Hahnloser in der Albertina und im Institutsarchiv
Die Albertina zeigt bis 15. November die Sammlung Hahnloser, eine der bedeutendsten Privatsammlungen der französischen Moderne. Diese entstand zwischen 1905 und 1936 im engen freundschaftlichen Austausch zwischen dem Sammlerpaar Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler und ihren Künstlerfreunden. Die Präsentation einer Privatsammlung bietet manche praktische Vorteile im Vergleich zu einer thematisch konzipierten Schau, entspricht aber auch dem aktuellen wissenschaftlichen Interesse an Sammlerpersönlichkeiten und Sammlungsgeschichten, das sich etwa im "Vienna Center for the History of Collecting“ materialisierte.
Ebenso wie der Wiener Sammler Leopold war auch Arthur Hahnloser Facharzt, er verdankte aber sein Vermögen vorwiegend seiner aus einer Textilindustriellenfamilie stammenden und als Malerin ausgebildeten Gattin, deren Vater gegen die Ehe gewesen war. Ein Teil der Bilder, darunter Werke von Cézanne, Renoir, Toulouse-Lautrec, Van Gogh, Pierre Bonnard, Ferdinand Hodler, Henri Matisse und Félix Vallotton, befindet sich noch in Familienbesitz und wird normalerweise in der Villa Flora in Winterthur gezeigt.
Nachdem sich das Ehepaar zunächst der Schweizer Moderne mit Ferdinand Hodler und Giovanni Giacometti gewidmet hatte, interessierte es sich in der Folge für deren Wegbereiter wie Cézanne, Monet, Renoir und Van Gogh. Der umfangreiche Bestand an Werken von Van Gogh war allerdings einem Glücksfall zu verdanken. Denn als 1920 in Amsterdam eine große Van-Gogh-Sammlung zur Versteigerung kam, konnte der Sohn Hans R. Hahnloser dort vierzehn Van Goghs zu „Schnäppchenpreisen“ erwerben. Der ORF berichtete ausserdem, dass Hans Hahnloser „später jahrzehntelang Kunstgeschichte-Professor in Bern“ war, ließ aber dessen vorangehende Karriere am Wiener Institut unerwähnt.
Der 1899 geborene Sohn des Sammlerehepaares kam im Sommersemester 1921 nach Wien, wo er 1926 bei Prof. Julius von Schlosser mit einer Arbeit über das Bauhüttenbuch des Villard d’Honnecourt promovierte. Im selben Jahr erstellte er die Publikationsliste für die Festschrift zum 60. Geburtstag des Ordinarius. Hahnloser wirkte ab 1927 als „unbesoldeter Hilfsassistent“ am „II. Kunsthistorischen Institut“ der Universität Wien. 1932 heiratete er Magdalena Bertha Wilckens aus Bremen, und seine ersten beiden Söhne kamen in Wien zur Welt. 1933 erhielt der Schweizer sogar die österreichische Staatsbürgerschaft und übernahm vorübergehend die Leitung sowie die Übersiedlung des nach der Emeritierung von Prof. Strzygowski aufgelösten „I. Kunsthistorischen Instituts“. 1934 habilitierte sich Hans Hahnloser an der Universität Wien und stellte für Schlossers Publikation „Die Wiener Schule“ die Liste der Mitglieder zusammen. Im selben Jahr wurde er als Ordinarius für Kunstgeschichte an die Universität Bern berufen.
Die von Prof. Schlosser gewünschte Ernennung seines „Urschülers“ zu seinem Nachfolger scheiterte aber 1936 an der Berufung von Hans Sedlmayr (22:47 Stimmen). In einer damals verfassten Würdigung konstatierte Prof. Schlosser auch Hahnlosers wissenschaftliche Einbürgerung am Beispiel der 1929 veröffentlichten Monographie über das „Wolfenbüttler Musterbuch“, denn diese sei „ausgezeichnet philologisch-historisch fundiert, ganz im strengen methodischen Geist unserer alten ‚Wiener Schule‘ Wickhoffs und seines Lehrers Sickel.“ Auch die Beschäftigung mit der Moderne wurde vom Doktorvater als besondere Leistung hervorgehoben: „Das wissenschaftliche Bildnis Hahnlosers entbehrte aber der Untermalung, wenn man nicht sein Verhältnis zur modernen Kunst berücksichtigen würde, das geradezu […] sein innerstes Wesen erklärte. Denn Hahnloser ist in der grossen Privatsammlung seiner Eltern, einer der bedeutendsten der Schweiz, aufgewachsen und hat von Jugend auf in diesem gastlichen Hause von feinster Bildung den persönlichen Verkehr mit bedeutenden Künstlern aus der Schweiz, Frankreich und Deutschland wie Hodler, Vallotton, Bonnard, Wield u.a. genossen. Eine ganze Anzahl kleinerer Aufsätze, Einleitungen zu Ausstellungskatalogen, Vorträgen u.s.w. gibt davon seit einem Dezenium Zeugnis.“
Gemeinsam mit seinem Doktorvater und dessen Ehefrau Neda unternahmen Hahnloser und seine Verwandten 1923-35 im Auto des Schweizers mehrere Studienreisen durch Österreich, Deutschland, die Schweiz, Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland, Bulgarien und Istanbul. Schon sehr früh hatte die Familie Hahnloser auch das Mittel der Fotografie zur Dokumentation ihrer Aktivitäten eingesetzt, weshalb auch zahlreiche Fotos erhalten blieben, welche das Ehepaar Schlosser gemeinsam mit den Ehepaaren Hanhnloser zeigen.
Trotz der Nichtberufung nach Wien, stand der Schweizer auch weiterhin in freundschaftlichem Kontakt mit seinem Lehrer und dem Wiener Institut. Er hielt 1938 Schlossers Grabrede und 1966 in Wien den Festvortrag zum 100. Geburtstag Schlossers. Als die Witwe des Ordinarius 1939 dessen Bibliothek verkaufte, einigte sich Hahnloser mit dem Wiener Institutsvorstand Sedlmayr auf eine sinnvolle Aufteilung der Bestände zwischen den beiden Instituten.
Während seiner Tätigkeit in Wien war der Kunsthistoriker Hahnloser auch nicht der einzige wohlhabende Studierende, der über eine Sammlung in Familienbesitz verfügte; die Sammlung Hahnloser gehörte aber gemeinsam mit der heute im Besitz der Londoner Universität befindlichen Sammlung des Grafen Antoine von Seilern wohl zu den bedeutendsten ihrer Art.
Friedrich Polleroß
Fotos: Albertina, Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien und Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern
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