GOTTFRIED SEMPER UND WIEN. Die Wirkung des Architekten auf Wissenschaft, Kunst und Industrie

Der Verband der Österreichischen Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker und das Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien veranstalteten vom 8. bis zum 10. April 2005 ein Symposion zum Thema „Gottfried Semper und Wien“. Initiiert und konzipiert wurde die Tagung von Rainald Franz (wissenschaftlicher Mitarbeiter der MAK-Bibliothek und Kunstblättersammlung sowie Lehrbeauftragter der Universität Wien und der Universität für Angewandte Kunst, Wien) und Andreas Nierhaus (Absolvent des Instituts für Kunstgeschichte, Wien und Projektmitarbeiter der Kommission für Kunstgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften). Beide sahen es als Notwendigkeit an, die Bedeutung von Gottfried Sempers Wirken in Wien, und dem daraus resultierenden Einfluss auf die Moderne zu betonen, gerade weil im Zuge der wissenschaftlichen Projekte, Ausstellungen und Publikationen anlässlich der 200. Jährung Sempers Geburtstages, 2003, nur am Rande darauf eingegangen wurde.
Die eingeladenen Referenten aus dem In- und Ausland (Ruth Hanisch, Christoph Hölz, Markus Kristan, Richard Kurdiovsky, Barbara Neubauer, Eva-Maria Orosz, Eva B. Ottillinger, Inge Podbrecky, Boris Podrecca, Reinhard Pühringer, Diana Reynolds, Wolfgang Sonne und Werner Telesko sowie die beiden Initiatoren) besprachen Gottfried Sempers Kunsttheorie und seinen Anteil an der Reformkunstbewegung in Wien, die Beteiligung des Architekten am Ringstraßenprojekt sowie den Einfluss Sempers auf Architektur und Städtebau im Wien des 19. und 20. Jahrhunderts.
So ist es vor allem der Verdienst der Tagung, dem Projekt zum so genannten „Kaiserforum“ endlich einen angemessenen Platz im Werk Gottfried Sempers einzuräumen, auch wenn es nur partiell zur Ausführung gelangte und die problematischen historischen Umstände noch eingehender geklärt werden müssen Auf kunsttheoretischem Gebiet muss vor allem die kritische Betrachtung der „Semperianer“ erwähnt werden. Anhand der Rezeption des semperschen Schrifttums bei Camillo Sitte, Alois Riegl oder Otto Wagner konnte aufgezeigt werden, wie es dazu kam, Semper den Materialisten zuzuordnen. Beachtenswert ist vor allem die kritische Sicht, die sowohl die Vortragenden, als auch das Publikum an den Tag legten, indem die auf Semper angewandte Begrifflichkeit, seine Stildefinitionen und seine mythische Biographie immer wieder neu reflektiert wurden.
Auf jeden Fall konnten die Veranstalter und Mitarbeiter dieses Symposions zwei ihrer Ziele erreichen – nämlich in Wien endlich wieder eine Auseinandersetzung mit dem Werk Gottfried Sempers ausgelöst, und die problematischen Mythisierungen des Künstlers angesprochen und kritisch hinterfragt zu haben. Auch wenn so mancher Vortrag den konkreten Bezug zu „Semper und Wien“ nicht ausreichend herstellen konnte, kann man den Wiener Kunsthistorikern nach dieser Veranstaltung, deren Wert vor allem im Aufwerfen von Fragen und im Aufzeigen von Forschungslücken lag, nicht mehr vorwerfen, zum Jubiläum von 2003 geschwiegen zu haben – bleibt zu hoffen, dass den vielen Worten des gelungenen Auftakts zur erneuten Beschäftigung mit der Wiener Schaffensperiode Gottfried Sempers auch weitere Worte und Taten folgen.

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