Kunstlandschaft "Donauraum" mit Rad und Schiff erfahren

Die Donau war bis zur Erfindung der Eisenbahn der Transportweg für Waren, Reisende und Ideen – ein Faktum, das heute von allen mit Auto oder Bahn Reisenden allzu leicht übersehen wird. Daher entstand die Idee von Prof. Dr. Martina Pippal, die Route von Passau nach Klosterneuburg im Rahmen einer Inlandsexkursion im Sommersemester 2017 per Fahrrad zurückzulegen. Das bot die Möglichkeit, die Bedeutung dieses für ganz Europa wichtigen Verkehrsweges im wahrsten Sinne des Wortes zu „erfahren“ und bildete eine Premiere in unserem Institut. Als geographischer Rahmen bot sich das ehemalige Bistum Passau an, dem die Stadt Wien trotz ihrer Bedeutung als babenbergischer und habsburgischer Regierungssitz bis 1469 und die Erzherzogtümer Ober- und Niederösterreich sogar bis 1785  unterstanden. Die Stadt am Zusammenfluss von Donau, Ilz und Inn besaß über Jahrhunderte eine Monopolstellung im Salzhandel und eine Dominanz im Donautal, die 2013 zur großen internationalen Tagung „Barocke Kunst und Kultur im Donauraum“ führte. Dabei haben u.a. Werner Telesko über den Donauraum als Kulturraum, Inge Schemper-Sparholz über den Wassertransport von Salzburger Marmor nach Ostösterreich und Huberta Weigl über die Architektur der Donauklöster referiert.

Der Handel auf dem Wasserweg und das dadurch florierende Bürgertum waren auch die Basis dafür, dass sich die Wachau im Spätmittelalter als eigenständige, prosperierende Kulturlandschaft entwickeln konnte. Umgekehrt strahlte die spätbarocke Architektur gelegentlich auch stromaufwärts aus: Jene von Stift Wilhering etwa beeinflusste jene von Stift Engelszell. Noch ein Beispiel: Dass sich die Bürger von Grein im ausgehenden 18. Jahrhunderts ein eigenes Theater bauten, fast täglich bespielten und auch den etwaig im Gemeindekotter einsitzenden Gefangenen am Schauspiel teilnehmen ließen (was das Verständnis vom Theater als moralische Anstalt beweist), hängt mit der durch den Donauhandel gegebenen Wohlhabenheit der Bürger und dem Informationsaustausch entlang der Wasserstraße zusammen; dass der Theaterinnenraum die Architektur des Empire rezipiert, fügt sich hier logisch ein. Interessant war schließlich auch der Vergleich der Architektur der ab den 1950er Jahren errichteten Laufkraftwerke: Das 1952-56 nach den Plänen von Roderich Fick erbaute Kraftwerk Jochenstein zeigt, dass sich sein Planer, der zur Architektenprominenz des NS-Staates gehört hatte, auch in den 1950er Jahren noch der ästhetischen Verbrämung des Notwendigen verpflichtet fühlte. Die in der Folge donauabwärts errichteten Kraftwerke belegen indes den Wunsch, den faschistischen Zwang zur Ästhetisierung zu durchbrechen oder später – angesichts der öffentliche Diskussion um die Engergiequellen – nach Camouflage.

Es wäre spannend, die für Kunsthistoriker evidenten Beziehungen noch stärker vor den (wirtschafts-) geschichtlichen Hintergrund zu stellen als das in den sechs Tagen möglich war; das Experiment im Sommersemester 2017 zeigte hier zahlreiche Kontextualisierungs- möglichkeiten auf. In jedem Fall erwiesen sich die Studierenden durch die im akademischen Betrieb ja nicht gerade übliche Fortbewegungsart als alert und aufnahmefähig; die Stimmung war stets kollegial und kooperativ; durch das lange Strampeln in der – nur durch den Gegenwind gekühlten – Hitze zwischen den im Inneren angenehm kühlen Baudenkmalen mag sich auch so manche Freundschaft entwickelt haben; das eine oder andere Wettfahren tat dem keinen Abbruch.

Zufällig führte heuer auch der Ausflug unseres Institutes in die Wachau. Mit dem Bus fuhren wir am 3. Juli zum Stift Dürnstein, wo uns Dozent Dr. Herbert Karner, auch Mitautor eines Buches über das Stift, aus seinem reichen Wissen schöpfend durch die gesamte Anlage führte. Besondere Attraktionen waren das Drehen des kugelförmigen Tabernakels in der Stiftskirche sowie ein Besuch im meditativen Kreuzgang mit Passionsszenen, mit einem Heiligen Theater von Galli Bibiena und dann der Abstieg in die Krypta. Lebenslustiger war das Programm natürlich im Festssaal mit Donaublick, wo der Kremserschmidt eines seiner wenigen Fresken geschaffen hatte. Mit dem Schiff fuhren wir dann donauabwärts an der Stadt Stein vorbei nach Krems. Dort erwartete uns im Restaurant Wellen Spiel an der Donau bereits ein köstliches Mittagessen. Danach wurde die langjährige Leiterin der StudienServiceStelle Silvia Fellinger von Studienprogrammleiterin OR Dr. Elisabeth Goldarbeiter offiziell in die Pension verabschiedet und mit mehreren Geschenken bedacht. Anschließend führte uns der seit einem Jahr amtierende Direktor Florian Steininger durch die umgebaute Kunsthalle, die zwei Tage zuvor mit einer Ausstellung über die abstrakte Malerei wieder eröffnet worden war.

Weiter ging es dann im Frohner Forum in Stein, wo Brigitte Borchhardt-Birbaumer mit Elisabeth Voggeneder eine Ausstellung von Werner Hofmann aus dem Jahre 1967 rekonstruiert hat. Der bedeutende Hamburger Kunsthistoriker hatte ja an unserem Institut studiert und ist 2002 auch mit dem Goldenen Doktordiplom der Universität Wien ausgezeichnet worden. Nach soviel Kunstgenuss war es höchste Zeit, den Tag beim Heurigen Hamböck in der Steiner Kellergasse mit Blick über die Stadt und nach Göttweig ausklingen zu lassen. Zur Stärkung für die Heimfahrt mit dem Zug gab es zum Schluss dann auch noch Wachauer Marillen und Marillenkuchen!

Martina Pippal, Friedrich Polleroß   Fotos:  Christina Dopplinger, Martina Pippal, Friedrich Polleroß