität, wo sie mit der Arbeit „Jan van Eyck. Der Kardinal Albergati" ans Institut für Kunstgeschichte aufgenommen wurde. Nach dem „Anschluss“ kehrte sie nach Prag zurück, musste aber ein Jahre später in die Niederlande emigrieren, wo sie ihr Studium schließlich in Amsterdam abschließen konnte. 1941 heiratete sie den Neuropsychiater Coen van Emde Boas, und 1942 starb ihr Vater im KZ Mauthausen. Nach dem Krieg arbeitete die Kunsthistorikerin als Kritikerin u.a. für „Die Welt“ und die NZZ, aber auch als Übersetzerin tschechischer Literatur.

Neben diesen Kunsthistorikern scheinen im Archiv der Studierenden eine Reihe von EmigrantInnen auf, die später nicht mehr fachlich-einschlägig tätig waren oder aufgrund ihrer Leistungen außerhalb der Kunstgeschichte bekannt wurden:
•    Liesbeth Askonas (verm. Shepherd, geb. 13.8.1913, gest. 20.1.1996) verfasste 1933 die Aufnahmearbeit „Versuch einer Typisierung der Palastportale Fischers von Erlach und Hildebrandts“ und begann um 1937 eine Dissertation. Dies geht aus einem Brief hervor, den der Münchner Dissertant Rudolf H. Wackernagel 1960 an das Wiener Institut sandte. Denn sein Doktorvater Hans Sedlmayr war vermutlich auch der Betreuer der Dissertation von „Lisel Askonas“ über die „Entrées solennelles“ gewesen: „Wie mir Herr Professor aber mitteilte, kann es durchaus sein, dass Fräulein Askonas die Arbeit damals nicht mehr vollenden konnte, da sie als Jüdin nach England emigrieren musste.“ Tatsächlich blieb die Dissertation unvollendet, da Frau Askonas mit ihren Eltern nach England emigrierte und dort als Konzertagentin arbeitete.
•    Gertrud Bamberger (1904-1965) hinterließ aus ihrer Studienzeit von 1922-29 die Eignungsarbeit „Ein Vergleich zwischen den beiden Gemälden ‚Die Himmelfahrt Mariae‘ von Rubens im Staatsmuseum und in der Liechtensteingalerie“, widmete sich aber nach der Dissertation „Die niederösterreichische Bildnerei von 1500 bis 1530“ vorwiegend dem Turn- und Gesangsunterricht. Mit ihrem Ehemann Viktor Zuckerkandl, Musikwissenschaftler und Sohn der von Gustav Klimt porträtierten Amalie, der ebenfalls Kunstgeschichte studiert hatte, wanderte sie 1938 in die USA aus und unterrichtete ebenso wie dieser an verschiedenen Musikhochschulen. Bambergers Mutter und Schwester wurden in KZs ermordet.
•    Die aus der bekannten Bankiersfamilie Schey von Koromla stammende Christine Bergson-Sonnenberg (geb. 1918) hinterließ aus ihrer Studienzeit zwei Aufnahmearbeiten, nämlich „Die Salesianerinnenkirche“ (1936/37) sowie „Grablegung Christi von P.P. Rubens (Liechtensteingalerie) nach M.A. Caravaggio“ (1936/37). Sie konnte offensichtlich nach England emigrieren, ihre Eltern entkamen in die USA.
•    Die aus Czernowitz stammende Klara Blum (1904-1971) hinterließ in unserem Archiv ihre Aufnahmearbeit „Das Verhältnis des Pariser Psalters zur antiken Malerei“, engagierte sich aber später für Zionismus sowie Kommunismus und wurde als Germanistin sowie Schriftstellerin in China bekannt.
•    Gertrud Bondi (1890-1959) verfasste die undatierte Aufnahmearbeit „Vergleich zwischen der ‚Kirschenmadonna‘ und der ‚Zigeunermadonna‘ des Tizian“, wurde jedoch ab 1917 unter dem Künstlernamen „Bodenwieser“ als Tänzerin (Abb.) und Tanzlehrerin berühmt. 1938 flüchtete sie über Kolumbien nach Australien. Ihr Ehemann Friedrich Rosenthal wurde 1942 im KZ Auschwitz ermordet.
•  Ninon Dolbin (geb. Ausländer 1895-1966) verfasste offensichtlich um 1918 das 90-Seiten (!) starke Referat „Die Kirche zu den neun Chören der Engel am Hof“. Da am Umschlag die Namensänderung durchgeführt wurde (Abb.), entstand die Arbeit in zeitlicher Nähe zur Heirat mit ihrem Studienkollegen Benedikt Fred Dolbin (1883-1971). Dieser hatte 1902-10 an der Technischen Hochschule studiert, und arbeitete ab 1924 nicht mehr als Bautechniker, sondern als Karikaturist für österreichische und deutsche Zeitungen. Von 1918 bis 1931 war er mit Ninon verheiratet. Mit seiner dritten Ehefrau emigrierte Dolbin 1935 in die USA. Ninon Dolbin, die an unserer Universität Kunstgeschichte und Archäologie studierte, war seit 1922 mit Hermann Hesse befreundet, übersiedelte 1927 zu diesem in die Schweiz und heiratete ihn schließlich nach der Scheidung von Dolbin.
•    Der Wiener Kurt Eissler (1908-1999) wurde international als Psychoanalytiker bekannt. Er konnte 1938 in die USA emigrieren, während sein Bruder Erich in Auschwitz ermordet wurde. Das undatierte Referat über die Kunst der indigenen Völker Südamerikas in unserem Archiv lässt jedoch die Tatsachen verständlicher erscheinen, dass Eissler 1951 die New Yorker Sigmund Freud Archives gemeinsam mit dem Wiener Kunsthistoriker Ernst Kris (siehe oben) gegründet und psychoanalytische Notizen zu Leonardo da Vinci veröffentlicht hat.
•    Emma Beatrice Haas (geb. Huber 1896) hat 1924 den aus Brünn stammenden Wiener Universitätsprofessor für Physik und Wissenschaftsgeschichte Arthur Erich Haas (1884-1941) geheiratet. Merkwürdigerweise erst 1934 entstand jedoch ihre Aufnahmearbeit „Die gotische Plastik der Michaelerkirche“. 1935 folgte Emma ihrem aus einer jüdischen Familie stammenden Ehemann in die USA, wo dieser eine Gastprofessur annahm.
•    Theodor Friedrich Meisels (1899-1963) studierte Kunstgeschichte und Archäologie in Wien sowie Padua und schloss mit einer Dissertation ab. Aus seiner Wiener Zeit haben sich die Aufnahmearbeit „Die Paulusreliefs des Singertores der Stephanskirche“ (1928) sowie ein Brief an Prof. Schlosser, der die Arbeit negativ beurteilt hat, erhalten. Aus dem Brief geht hervor, dass Meisels, der schon einen Sohn hatte, für seinen Unterhalt als Kunsthändler arbeiten musste (Abb.) und daher nicht ganztägig studieren konnte, wie es den meist wohlhabenden anderen Studierenden möglich war. Meisels arbeitete später als Journalist sowie Reiseschriftsteller und emigirierte 1938 nach Tel Aviv. 1959 kehrte er nach Wien zurück und wurde Redakteur der Tageszeitung „Die Presse“.
•    Die mit dem Referat „Die Universitätskirche“ (SS 1935) in unserem Archiv vertretene Rita Stephanie Perlhefter ist offensichtlich identisch mit der 1914 in Wien geborenen und 1996 in Seattle verstorbenen Emigrantin gleichen Namens.
•    Regine Pollak (von) Parnau (1910-1973), die Tochter des Textilindustriellen mit dem 1938 „arisierten“ und 1944 zerstörten Palais von Ernst von Gotthilf auf dem Schwarzenbergplatz, verfasste 1930 die Aufnahmearbeit „Die vier Marienfresken im Chore und die Kreuzigung im linken Querschiffe der Oberkirche von San Francesco in Assisi“. Die Arbeit wurde zwar mit der Note 2 beurteilt, aber die Studentin wurde in den Jahren danach als Golfmeisterin bekannt (Abb.). Sie konnte nach London emigrieren, ihr Ehemann Franz Gerhard von Kubinzky wurde 1944 in Auschwitz ermordet.
•    Die 1915 in Wien geborene Lizzy Rapp (vermählte Bauer) reichte 1937 die Aufnahmearbeit „Der Donnerbrunnen am Neuen Markt“ ein und noch im Jänner 1938 ihre zweite Aufnahmearbeit „Das Salzfass des Benvenuto Cellini“. Nachdem Prof. Sedlmyr am 26. Jänner einen vierseitigen Nachtrag mit einer Beschreibung der Saliera gefordert hatte, wurde diese Ergänzung am 7. Februar 1938 für "Gut!" befunden, und Rapp ins Institut aufgenommen. Als Jüdin konnte sie ihr Studium trotzdem nicht fortsetzen, was auf dem Umschlag lakonisch mit "ausgeschieden 1938" vermerkt wurde (Abb.). Rapp emigrierte in die USA und soll 1991 ihre Erinnerungen an die Nazitzeit niedergeschrieben haben.
•    Luigi Ronzoni (1918-1995), der Vater des gleichnamigen Kunsthistorikers, verfasste 1935 die Aufnahmearbeit „Das Grabmal Friedrich des Dritten im Wiener Stephansdom“ und 1937/38 das Referat „Die Entstehung des Genres in der Malerei“, konnte aber wegen  rassischer Verfolgung sein Studium nicht fortsetzten. Er wurde später Jurist und Beamter. Seine Enkelin Michaela Ronzoni hat 2018 die Familiengeschichte des Jahres 1918 als Theaterstück dokumentiert.
•    Der Wiener Harald Rossi (1917-2000) studierte ab 1935  an der Universität Physik und Kunstgeschichte. Nachdem jedoch seine Aufnahmearbeit „Permosers Apotheose des Prinzen Eugen“ 1936 von Assistent Sedlmayr als "Matte Arbeit. Wenig anschauliche Begabung" abgeurteilt worden war, und Prof. Schlosser sie ebenfalls als "Ungenügend" befand (Abb.), verlegte sich Rossi verständlicherweise mehr auf die Naturwissenschaft. Schon 1938/39 arbeitete er am Institut für Radiumforschung der Akademie der Wissenschaften. 1939 emigrierte er über England in die USA, wo er am „Manhattan Project“ mitwirkte. Auch später war er hautptsächlich in der militärischen und staatlichen Atomforschung tätig.
•    Ilse Sanders (verm. Robey, 1914-2001) studierte ab 1933 in Wien Kunstgeschichte und Geschichte. Ihre Aufnahmearbeit trug den Titel „Die beiden Gemälde ‚Der heilige Ignatius von Loyola heilt Besessene‘ und ‚Die Wunder des heiligen Franz Xaver‘ im Vergleich mit den dazugehörigen Skizzen und die Bedeutung dieser Bilder im Stecherwerk“ (1933). Assistent Sedlmyar kommentierte die mit vier Abbildungen und zwei Kompositionszeichnungen (Abb.) versehene Arbeit mit den Worten "etwas unbeholfen, aber beobachtet sorgfältig" und schlug eine Aufnahme vor. Dieser Meinung schloss sich auch Prof. Schlosser an. Doch angesichts der drohenden Ereignisse scheint Sanders nicht mehr in Kunsgeschichte weiter studiert, sondern vorsorglich eine Fremdsprachenausbildung begonnen zu haben. Sie emigrierte 1939/40 nach Australien, kehrte aber nach dem Krieg als Botschaftsmitarbeiterin und Journalistin nach Europa zurück. Ab 1977 engagierte sie sich für die Australische Demokratische Partei und erlangte auch mehrfach einen Abgeordnetensitz.
•    Die 1900 in Wien geborene und 1986 in Providence (USA) verstorbene Lisbeth Stiassny (verm. Gersuny) hinterließ nur ihre Aufnahmearbeit über Jan Vermeer van Delfts „Ansicht von Delft“ und Jacob van Ruisdaels „Flußlandschaft“ (Juni 1922).

Mindestens einer, vielleicht aber auch zwei weitere der im Archiv vertretenen Studierenden konnten nicht aus Europa emigrieren und wurden von den Nazis ermordet:
Der 1908 in Budapest geborene Jozsef Bodonyi verfasste 1929 die Aufnahmearbeit „Der Typ der Basilika San Francesco zu Assisi“ (Abb.) und schloss sein Studium 1932 mit der Dissertation „Entstehung und Bedeutung des Goldgrundes in der spätantiken Bildkomposition“ bei Prof. Schlosser ab. Er kehrte danach nach Ungarn zurück und wurde 1942 in Osteuropa ermordet (Abb.).
Felix Gallia, der 1920 das Referat „Das mittelalterliche Hausbuch des Meisters vom Amsterdamer Kabinett“ hielt, könnte mit einem tschechischen Juristen gleichen Namens identisch sein, der 1942 von Brünn nach Theresienstadt deportiert wurde.
Die 1898 in Wien geborene Marianne Paul-Schiff (verm. de Glazyer) hinterließ die Aufnahmearbeit „Das Gebäude des Militär-Geographischen Institutes in Wien“ sowie ein Referat über mittelalterliche Elfenbeinsättel. Ihr Vater Maximilian Paul-Schiff starb 1943 im Ghetto Theresienstadt.

Friedrich Polleroß      Fotos: Institut für Kunstgeschichte, Internet