14. März 2007: Buchpräsention "Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Bd. 54" und "Otto Pächt"

Verlagsleiterin Dr. Eva Reinhold-Weisz, Herausgeber Dekan Univ.-Prof. Dr. Michael Viktor Schwarz (3. v.links) und Präsident des Bundesdenkmalamtes Dr. Wilhelm G. Rizzi (2. v. rechts) sowie die Autoren Mag. Hanns-Paul Ties (1. v. links), Hofrat i.R. Dr. Norbert Wibiral (3. v. rechts) und Mag. Michael Grünwald (1. v. rechts).

Produktive „Bücherflut“ am Institut für Kunstgeschichte

Nach dem Wien-Buch, das im Jänner vorgestellt wurde, konnten am 14. März 2007 gleich zwei neue, im Rahmen des Instituts wissenschaftlich betreute Bücher der Öffentlichkeit präsentiert werden. Institutsvorständin Univ.-Prof. Dr. Lioba Theis begrüßte die Gäste, darunter den Präsidenten des Bundesdenkmalamtes Doz. Dr. Wilhelm Georg Rizzi, und P. Dr. Korbinian Birnbacher OSB, den Kustos Kunstsammlungen der Erzabtei St. Peter in Salzburg, und verwies zunächst auf die lange Tradition des „Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte“. Die vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien gemeinsam mit dem Österreichischen Bundesdenkmalamt herausgegebene Zeitschrift zählt aufgrund ihrer Vorläufergründung im Jahre 1856 zu den ältesten noch bestehenden Publikationsorganen. Das seit 1921 unter dem aktuellen Namen erscheinende Jahrbuch des Institutes enthielt Aufsätzen von renommierten Autoren wie Max Dvořák und Erwin Panofsky, sollte aber auch dem wissenschaftlichen Nachwuchs dienen. Nach einer politisch bedingten Einstellung ab 1937 erscheint das Jahrbuch seit 1949 im Böhlau-Verlag.
Univ.-Prof. Dr. Michael Viktor Schwarz trat gleichsam in „Doppelkonference“ in Personalunion auf: als Herausgeber von Institutsseite verwies er stolz darauf, dass das „Wiener Jahrbuch“, nicht nur zu den ältesten, sondern auch zu den renommiertesten Fachzeitschriften gehört. Als Dekan der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät nahm Prof. Schwarz diese Nachricht erfreut zur Kenntnis und beglückwünschte das Institut zu dieser Leistung. In Vertretung des erkrankten Redakteurs des Jahrbuches, Ao. Univ.-Prof. Dr. Hans Aurenhammer, stellte er dann den Band 54 vor, der sieben Aufsätze zu unterschiedlichen Fragestellungen versammelt. Dieser Wechsel von monothematischen und Sammel-Bänden soll das Programm des Jahrbuchs auch in Zukunft bestimmen.
Nachdem Dr. Eva Reinhold-Weisz, die Verlagsleiterin von Böhlau Wien die gute Zusammenarbeit mit dem Institut gelobt hatte, stellte Univ.-Prof. Dr. Artur Rosenauer  eine weitere Neuerscheinung des Institutes vor, einen Band über eine Tagung anläßlich des 100. Geburtstages von Otto Pächt. Dieser renommierte Vertreter der „Wiener Schule der Kunstgeschichte“ hatte nicht nur das „Wiener Jahrbuch“ der Zwischenkriegszeit mitgeprägt, sondern auch 1964 die Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt bei dessen Herausgabe angeregt. Der aus Oxford nach Wien zurück gekehrte Emigrant war ein Spezialist für Buchmalerei sowie altniederländische Malerei und hat nicht nur das wissenschaftliche Profil des Wiener Institutes wesentlich mitgeprägt , sondern mit der Bibliotheksstiftung im sogenannten „Pächt-Archiv“ auch seine bleibenden materiellen Spuren an unserem Hause hinterlassen.
Nach der Erinnerung an diesem Ahnherrn der Wiener Kunstgeschichte kam der Nachwuchs zu Wort, und Hanns-Paul Ties stellte in seinem Vortrag „Der Kardinal und die ‚Macht der Liebe’ Girolamo Romaninos Wandmalereien im Castello del Buonconsiglio in Trient“ einen Teil seiner Diplomarbeit vor, dessen zweites Kapitel im neuen „Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte“ enthalten ist.
Diese erfreuliche wissenschaftliche Produktivität war Grund genug, im Anschluß daran mit einem Gläschen Wein anzustoßen und mit den Autoren zu plaudern. Da ein Beitrag des präsentierten Jahrbuches einer Handschrift des Stiftes St. Peter in Salzburg gewidmet war, lud die Benediktiner-Erzabtei zu einer Verkostung der Weine aus den stiftseignen Gütern in Wien sowie in der Wachau. Wer diese Gelegenheit verpasst hat, kann die Bücher über den Verlag bzw. das Institut erwerben, und die Weine des Stiftes in dessen Buschenschank in Wien-Dornbach verkosten.
Friedrich Polleroß

Kunst, Liturgie und Erotik. Jahrbuch für Kunstgeschichte Bd. 54

Das  „Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte“ bietet diesmal einen Querschnitt durch aktuelle Forschungsansätze. So widmen sich zwei Aufsätze (Boeckl, Gludovatz) der historischen Selbstreflexion des Mediums Malerei, zwei weitere (Wibiral, Schwartz) rekonstruieren liturgische und räumliche Kontexte sakraler Kunst. Die Beiträge stammen von renommierten internationalen AutorInnen bzw. von jungen KunsthistorikerInnen, die hier die Ergebnisse ihrer Diplomarbeiten am Wiener Institut für Kunstgeschichte vorstellen (Gludovatz, Grünwald, Ties). Damit wird eine gute Tradition des „Jahrbuchs“ fortgeführt, ein Forum u. a. auch für herausragende Leistungen des Wiener kunsthistorischen ‚Nachwuchses’ zu bieten.
In einer weit angelegten Überschau verfolgt Christine M. Boeckl (Bethseda; U. S. A.) die Wandlungen der Ikonographie des hl. Lukas als Maler, also der zentralen für die Kunst der Malerei identitätsstiftenden christlichen Bildprägung. Es entspricht einem Schwerpunkt der Wiener kunstgeschichtlichen Forschung, dass dabei die westeuropäische Kunst nicht isoliert, sondern in Konfrontation mit der byzantinischen untersucht wird (‚The Legend of St. Luke the Painter: Eastern and Western Iconography’).
In der Verbindung von minutiöser Quellenkritik und archäologischen Befunden zeigt sich Norbert Wibiral (ehemals Landeskonservator von Oberösterreich) einer anderen Wiener Tradition verpflichtet, nämlich dem Fruchtbarmachen der historischen Hilfswissenschaften für die Kunstgeschichte. Die von ihm vorgestellte Rekonstruktion der Altäre in der Aachener Pfalzkapelle ist ein neuer Beitrag zu einem kontroversen Thema der Mittelalterforschung (‚Altarort und Altarzahl. Bemerkungen zu Aachen, York und Centula’).
Michael Grünwald (Graphische Sammlung, Stift Göttweig) untersucht erstmals zusammenfassend ein Hauptwerk der salzburgischen Buchmalerei des 11. Jahrhunderts, das aus der Benediktinerabtei von St. Peter stammende Evangeliar (New York, Pierpont Morgan Library, M. 781), wobei er dessen Gesamtprogramm und die komplexe ikonographische Formulierung einzelner Darstellungen im Kontext der von St. Emmeram in Regensburg ausgehenden Reichsklosterreform interpretiert (‚Das ‘Evangeliar von St. Peter’ und seine ikonographische Bedeutung für die Salzburger Buchmalerei des Hochmittelalters’).
Frithjof Schwartz (Mainz) gelingt es unter Zuhilfenahme der komplizierten (Um-) Baugeschichte der Kirche und bisher kaum beachteter Gewölbefresken den ursprünglichen Standort von Giottos Croce dipinta in Santa Maria Novella genau zu rekonstruieren; seine Forschungen stehen in Zusammenhang mit dem großen Giotto-Projekt, das am Wiener Institut von Michael Viktor Schwarz geleitet wird (‚In medio ecclesiae. Giottos Tafelkreuz in Santa Maria Novella’).
Ausgehend von einem nur scheinbar ‚marginalen’ Phänomen wie den Signaturen in den Tafelbildern Jan van Eycks zeigt Karin Gludovatz (Kunsthistorisches Institut der Freien Universität Berlin; 2007 ausgezeichnet mit dem Deubner-Preis für aktuelle kunsthistorische Forschung) in subtilen Analysen, wie der Hauptvertreter der frühniederländischen ‚ars nova’ in seinen Bildern selbst über das Wesen seiner Kunst und seiner Künstlerschaft reflektiert (‚Der Name am Rahmen, der Maler im Bild. Künstlerselbstverständnis und Produktionskommentar in den Signaturen Jan van Eycks’).
Hanns-Paul Ties (Bozen / Wien) macht in seinem Beitrag Altdorfers ‚Lot und seine Töchter’ im Wiener Kunsthistorischen Museum zum Gegenstand eines eng geknüpften ‚close reading’‚ das die Frage nach der historischen Rezeption solcher ambivalenten profanen erotischen Bilder in der frühen Neuzeit stellt. Gerade der Widerspruch zwischen moralischer Abwehr und sexuellem Begehren konnte in einem vom ethischen Diskurs distanzierten autonomen Kunstwerk für ein männliches elitäres Publikum unterhaltsam-satirisch thematisiert werden (‚Albrecht Altdorfers ‚Lot und seine Töchter’ und die Ambivalenz von Erotik und Moral in der Aktmalerei der nordischen Renaissance’).
Christian Hecht (Universität Erlangen-Nürnberg) stellt mit dem Grab des letzten Passauer Fürstbischofs nicht nur ein kaum bekanntes Monument vor, sondern zeigt auch auf, wie seine Invention auf die schwierige geschichtliche Situation nach 1806 reagieren mußte (,Säkularisation und Memoria. Das Grabdenkmal des letzten Passauer Fürstbischofs Leopold Leonhard Grafen von Thun und Hohenstein auf dem Kleinseitner Friedhof in Prag’).

Erhältlich ist das Buch in guten Buchhandlungen oder direkt beim Böhlau-Verlag.