"Wiener Schule" in Amerika. Professur für Ralph Ubl in Chicago


Es ist ein bemerkenswerter Zufall, dass zur gleichen Zeit, als mit dem Tod von Prof. Dr. Konrad Oberhuber der "Lehrbetrieb" der Wiener Schule der Kunstgeschichte in den Vereinigten Staaten erlosch, ein Absolvent unseres Institutes auf eine Professur in Chicago berufen wurde: Mit Oktober 2007 hat Ralph Ubl die "Allan and Jean Frumkin Professor of Visual Art" im "Committee on Social Thought" der University of Chicago übernommen.
Das 1941 gegründete Nobel-Graduiertenkolleg hat sich der interdisziplinären Forschung sowie Lehre verschrieben und zählte so prominente Gelehrte wie die Philosophin Hannah Arendt, die Literaturnobelpreisträger Saul Bellow und T.S. Eliot, den Religionswissenschaftler Mircea Eliade, den Wiener Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Friedrich Hayek sowie den Kunstkritiker und "Erfinder" des "action painting" Harold Rosenberg zu seinen (Gast-)Professoren. Der junge Wiener Kunsthistoriker steht damit am Höhepunkt einer steilen Karriere.
Ralph Ubl wurde 1969 in Wien geboren und absolvierte hier auch das Studium der Kunstgeschichte und Philosophie, ergänzt mit Forschungsaufenthalten in Bologna und Rom. Seine 1995 bei Prof. Dr. Wolfgang Prohaska abgeschlossene Diplomarbeit "Der Freskenschmuck des Casino dell'Aurora im Gartenpalast Borghese am Quirinal (Palazzo Rospigliosi-Pallavacini): eine Studie zu Repräsentation und Kunst im Rom des frühen Seicento" wurde 1999 im Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums veröffentlicht. Von 1995 bis 1999 wirkte Ubl als Assistent an unserem Institut bei Prof. Dr. Friedrich Teja Bach. Dieser betreute auch die 1999 abgeschlossene und teilweise in Paris erarbeitete Dissertation: "Prähistorische Allegorien der Moderne. Max Ernst und die Geschichte der Natur zwischen den Weltkriegen" (2004 veröffentlicht).
Von 1999 bis 2003 unterrichtete der junge Kunsthistoriker an der Akademie der Künste in Berlin und 2003 wurde auf die Laurenz-Professur für zeitgenössische Kunst an der Universität Basel berufen. Erst mit dem Wintersemester 2006/07 hatte Prof. Ubl als Nachfolger von Prof. Dr. Joachim Heusinger von Waldegg die Professur für Kunstgeschichte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe übernommen. Außerdem war er als Gastprofessor an der ältesten und bedeutendsten Kunstakademie  der Volksrepublik China in Hangzhou (2002) und am Humanities Center der Johns Hopkins University, Baltimore USA (2006/2007) tätig.
Ralph Ubl veröffentlichte zahlreiche Beiträge zur Kunst des 17., 19. und 20. Jahrhunderts. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der französischen Romantik, im Surrealismus in der amerikanischen sowie in europäischen Nachkriegskunst. Zuletzt publizierte er eine Arbeit zu den Grundlagen der modernen Handzeichnung. Gemeinsam mit seinen Wiener Kollegen hat Ralph Ubl 2004 das Symposion zum 60. Geburtstag von Prof. Bach organisiert und auch den Tagungsband "Was aus dem Bild fällt. Funktionen des Details". herausgegeben. Zur Zeit bereitet Prof. Ubl ein Buch über Eugène Delacroix  und eine längere Studie über Dieter Roth, sowie (gemeinsam mit Wolfram Pichler) einen umfangreichen Sammelband über die Bedeutung der mathematischen Disziplin der Topologie für Kunst, Architektur und Literatur vor.
Mit seinem 2003 bzw. 2007 veröffentlichten Aufsatz über Clement Greenberg, dem neben und mit Harold Rosenberg bedeutendsten amerikanischen Kunstkritiker der Nachkriegszeit und des Abstrakten Expressionismus, ist der Wiener Kunsthistoriker sozusagen auch wissenschaftsgeschichtlich in seiner neuen Heimat angekommen.
Friedrich Polleroß