Barock im Donauraum & aktuelle Forschungen am Institut

Auch nach der Emeritierung von Univ.-Prof. Hellmut Lorenz kann das Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien die von diesem Lehrer ausgegangene Strahlkraft als institutionelles Zentrum der Barockforschung in Mitteleuropa behaupten. Mit einer großen und von der EU geförderten internationalen Tagung wurde jedoch 2013 das donaufwärts gelegene Passau für einige Tage zum Mittelpunkt dieser wissenschaftlichen Thematik.
Nur eineinhalb Jahre später liegen die Ergebnisse dieses Kongresses in einem zweibändigen Werk mit 700 Seiten auch zum Nachlesen in gedruckter Form vor. Dabei zeigt sich, dass die Fachkompetenz des Wiener Institutes für Kunstgeschichte in diesem Bereich nach wie vor gefragt und vorherrschend ist: nicht weniger als 13 der insgesamt 38 ReferentInnen sind MitarbeiterInnen bzw. AbsolventInnen unseres Institutes. Einen der beiden Festvorträge hielt Emer. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Preimesberger, der 2012 mit dem Goldenen Doktordiplom unserer Universität ausgezeichnet wurde, während der Abschlussvortrag im Linzer Schloss von Univ.-Prof. Dr. Sebastian Schütze, dem Nachfolger von Prof. Lorenz auf dem Barocklehrstuhl, beigesteuert wurde. Drei Mitarbeiter unseres Institutes, Univ.-Doz. Dr. Werner Telesko, Univ.-Doz. Dr. Herbert Karner, und Dr. Friedrich Polleroß, waren auch als Leiter der drei Sektionen „Konstituierung des ‚Donauraums‘ in der Barockzeit als Kunst- und Kulturlandschaft“, „Kunsttransfer und Kulturaustausch als Spezifika des Barock im Donauraum“ sowie „Auftraggeber und Objekttransfer“ schon in die Vorbereitung der Tagung eingebunden gewesen.

Der gebürtige Oberösterreicher Prof. Preimesberger kehrte mit seinem Vortrag zu seinem Schulort Kremsmünster zurück, wo wohl auch seine Begeisterung für die barocke Kunst und die Kunstgeschichte hervorgerufen worden war. Der Aufsatz erläutert das eucharistische Programm der Stiftskirche, die vor allem für ihre berninesken Engelsaltäre in Fachkreisen bekannt wurde. Werner Telesko liefert die theoretische und historische Begründung für seine Sektion bzw. die Ausbildung einer donauländischen Kulturlandschaft vorwiegend aus der westlichen Perspektive. Die barocken Phänomene des östlichen Donauraumes (Rumänien, Bulgarien, Ukraine) analysiert hingegen Dr. Maximilian Hartmuth, der Balkanspezialist unseres Lehrstuhls für Islamische Kunst. Herbert Karner widmet sich seiner Kernkompetenz, der Jesuitenarchitektur, und geht der Frage nach, wie die Kirchenbauten dieses internationalen Ordens mit den regionalen Gegebenheiten des Donauraumes umgingen, während Univ.-Doz. Dr. Petr Fidler anderen Möglichkeiten der Ausbildung eines architektonischen „Donau-Barock“ nachspürt. Unsere Absolventin Dr. Marion Romberg, Mitarbeiterin eines Forschungsprojektes zur Erdteilsdarstellung, beleuchtet den Kulturtransfer anhand von Amsterdamer oder Augsburger Druckgraphik als Vorlagen für donauländische Dorfkirchen, und Friedrich Polleroß jenen am Beispiel der französischen Einflüsse um 1700 am Wiener Hof. Die Rolle des Adels entlang der Donau wird von Stefan Körner aufgezeigt, natürlich am Beispiel der Familie Familie Esterházy, der nicht nur seine Dissertation, sondern auch unser Institutsausflug 2012 galt. Unsere ehemalige Assistentin und jetzige Lektorin Dr. Huberta Weigl zeigt den Einfluss der Donau als Transportweg und Gestaltungsakzent für die barocken Klöster auf, weist aber auch auf stilistische Unterschiede zwischen Österreich und Bayern hin. Zentral war die Donau auch für den Transport von Eggenburger Sandstein und Salzburger Marmor, den Prof. Dr. Ingeborg Schemper gerne im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojektes näher erforschen würde. Univ.- Doz. Dr. Martina Frank verwies am Beispiel eines in Harvard liegenden Skizzenbuches der Familie Galli Bibiena auf den Werkstattbetrieb und die Zeichnung als Mittel für die Verbreitung von Kunstideen, während Sebastian Schütze die Rolle der österreichischen Vizekönige in Neapel als Vermittler von italienischen Gemälden in den Norden und von österreichischen Kunstlehrlingenin den Süden aufzeigte. Da der letzte Tag der Veranstaltung in Linz durchgeführt wurde, stellte unser heute im Öberösterreichischen Landesmuseum als Kurator tätiger Absolvent Dr. Lothar Schultes seine Heimatstadt als regionales Zentrum des Barock vor.

Diese Beiträge unserer MitarbeiterInnen und AbsolventInnen sind auch charakteristisch für die Vielfalt der methodische Bandbreite des gesamten Kongresses, sodass der prachtvoll illustrierte Doppelband zweifellos den aktuellen Forschungsstand hervorragend reflektiert und auch für Studierende zahlreiche Anregungen liefern kann.
Der von den früher an der Passau Universität tätigen Kunsthistorikern Karl Möseneder und Michael Thilmann sowie dem Leiter des Passauer Museums in der Veste Oberhaus, Adolf Hofstetter, herausgegebene Tagungsband ist im Imhof-Verlag erschienen und kostet 99 Euro.

 


Friedrich Polleroß    Fotos: René Steyer