Verleihung des Sir Ernst Gombrich-Nachwuchspreises 2016 an Stefanie Proksch-Weilguni

Der im Jahre 2011 von der Kunsthistorischen Gesellschaft gestiftete Förderpreis für das Jahr 2016 wurde am 30. November im Rahmen eines Mittwoch-Vortrages des Absolventen- bzw. Fördervereines unseres Institutes von dessen Vorsitzendem Univ.-Prof. Dr. Michael Viktor Schwarz an Stefanie Proksch-Weilguni überreicht.

Die aus dem Waldviertel stammende Kunsthistorikerin hat nach der Matura am BRG Zwettl 2009 und einer Bachelor-Arbeit über Andrea Fraser bei Prof. Dr. Sebastian Egenhofer 2013 ihr Studium mit der Masterarbeit „Performative Kunstgeschichte. Rumäniens Beitrag zur Venedig Biennale 2013“ im Sommer 2016 abgeschlossen. Das Ziel der Masterarbeit war es, anhand des Projekts „An Immaterial Retrospective of the Venice Biennale“ der ChoreografInnen Alexandra Pirici und Manuel Pelmuş im rumänischen Pavillon der Venedig Biennale 2013 „die Relevanz marginalisierter,osteuropäischer Kunst- und Performancegeschichte für die zeitgenössische bildende Kunst sichtbar zu machen und gleichberechtigt zu westlich-kanonisierten Positionen zu behandeln. Das Projekt inszeniert eine Rückschau auf die Geschichte der Biennale und kommt dabei ohne materielle Objekte aus. Eine Gruppe von fünf PerformerInnen bringt eine Auswahl von Kunstwerken und Ereignissen in einer Reihe körperlicher Übersetzungen neu hervor.“

Betreuerin der Arbeit war die nunmehr in Chicago lehrende ehemalige Gastdozentin  Prof. Dr. Mechtild Widrich. Diese hat die Leistung der Arbeit folgend gewürdigt: „Proksch-Weilguni gelingt es ausgezeichnet, in den thematischen Teilbereichen, die der Kunstgeschichte nach 1989 unter spezieller Berücksichtigung der Frage nach dem Schreiben über osteuropäische Kunst, dem Körper, der Institutionskritik, dem Phänomen der Selbsthistorisierung und schließlich dem Eurozentrismus der Biennale in Venedig gewidmet sind, die Komplexität des Projektes verständlich zu machen. Gleichzeitig leistet sie durch ihre reflexive Arbeitsweise einen Beitrag zur theoretischen Diskussion über Kunstgeschichtsschreibung und ihrer Mechanismen. Bei der Bandbreite der Themen ist es erstaunlich, mit welcher Beharrlichkeit Proksch‐Weilguni in den Einzelkapiteln auf die Historiographie und die Theorie eingeht, und wie weit sie jeweils in die Tiefe zu gehen in der Lage ist, ohne die Beziehung zu dem von ihr besprochenen Beispiel oder der anderen Teile der Arbeit zu verlieren.“ Die Jury schloss sich dem Urteil an und verlieh Frau Proksch-Weilguni, MA., den Preis für das Jahr 2016, der zur Arbeit an einer Dissertation aufmuntern soll.

Die Preisträgerin hat ihren Schwerpunkt im Bereich der zeitgenössischen Kunst gefunden und bereits neben dem Studium einschlägig gearbeitet. Neben dem Kuratieren von Ausstellungen hat sie auch solche rezensiert und im Rahmen der Führungsinitiative unseres Institutes im Mumok mitgewirkt. Seit heuer arbeitet sie als Projektassistentin des AIR―ARTIST IN RESIDENCE Programms der Niederösterreichischen Landesregierung in Krems an der Donau.
    
Der Nachwuchsförderpreis unseres Institutes wurde nach dem aus Wien stammenden und nach seiner Emigration in London tätigen Kunsthistoriker Sir Ernst Gombrich (1909-2001) benannt. Dieser Schüler von Julius von Schlosser hätte wohl auch sein Vergnügen an einem Performanz-Thema gehabt, hat er doch während seines Studiums selbst mehrfach den performativen Künsten gehuldigt. Vermutlich während der Faschingsfeste des 2. Kunsthistorischen Institutes wurden damals nämlich selbstverfasste Theaterstücke der Studierenden aufgeführt, die sich in ironischer Weise mit der Kunst- oder Zeitgeschichte auseinandersetzten. 1931, also vor genau 85 Jahren, verfasste Gombrich gemeinsam mit seinem später ebenfalls nach England emigrierten Studienfreund Otto Kurz (1908-1975) ein kleines Schauspiel mit dem Titel "Du bist mein Schicksal (Why not?). Ein plastischer 200-prozentiger Farben-, Sprech- und Tonfilm in 3 Akten der KUHIPLASFARTOFIAG". Wie der Titel verrät, setzte man sich mit der damals neuen Technik des Tonfilms unter Verballhornung der zeitgenössischen Künstler Max Reinhard, Sergej Eisenstein, Arnold Schönberg und Wilhelm Lehmbruck auseinander. Die schon im Prolog angeschnittene Problematik der Wahrheit des Lichtbildes, der Mimesis und des künstlerischen Illusionismus berührten aber durchaus klassische Grundfragen der Kunst und Kunstgeschichte, wie sie auch von den rumänischen PerformerInnen thematisiert wurden. Während Gombrich und der spätere Regisseur sowie Komödienautor Otto Ambros sich selbst spielten, verkörperten ihre – später ebenfalls großteils zur Emigration gezwungenen Studienkolleginnen Kurt Schwarz, Hilde Schüller, vermählte Kurz, Josef Bodonyi und Zdrawka Ebenstein-Mintschewa fiktive Rollen. Dass die Auotren ihre Namen als "Richgomb" und "Short" anglisierten, entsprang vielleicht einer unbewußten Ahnung, dass als Handlungsort des Stückes Chicago angegeben wurde, also der Wirkungsort der Betreuerin der Gombrich-Preisträgerin 2016, ist hingegen eine reine Ironie der Geschichte. Das Typoskript des Werkes hat sich als eines von wenigen Zeugnissen der Emigranten im Archiv unseres Institutes erhalten.
Friedrich Polleroß

Fotos:
Institut für Kunstgeschichte, Klara Wanner, privat sowie
Alexandra Pirici and Manuel Pelmuş: An Immaterial Retrospective of the Venice Biennale, 2013. Enactment of “Black Circle”, painting by Kazimir Malevich, USSR Pavilion, 14th International Art Exhibition of the City of Venice, 1924. Foto: Alexandra Pirici
Alexandra Pirici and Manuel Pelmuş: An Immaterial Retrospective of the Venice Biennale, 2013. Enactment of “La situazione antispettiva”, part of “The Blind Pavilion”, installation by Olafur Eliasson, Danish Pavilion, 50th International Art Exhibition: Dreams and Conflicts. The Dictatorship of the Viewer, 2003. Foto: Eduard Constantin