8,5 Kilogramm Parmigianino. Habilitationsschrift von Achim Gnann erschienen

Am 26. März wurde in der Albertina die im materiellen Sinn wohl gewichtigste Habilitationsschrift unseres Institutes vorgestellt. Sie stammt von Dozent Dr. Achim Gnann, der an der Graphischen Sammlung als Kustos der italienischen Zeichnungen arbeitet und sich im Jahre 2007 mit dieser Schrift über den jung verstorbenen, aber sehr produktiven Manieristen habilitiert hat.
Die großformatige zweibändige Publikation behandelt das gesamte, über 1000 Blätter umfassende zeichnerische Werk von Parmigianino, einem der bedeutendsten italienischen Künstler des 16. Jahrhunderts.
Im Textteil werden die Funktionen, Techniken und der Stil der Zeichnungen untersucht und ihr Verhältnis zu den Gemälden und Druckgraphiken geklärt. Da auch die Inhalte der Darstellungen, die äußeren Lebensumstände, die Rolle der Auftraggeber und die Kontakte mit anderen Künstlern ausführlich geschildert werden, ist die Publikation zugleich eine Gesamtmonographie über Parmigianino.
Im Katalogteil werden die Zeichnungen in chronologischer Reihenfolge mit genauen Angaben einzeln beschrieben und abgebildet.
Die im deutschen Imhof-Verlag erschienene Publikation von Achim Gnann bildet nicht nur in verlegerischer, sondern auch in drucktechnischer Hinsicht eine Meisterleistung, da man das heute im Buchdruck größtmögliche Format wählte, um fast alle Zeichnungen in Originalgröße abbilden zu können.
Die beiden Bände bilden die erste deutschsprachige Lebensgeschichte dieses Künstlers seit der 1921 im Wiener Schroll Verlag veröffentlichten Monographie von Lili Fröhlich-Bum, die als Vorgängerin von Gnann 1923-34 gemeinsam mit Alfred Stix die italienischen Zeichnungen der Albertina bearbeitet hat.
Aufgrund des großen Bestandes an Zeichnungen und auch Gemälden von Parmigianino in Wien ist die Bearbeitung seines Werkes durch hier tätige Kunsthistoriker naheliegend. Aber die lange „Forschungslücke“ ist wohl ebenso kein Zufall und symptomatisch für die Entwicklung des Faches, gehörte doch auch Karoline Fröhlich-Bum (1886-nach 1975) zu jenen jüdischen Wiener KunsthistorikerInnen, denen durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten die Arbeitsmöglichkeit, die Heimat und in einigen Fällen auch Gesundheit und Leben geraubt wurden und derer unser Institut mit einem Denkmal gedenken möchte (siehe dazu unten). Unter dem Namen Frolich-Bume war die Wienerin ab 1938 gemeinsam mit ihrem Ehemann im Kunsthandel und später im Journalismus in London tätig.
Die Buchpräsentation und die am 31. März erfolgte Wiedereröffnung des Studiensaales nach zehnjähriger Schließung sind auch positive Anzeichen dafür, dass die Albertina, die in der fünfjährigen Direktion Schröder die Graphische Sammlung aus dem Namen verloren hat, jetzt wieder ihrer staatlichen Verpflichtung zur Betreuung und wissenschaftlichen Zugänglichmachung bzw. Bearbeitung eines der weltweit wichtigsten Bestandes an Handzeichnungen nachkommen will und kann.



Friedrich Polleroß