Tagungsband über den Ahnherren der Wiener Kunstgeschichte

2017 wurde der 200. Geburtstag von Rudolf Eitelberger von Edelberg mit einer internationalen Tagung gefeiert, die vom Museum und der Universität für angewandte Kunst sowie vom Kunsthistorischen Institut der Universität Wien gemeinsam veranstaltet worden war. Am 22. Oktober 2019 konnte nun im Lesesaal des MAK der umfangreiche Tagungsband der Öffentlichkeit vorgestellt werden, der im Böhlau-Verlag erschienen und auch open access zugänglich ist.

MAK-Generaldirektor Christoph Thun-Hohenstein, dessen Vorfahre, der Unterrichtsminister Leo Graf von Thun-Hohenstein, mit seinen Gesetzesreformen wesentliche Voraussetzungen für die Reformen Eitelbergers geschaffen und diesen 1852 auch zum a.o. Professor für Kunstgeschichte an der Universität ernannt hatte, begrüßte die zahlreich erschienenen Gäste, darunter der gleichnamige Ururenkel von Rudolf Eitelberger mit seiner Gattin, sowie die Architekturhistorikerin Martina Mertová vom Kunstmuseum Olmütz, die 2017 in der Heimatstadt des Gelehrten eine Tagung zu seinen Ehren veranstaltet hatte. Bereits seit 2008 wird übrigens in der mährischen Stadt ein nach Eitelberger benannter Architekturpreis vergeben. Doch zurück nach Wien, wo der Amtsnachfolger Eitelbergers als Museumsdirektor meinte, heute würde sein Vorgänger seine Verbindung von Kunst und Industrie bestimmt im Bereich von Design und im Kampf gegen den Klimawandel sehen! Christoph Thun-Hohenstein hoffte auch auf eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Institut.

Der Rektor der Angewandten, Gerald Bast, bestaunte die Menge und Vielfalt von Eitelbergers Aktivitäten und würdigte dessen politische Überzeugungskraft, die auch heutigen Rektoren ebenso zu wünschen sei wie zuhörende Politiker. Michael Viktor Schwarz, der Vorsitzende des Senats der Universität Wien, erinnerte an den 150. Geburtstag des Institutes für Kunstgeschichte im Jahre 2002, als gerade das Universitätsorganisationsgesetz zur Diskussion stand. Zum Glück haben die Institute ihre Selbständigkeit behaupten können und das neue Gesetz habe auch manche Verbesserungen gebracht. Als „third mission“ sei neben Lehre und Forschung auch die gesellschaftliche Wirksamkeit verankert worden, also genau das, was Eitelberger vorgezeigt habe. Den Band lobte Prof. Schwarz als „wunderbar und ertragreich“ und er bedankte sich eigens bei den HerausgeberInnen und bei den Redakteuren Andreas Winkel sowie Franz Peter Wanek.

Raphael Rosenberg hob die gute Zusammenarbeit mit den anderen fünf Herausgeberinnen aus drei Institutionen, Eva Kernbauer, Kathrin Pokorny-Nagel, Julia Rüdiger, Patrick Werkner sowie Tanja Jenni hervor, und stellte die Festrednerin, Kitty Zijlmans vom LUCAS – Leiden University Centre for the Arts in Society der Universität Leiden, vor. Als besonders anregend hervorgehoben wurde deren Publikation „Gesichtspunkte“ über die „New Art History“.

Die holländische Professorin berichtete unter dem Titel „Against mediocrity. Lessons to be learned from Eitelberger: weaving theory, practice and presentation into the cultural and political fabric of society“, dass sie zuerst das von Ingeborg Schemper-Sparholz verfasste Kapitel über Eitelberger und die Frauen gelesen hatte. Sie wies auf einige deutsche Begriffe wie „Bildung“ oder „Kunstwissenschaft“ hin, die kein englisches Pendant besäßen, und verglich den „founding father of academic art history“ mit der Romanfigur von „Flatland“, die im Laufe der Entwicklung von der Zwei- zur Dreidimensionalität finde. Als Vorbildhaft nannte sie, dass Eitelberger ein Welt- und kein Spießbürger gewesen sei, und daher auch die Globalität der Disziplin vorausgesehen habe. In der Verbindung von Kunsterziehung, Produktion und Sammlungswesen habe er die gesellschaftliche Bedeutung von Kunst bzw. Design erkannt. Als drittes seien die Verbindung von hoher Qualität UND Kunstindustrie zu nennen, die heute im „material turn“ und in der „technical art history“ weiterleben würden. Eitelbergers Bestreben nach neuen Erziehungs- und Präsentationsformen von Kunst sein ebenfalls heute wieder gefragt, wo die Kulturinstitutionen durch Bildungsferne und Migration vor neuen Herausforderungen der Kunsterziehung und Ausbildung stünden.

Bei einem Empfang in den Räumen der Direktion gab es dann die Möglichkeit, die Anregungen des Buches und des Festvortrages in kleinem Rahmen weiter zu diskutieren.

 

 

Friedrich Polleroß   Fotos: René Steyer