Illuminierte Inkunablen der Österreichischen Nationalbibliothek. Mitteleuropäische Schulen (ca. 1475-1500)


FWF-Projekt P29795-G21
Laufzeit: 01. 12. 2016 - 31. 05. 2020

Projektleiter:
O. Univ.-Prof. Michael Viktor Schwarz
Dr. Andreas Fingernagel (Direktor der Sammlungen von Handschriften und alten Drucken der Österreichischen Nationalbibliothek)

Mitarbeiter:
Dr. Caroline Zöhl (caroline.zoehl@univie.ac.at)
Dr. Armand Tif (armand.tif@univie.ac.at)


Dem Inkunabelbestand der ÖNB eignen zugleich repräsentative und spezifische Züge. Repräsentativ ist der Bestand, weil die Bücher sowohl aus monastischen als auch aus höfischem und universitärem Besitz sowie aus adeligem und nichtadeligem Privatbesitz stammen. Spezifisch ist die österreichische Provenienz, insbesondere aus dem Donauraum und Wien. Auf der Grundlage des Vorgängerprojekts und paralleler Forschungen in Wien und anderswo treten aus dem Bestand aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts drei stilistisch definierbare Gruppen hervor und können als solche bearbeitet werden.

Serielle Buchmalerei aus Augsburg, Leipzig und Nürnberg
Beitrag zum kunsthistorisch kritischen Katalog der illuminierten Inkunabeln in der ÖNB


Die ÖNB beherbergt eine der weltweit bedeutendsten Inkunabelsammlungen (vor dem Jahr 1500 gedruckte Bücher). Ca. 20% dieses Bestands wurde im Mittelalter mit Buchmalerei dekoriert. Das Projekt widmet sich erstmalig der kunsthistorischen Analyse illuminierter Drucke von 1475-1500 in einer repräsentativen Sammlung. In der Tradition der Katalogisierungsreihe zur Erschließung aller illuminierten Bücher in der ÖNB und aufbauend auf den Ergebnissen eines Projekts zur Buchmalerei in Inkunabeln von 1450-1475 stehen neue Tendenzen der Massenproduktion in den bedeutendsten deutschen Zentren des Buchhandels für den österreichischen Raum im Fokus: Augsburg, Nürnberg und Leipzig. Umfangreiche Kampagnen des Pächt-Archivs zur Erfassung der Buchmalerei in Klostersammlungen in Österreich sowie die Katalogisierung der Bestände der UB Graz und der OÖLB Linz bieten dem Vorhaben eine breite Materialbasis.

Ziel des Projekts ist die Erstellung eines kunsthistorisch-kritischen Katalogs, der die illuminierten Inkunabeln der ÖNB mediengerecht beschreibt und in allgemeineren Einleitungen kontextualisiert. Zu diesem Zweck wurde bereits im laufenden Projekt zu den Inkunabeln der Anfangszeit (1450-1475) ein angemessenes Katalogisierungsschema erarbeitet. Im Unterschied zu bibliographischen Katalogen zeichnen sich kunsthistorische Spezialkataloge durch den stilkritischen Ansatz zur Beantwortung von Lokalisierungs- und Datierungsfragen aus, welche die Buchforschung um neue Aspekte bereichern. Zusätzlich zur Relevanz für die Kunstgeschichte verspricht das Projekt neue Erkenntnisse zu sozialen und wirtschaftlichen Phänomenen des beginnenden Verlagswesens und des Buchhandels, die für verschiedene mit der Geschichte des Frühdrucks befasste Disziplinen von Bedeutung sein werden.

Bekanntlich definierte der Buchdruck das gesamte Buchwesen neu und führte zu einem enormen Anstieg der Buchproduktion sowie zur Entstehung überregionaler Buchmärkte. Die Buchmalerei entwickelte sich im Rahmen neuer "internationaler" Netzwerke von Druckern, Verlegern, Buchführern und Illuminatoren in einem durch universitäre und frühhumanistische Kreise, Reformklöster und monastische Verbindungen geprägten Umfeld. Mittels kunsthistorischer Analyse wird das Projekt untersuchen, wie sich diese Netzwerke in den drei Städten unterschiedlich herausbildeten. Das Forschungsinteresse richtet sich sowohl auf die Perspektive der Hersteller (Serialität und Massenproduktion der Inkunabeldekoration, Bestimmung von Werkgruppen, Arbeitsteilung, Mobilität) als auch auf die Perspektive der Abnehmer und die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Buchkultur in den Absatzmärkten.

Die Kooperationen mit der ÖAW, der ÖNB und dem Handschriftenzentrum Leipzig bieten dem an der Universität Wien angesiedelten Projekt eine vorzügliche institutionelle Anbindung und vielfache Möglichkeiten für wissenschaftlichen Austausch. Auch profitiert das Projekt vom Verbund der Forschungsprojekte zur Buchmalerei am Pächt-Archiv sowie von der international in letzter Zeit belebten Forschung zur Buchkunst im deutschsprachigen Raum und dem wachsenden Interesse an der Rolle von Inkunabeln, die sich besonders in Ausstellungsunternehmungen und Tagungen zu diesen Themen äußert. So sind auch im Rahmen dieses Vorhabens Ausstellungsbeteiligungen an der ÖNB sowie ein Colloquium geplant.

Publikationen:

Armand Tif: Konrad Blochinger und der Kunsttransfer über die universitären Netzwerke zwischen Basel, Erfurt und Leipzig um 1500, in: Unter Druck. Mitteleuropäische Buchmalerei im 15. Jahrhundert, hg. von Jeffrey F. Hamburger / Maria Theisen, Petersberg 2018, S. 224-245
Katalog von Caroline Zöhl und Armand Tif in Vorbereitung