Akten des Institutsarchives 1882-1945 – eine Quelle zur Geschichte der Universität und der „Wiener Schule der Kunstgeschichte“

Das Jahr 1921 markierte mit dem Tod des Ordinarius Max Dvorřák nicht nur eine Zäsur in der Institutsgeschichte, sondern auch des Archives. Denn seit damals scheinen die amtlichen Dokumente des sogenannnten „II. Kunsthistorischen Institutes“ unter der Leitung der Professoren Julius von Schlosser und Hans Sedlmayr ziemlich vollständig erhalten zu sein, während von der ausgegliederten Lehrkanzel von Josef Srtrzygowski fast nur der private Nachlass überliefert ist. Die Institutsakten im engeren Sinne umfassen sowohl amtliche Korrespondenz der institutsangestellten und Niederschriften innerhalb des Institutes als auch die meist serienmäßigen Informationen von Dekanat, Rekotrat oder Ministerium.
Der Aktenbestand beginnt 1882 (Abbildung) und umfasst zunächst einzelne Korrespondenzen der Lehrkanzeln Moritz Thaussing und Franz Wickhoff mit dem Dekanat, dem Cultusministerium und der Nö. Statthalterei, wobei es vorwiegend um Finanzangelegenheiten und Anschaffungen geht. Hervorgehoben sei aber eine Bitte um ein Gutachten von Wickhoff zum Statutenentwurf des geplanten kunsthistorischen Seminars in Graz im Jahre 1894.
Die Lehrkanzel von Max Dvořák (ab 1909) war u.a. mit mühsamen Bibliotheksangelegenheiten befasst. Denn nach der 1913 erfolgten Einrichtung einer Präsenzbibliothek (Abbildung) musste der Institusvorstand immer wieder in Aushängen an das Verbot der widerrechtlichen Entlehnung erinnern (Abbildung). Ansuchen betrafen die Finanzierung des Forschungsprojektes der Miniaturhandschriften bzw. der dafür nötigen Auslandsreisen. Weitere Themen waren die Anschaffung von Fotos sowie eines “Projektionsapparates“. Dieser kam von der Firma Carl Zeiss, verteuerte sich aber durch die kriegsbedingte Lieferverzögerung (Abbildung).
Einen Zuwachs an Dokumenten erbrachte der Erste Weltkrieg mit Aufforderungen zur Kriegsablieferung, Vorlesungen für Studierende auf Fronturlaub oder Überlegungen zu einem Kriegerdenkmal für Akademiker.
Ab 1922 dürfte ein Großteil der Akten erhalten sein, während sich die Hinterlassenschaft des 1913 auch räumlich separierten „I. Kunsthistorischen Instituts“ von Josef Strzygowski auf ein Faszikel beschränkt, welches vor allem über Streitigkeiten zwischen den beiden Lehrkanzeln informiert. Das Material betrifft nun zahlreiche Erwerbungen von Büchern und Fotomaterial, streut aber bereits über den engeren Verwaltungsbereich hinaus und informiert auch über Tagungen, Ausstellungen, Publikationen oder Postenbesetzungen Wiener Museen.
Die Auflösung des "Forschungsinstitutes" von Prof. Strzygowski ab 1933 und die Übernahme von dessen Mobiliar sowie Buch- und Fotobeständen hatten ebenfalls einen Aktenanfall zur Folge. Die danach geplanten räumlichen Veränderungen bzw. Erweiterungen sind u.a. durch mehrere Möbelinventare sowie Grundrisse des Institutes (Abbildung) dokumentiert. Die Planungen zogen sich bis 1940 hin, waren aber nicht von einem Erfolg gekrönt.
Die politische Verschärfung im „Ständestaat“ belegen ab 1934 Aufforderungen zur Bewachung der Institutsräume aus Angst vor Sprengstoffanschlägen, zum Vorgehen gegen „landesfeindliche Propaganda“ und zur Erhebung der „vaterländischen Gesinnung“ sowie die Durchführung von Luftschutzübungen bereits im Jahre 1936!
Mit der Berufung von Hans Sedlmayr 1936 und vor allem der nationalsozialistischen Übernahme 1938 wurde der Anteil an politischer Einflussnahme immer größer. Schon am 24. März 1938, also nur mehrere Tage nach dem "Anschluss", sandte Institusvorstand Hans Sedlmayr eine Anfrage an das Rektorat, wie in Hinkunft mit jüdischen Studierenden zu verfahren sei: "Duerfen inlaendische Juden Vorlesungen hören und an Uebungen teilnehmen? Wenn überhaupt, nach welchem Schlüssel? (...) Sind ausländische Juden nichtjüdischen Ausländern gleichzuhalten? Werden Juden fortab zu Doktorat überhaupt nicht mehr zugelassen? (....)." Die Diskriminierung und Verfolgung der nicht wenigen jüdischen Studierenden und Wissenschaftler*innen im Bereich der Kunstgeschichte manifestierte sich sogar in der Wegsperrung von deren Publikationen, wie die „Liste der Bücher im Judenkasten“ verrät. Neben Hinweisen auf die Konfiskationen von Kunstwerken (Stift St. Florian, Stift Melk) sowie den zunehmenden Kriegseinwirkungen gab es auch fachspezifische Schwerpunkte wie politisch motivierte bzw. untersagte internationale Kontakte, die Einrichtung einer „Ostabteilung“, die vom Berliner Reichsminister Arthur Seyß-Inquart finanziell unterstützt wurde (Abbildung), die Konzeption einer „Zeitschrift für die Kunstgeschichte Südosteuropas“ oder einer Schriftenreihe für den „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“.
Der „totale Kriegseinsatz“ begann mit Luftschutzdiensten sowie einer Verordnung zu Sitzplätzen für Kriegsversehrte und endete 1944/45 mit Kriegsbergungen von Bibliotheken sowie mit Bombenschäden an der Universität.
Neben diesen zeitgeschichtlichen Quellen findet man aber auch Hinweise auf den Alltag der Profesoren und Studentinnen: von Sparmaßnahmen an Wasser, Papier und Gas nach dem ersten Weltkrieg bis zu Hygieneproblemen, von der auch heute noch aktuellen Debatte, wer einen Institusschlüssel bekommen soll, und das ebenso alte Problem des Platzmangels bis zu individuellen Beschwerden und Prüfungsangelegenheiten.
Die Akten konnten aufgrund eines Werkvertrages des Dekanats vom ausgebildeten Archivar Mag. Michael Höfel BA 2019 inventarisiert werden. Die Inventarliste wurde nun vom Institutsarchivar für die Homepage adaptiert und ist hier zu finden

Friedrich Polleroß   Fotos: Institut für Kunstgeschichte