Workshop und Ausstellung zur islamischen Architektur in Bosnien

Am 4. Mai 2018 fand der erste Workshop des neuen ERC-Forschungsprojekts “Islamic Architecture and Orientalizing Style in Habsburg Bosnia, 1878–1918” am Institut statt. Den Auftakt der Veranstaltung bildete eine ausführliche Präsentation dieses Projekts, das am 1. Februar 2018 hier am Institut begonnen hat. Das Team, das der Projektleiter und Südosteuropa-Experte Dr. Maximilian Hartmuth für die Erforschung muslimischer Kult- und Bildungsbauten aus der Zeit österreichisch-ungarischer Herrschaft in Bosnien und dem damit verbundenem Stilphänomen zusammenstellte, besteht aus drei Kolleginnen, die ihre Vorkenntnisse und zukünftige Forschung in das Projekt einbringen. Die Bauforscherin a.o. Prof. Dr. techn. Caroline Jäger-Klein ist außerordentliche Professorin an der TU Wien mit Schwerpunkt österreichischer Architekturgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert sowie Expertin in europäischen und außereuropäischen Bautraditionen. Dr. Julia Rüdiger, Absolventin des Instituts und frühere Assistentin von em. Prof. Dr. Hellmut Lorenz und Prof. Dr. Schütze, trägt Forschungen zur Architektenausbildung und zu Stilfragen in Fassade und Ausstattung im 19. Jahrhundert zum Projekt bei. Franziska Niemand ist Projektassistentin und durch das Thema ihrer Masterarbeit „Die fotografische Dokumentation des „Orients“ auf der Wiener Weltausstellung von 1873“ bei Prof. Dr. Markus Ritter inhaltlich eng eingebunden.

Im Fokus des Projekts stehen jene Bauten, die unter habsburgischer Bauherrschaft in Bosnien in einem orientalisierenden Stil errichtet wurden. Die Bauaufgaben reichten von Moscheen, Schulen, Rathäusern, Bahnhöfen bis hin zu Wohnhäusern für hochstehende Muslime in der bosnischen Gesellschaft. Der erste Schritt des Projekts sei es, wie Hartmuth betonte, diese Bauten als eigene Gruppe von Baudenkmalen, sozusagen als „österreich-ungarische Islamische Architektur“, zu verstehen und dieses Phänomen mit geeigneten Methoden zu erforschen. Die funktionelle Gestaltung entspricht hier zwar vielfach islamischen Typologien, doch in der Fassadengestaltung zeigt sich die historistische Herangehensweise des 19. Jahrhunderts, die die Formensprache aus unterschiedlichstem islamischen Erbe, aus Ägypten ebenso wie aus Andalusien, hier zusammenführt. Das Projekt untersucht daher ebenfalls, welches Formenwissen und welche Bilderquellen den mehrheitlich in Wien ausgebildeten Architekten zur Verfügung stand, und geht der Frage nach, mit welchen Intentionen, welcher Stil für das Bauen im besetzten Land verwendet wurde. Mit diesen Arbeiten möchte das Projekt nicht nur eine Forschungslücke füllen, sondern auch beitragen zum Verständnis, wie historische europäische Mächte mit der Herausforderung einer religiösen und kulturellen Diversität umgegangen sind. In den weiteren Panels des Workshops präsentierten internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Forschungen zu orientalisierenden Kunstformen beziehungsweise umkreisten das Verhältnis der Habsburger Herrschaft zu dem osmanisch geprägten Kronland.

Begleitet wurde der Workshop von einer Ausstellung in der Aula des Instituts, die wesentliche Aspekte der Themenproblematik hervorhob und die geeignete Kulisse für angeregten Austausch in den Pausen bot. Als Eye-Catcher hingen entlang der Fensterfront großformatige Aufnahmen des Alten Rathauses, die Vijećnica, dem wohl bekanntesten Bauwerk in orientalisierendem Stil, das in der Habsburgerzeit in Bosnien entstanden ist. Die Aufnahmen der bosnisch-herzegowinischen Architekturfotografin Anida Krečo-Mujanović zeigten das 1992 im Krieg zerstörte Rathaus, damals Nationalbibliothek, im Zustand unmittelbar nach der Restaurierung im Jahr 2014.

Die drei Ausstellungsvitrinen hingegen waren der Architekturpublizistik und dem Wissenstransfer von Ornament- und Bauformen gewidmet. Die erste, von Julia Rüdiger zusammengestellte Vitrine, fokussierte auf Druckwerke des früheren 19. Jahrhunderts zur Verbreitung des Bildwissens über „orientalische“ Architektur, wie Owen Jones‘ und Jules Goudys Plans, Elevations, Sections, and Details of the Alhambra (1842/45), und deren Rezeption in Ludwig Försters Allgemeiner Bauzeitung ab den 1850ern. In einem schlaglichtartigen Rückblick zeigte diese Nische auch Johann Bernhard Fischer von Erlachs Interesse an islamischen Bauformen, das sich in einigen Stichen von Moscheen in seinem Entwurff einer Historischen Architektur (1721) niederschlug.

In der zweiten Vitrine präsentierte Franziska Niemand Publikationen zur Wiener Weltausstellung von 1873, die dem „Orient“ so viel Raum wie keine zuvor gegeben hatte. Das Interesse der Öffentlichkeit manifestierte sich nicht nur in den zahlreichen BesucherInnen der Pavillons in „orientalischen“ Baustilen, sondern auch der Aufmerksamkeit in Presse- und Ausstellungsberichten. Niemand zeigte daher eine Auswahl von illustrierten Ausstellungsberichten, die sich dem persischen und dem ägyptischen Pavillon sowie dem Brunnenhaus des osmanischen Sultans Ahmed III. widmeten. Die ebenfalls ausgestellte, sehr reich bebilderte Publikation "Die ottomanische Baukunst" ist anlässlich der Weltausstellung von der osmanischen Ausstellungskommission herausgegebenen worden und gilt als erste Monografie zur osmanischen Architekturgeschichte.

Ganz konkret auf den Transfer von Wissen über Architektur in Bosnien ging die dritte, von Maximilian Hartmuth gestaltete Nische ein. Zwischen 1893 und 1916 erschien die Zeitschrift Wissenschaftliche Mittheilungen aus Bosnien und der Hercegowina, die einem internationalem Publikum die kulturellen Errungenschaften in der seit 1878 von Österreich-Ungarn besetzten osmanischen Provinz vermitteln sollte. Gleichzeitig stellen einige dieser Berichte auch Meilensteine in der Erforschung des islamischen Erbes in dieser südlichsten Provinz des Habsburgerreiches dar. So erschien in der zweiten Ausgabe eine umfangreiche Studie der „Bunten Moschee“ in Foča mit großformatigen, hier gezeigten Reproduktionen der Wandmalereien.

Wenige Wochen vor diesem ersten Projektworkshop hatte die Wahl der Österreichischen Akademie der Wissenschaften stattgefunden. Hierbei wurde Maximilian Hartmuth als Mitglied der Jungen Akademie, die neben der philosophisch-historischen und der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse die dritte Säule der ÖAW-Gelehrtengesellschaft bildet, in ebendiese aufgenommen.

Text: Julia Rüdiger  Fotos: Anida Krečo-Mujanović, Karl Pani, René Steyer