Verleihung der Gombrich-Preise 2020 und 2021
Verleihung der Gombrich-Preise 2020 und 2021
Coronabedingt konnten in den letzten beiden Jahren die Sir-Ernst-Gombrich-Nachwuchspreise nicht überreicht werden. Dies wurde am 27. April 2022 nachgeholt. Die Auszeichnungen des Jahres 2020 waren an Lydia Eder und Sophie Morawitz vergeben worden und deren Arbeiten wurden an dieser Stelle bereits früher vorgestellt.
Eder beschäftigte sich mit dem Mäzenatentum von Fürst Prosper von Sinzendorf (1751–1822) und vor allem mit dessen Schloss Ernstbrunn als Ort der Sammel- sowie Ausstellungspraxis. Sie arbeitet seither als Assistenzkuratorin in der Albertina.
Morawitz hat in ihrer Masterarbeit baumonografisch den spätgotischen Hallenchor von St. Moritz in Olomouc/ Olmütz behandelt und forscht derzeit im Rahmen eines Dissertationsstipendiums der Österreichischen Akademie der Wissenschaften an unserem Institut zur Baugeschichte der ebenfalls spätgotischen Pfarrkirche in Steyr. Außerdem ist sie im Arbeitskreis für Hausforschung aktiv.
Der Preis des Jahres 2021 ging abermals an ein museologisches Thema, nämlich an Anna-Marie Kroupová, die sich auf die Geschichte der mitteleuropäischen Avantgardebewegungen sowie die Verflechtung der Kunst mit nationaler Identitätsstiftung im frühen 20. Jahrhundert spezialisiert. Die von Prof. Raphael Rosenberg betreute Masterarbeit unter dem Titel „‘Hurrah, we are among the Lords now!‘: exhibition strategies behind the rise of the Mánes artists' association (1898-1907)“ konnte aufzeigen, welche Ausstellungsmethoden eine modernistische Künstlergruppe in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie anwandte, um sich national und international durchzusetzen. Durch die Analyse Aktivitäten von Mánes aus verschiedenen geografischen Perspektiven – international, national und regional – konnte der Forschungsstand um diese bisher unbeachteten Aspekte ergänzt werden. "Anhand der neu gewonnenen Erkenntnisse ließ sich die Frage nach dem wichtigsten Faktor für die Durchsetzungskraft der Gruppe in der österreichisch-ungarischen Kunstszene eindeutig mit deren Anpassungsfähigkeit beantworten. Darüber hinaus werden erstmals drei eng miteinander verflochtene Hauptausstellungsmechanismen identifiziert, die Mánes den raschen Aufstieg zur erfolgreichsten tschechischen Künstlervereinigung ermöglichten." Einerseits setzte Mánes ein radikales Branding als tschechisch-nationale und modernistische Künstlergruppe als gezieltes Marketingprinzip ein, um sich in der lokalen Kunstszene zu behaupten. Bezeichnend dafür ist vor allem die Prager Rodin-Ausstellung des Jahres 1902 (Abbildungen). Die große Anzahl der beteiligten Agenten – von Künstlern über Politiker bis hin zu Vereinigungen – erlaubt die Bezeichnung der Künstlervereinigung als aktiven Gestalter der gesamten Kulturszene der Monarchie. Andererseits kann die Arbeit zeigen, wie Mánes die einzelnen gesellschaftspolitischen Systeme der Monarchie zum eigenen Vorteil nutzten: "von den tschechischen Provinzen, Prag und Böhmen bis zum Regierungssitz und der Reichshauptstadt in Wien. Anhand der damit verbundenen gründlichen Aufarbeitung der tschechischen nationalen Wiedergeburt, die je nach Region von Mánes entweder pragmatisch betont oder ignoriert wurde, wird die starke Verflechtung der politischen und kulturellen Szenen der Monarchie aufgezeigt.“
Die aus Tschechien stammende Preisträgerin arbeitet nach Praktika im Museum of Modern Art (New York), im MAK (Wien) und im Stift Klosterneuburg derzeit am Research Center des Belvedere in Wien. Dort betreut sie u.a. das neue Open Access E-Journal, das sich der weiteren Erforschung zentraleuropäischer Kunst widmen soll.
Die Präsentation der Gombrich-Preisträgerinnen im Rahmen der Kunsthistorischen Gesellschaft macht nicht zuletzt deshalb Sinn, weil der Namensgeber der Auszeichnung vor mehr als 60 Jahren in diesem Rahmen ebenfalls einen Vortrag hätte halten sollen. Wie die Korrespondenz mit dem damaligen Institutsvorstand Karl Maria Swoboda im Institutsarchiv verrät, musste der Termin auch damals mehrfach verschoben werden und kam dann offensichtlich nicht zustande - vielleicht, weil Gombrich doch keine Zeit hatte. Ein glaubwürdiges Gerücht besagt hingegen, dass Swobodas Nachfolger Otto Demus mit einer Einladung Gombrichs nach Wien den als zweiten Ordinarius am Institut vorgesehenen Otto Pächt nicht "kränken" wollte, waren doch die beiden nach England emigrierten jüdischen Studienkollegen aus persönlichen oder methodischen Gründen nicht gut aufeinander zu sprechen. Dass das Institut für Kunstgeschichte in Wien heute ebenso stolz auf sein "Pächt-Archiv" wie auf seinen "Gombrich-Preis" blickt, müssen sich die beiden renommierten Kunsthistoriker wohl im Jenseits miteinander ausmachen…
Friedrich Polleroß Fotos: Institut für Kunstgeschichte; Anna-Maria Kroupová, Heidrun Rosenberg