Wiener Weltkunstgeschichte. Internationale Tagungen über Josef Strzygowski in Polen und Stella Kramrisch in England


In der aktuellen Diskussion über eine „Weltkunstgeschichte“ wird vielfach auf Ideen und Methoden zurückgegriffen, die von unserem Institut ihren Ausgang genommen haben. Daher wurde etwa Georg Vasold, Absolvent unseres Instituts und Fachmann für die Geschichte und Methoden der „Wiener Schule der Kunstgeschichte“ zur Mitarbeit an einem großen Berliner Forschungsprojekt berufen, in dem es um „Transkulturelle Verhandlungsräume von Kunst. Komparatistische Perspektiven auf historische Kontexte und aktuelle Konstellationen“ geht.
Einer der Gründerväter solcher Bestrebungen war der vor 150 Jahren in Schlesien geboren Josef Strzygowski (1862-1941), der von 1909 bis 1933 Professor an der Wiener Universität war, aber von seiner Berufung bis heute die Meinungen der Kollegen und Forscher polarisiert. Schon 1911 war es daher zu einer Spaltung der Kunstgeschichte in zwei räumlich getrennte Institute gekommen und die jüngere Forschung ist ebenfalls unterschiedlicher Meinung zu seiner Person, wie es etwa ein polemischer Text des Lubliner Prof. Piotr Scholz verrät. Tatsächlich hat Strzygowski einerseits den Eurozentrismus überwunden und den kunsthistorischen Blick und die „vergleichende Kunstwissenschaft“ vor allem nach Asien gerichtet, wobei er schon 1912 wissenschaftliche Außenstellen in Teheran und Peking einrichten wollte. In Fortsetzung von Gedanken von Alois Riegl (1858-1905) hat sich sein Interesse auch nicht nur auf „Hochkunst“ beschränkt, sodass er 1933 auch eine Dissertation „Film und bildende Kunst“ angenommen hat. Der offensichtlich charismatische Professor war auch einer der international bekanntesten Kunsthistoriker seiner Zeit und wurde zu Vorträgen bzw. Gastprofessuren in den USA und Finnland eingeladen. Seine Dissertanten kamen sogar aus Stockholm (Johann Gunnar Bromann, 1917) und Eriwan (Mohammed Agha-Oglu, 1926). War das zweite Kunsthistorische Institut unter Prof. Julius von Schlosser nach Süden orientiert und begründete durch dessen Assistenten Hans R. Hahnloser eine Schweizer Filiation, so wurde einer der Assistenten von Strzygowski, Ernst Diez (1878-1961), zum Begründer der Kunstgeschichte in der Türkei. Diesen positiven Aspekten steht aber die Tatsache gegenüber, dass eine germanisch-nordische Ideologie immer stärker Strzygowskis Methode beherrschte und er in den letzten Lebensjahren trotz zahlreicher jüdischer Schüler und Themen auch in seinen Publikationen vor einer direkten Propaganda für den Nationalsozialismus nicht zurückschreckte.
Der 150. Geburtstag ist jedenfalls der Anlass für eine von Prof. Scholz in der polnischen Geburtsstadt des Wiener Kunsthistorikers, Bielsko-Biała (Bielitz-Biala), organisierte große internationale Konferenz. Daran werden Fachleute aus den USA und Russland ebenso teilnehmen wie solche aus Finnland und der Türkei. Unter den ReferentInnen finden wir Heinrich Dilly (Halle) und die vorübergehend an unserem Institut tätige Annegret Plontke-Luening (Jena), Dorothea McEwan vom Londoner Warburg Institut oder Paul Naredi-Rainer aus Innsbruck, während Wien durch Heinz Schödl vertreten sein wird. Er hat vor kurzem seine Dissertation bei Univ.-Prof. Michael-Viktor Schwarz dem umstrittenen Kunsthistoriker gewidmet. Schon 2006 und 2008 hatten sich Andreas Früchtl und Gabriele Anna Reisenauer in ihren Diplomarbeiten mit diesem Kapitel unserer Institutsgeschichte auseinandergesetzt. Im Herbst wird sich übrigens auch eine kleine Wiener Tagung der von Strzygowski gegründeten Gesellschaft für vergleichende Kunstforschung dem Thema widmen.
Eine Dissertantin von Prof. Strzygowski war auch Stella Kramrisch (1896-1993), die aus einer jüdischen Familie in Mikulov/ Nikolsburg stammt. Sie wurde 1921 die erste Professorin für indische Kunst an der Universität Kalkutta, war auch von der Theosophie Rudolf Steiners beeinflusst und konvertierte zum Hinduismus. 1950 übersiedelte sie in die USA, wo sie u.a. am Institute of Fine Art in New York sowie in Philadelphia unterrichtete. Prof. Kramrisch hat also das „distinctly non-western concept“ Strzygowskis in zwei Kontinenten verbreitet. Anlässlich ihres bevorstehenden 20. Todestages wird im Dezember in London – wo die Wiener Kunsthistorikerin in den 1930er Jahren lehrte - eine Konferenz zu ihrem Gedenken stattfinden.
Friedrich Polleroß      Fotos: Kramrisch-Archiv, UNIDAM