Fritz-Saxl–Biographie von Dorothea McEwan vorgestellt
Fritz-Saxl–Biographie von Dorothea McEwan vorgestellt
Die Geschichte der Kunstgeschichte wurde vor kurzem um einen wichtigen Beitrag bereichert, nämlich um eine Biographie des ersten Direktors des Warburg Institutes, verfasst von der ersten Archivarin dieses postgradualen Forschungsinstitutes der Universität London. Weniger geläufig ist die Tatsache, dass der 1948 in England verstorbene Fritz Saxl 1890 in Wien geboren und 1912 bei Univ.-Prof. Dr. Max Dvořák an unserem Institut mit einer Arbeit über Rembrandt promoviert wurde.
Das war auch der Grund für die Präsentation des neuen Buches an unserem Institut am 23. Jänner 2013. Zum Auftakt spielte Prof. Peter Wächter, pensioniertes Mitglied der Wiener Philharmoniker und Schulkollege der Autorin, auf der Violine das Stück „Liebesleid“ aus den „Drei Altwiener Tanzweisen“ von Fritz Kreisler, der ebenso wie sein Zeitgenosse Saxl dem jüdischen Wiener Bürgertum entstammte. Institutsvorstand Univ.-Prof. Dr. Raphael Rosenberg begrüßte die Gäste und freute sich über die von der Autorin aufgezeigten Beziehungen zwischen Saxl und Wien bzw. unserem Institut, die ihm vorher nicht so bekannt gewesen waren.
Die ebenfalls aus Österreich stammende und von 1993 bis zu ihrer Pension das Warburg-Archiv betreuende Dorothea McEwan bot dann einen Überblick über das Leben des Kunsthistorikers Fritz Saxl. Dieser hatte zunächst intensiven Sprachunterricht erhalten, aber schon vor der Matura eine Miszelle über eine Motivübernahme Rembrandts verfasst, die 1908 im Repertorium für Kunstwissenschaft veröffentlicht wurde. Im selben Jahr begann er sein Studium, das er nach einem Aufenthalt in Berlin 1912 mit einer Dissertation über Rembrandt abschloss. Sein Zweitbetreuer war Josef Strzygowki gewesen, der ihm zwar die Auszeichnung vorenthielt, aber wohl den kunst- historischen Blick in den Orient und auf den Mithraskult gefördert hat.
Bereits 1910 hatte Saxl wegen seines zweiten Intereressensschwerpunktes, Planetenikonographie und Astrologie, mit Aby Warburg in Hamburg Kontakt aufgenommen, der ihn zur Zusammenarbeit aufforderte und ihm 1914 einen Posten als Privatbibliothekar anbot. Schon während des Sanatoriumsaufenthaltes von Warburg 1920-24 war Saxl praktisch Leiter der Bibliothek, die er nach dem Tod des Hamburger Gelehrten 1929 offiziell übernahm, und die auch der neu gegründeten Universität Hamburg zur Verfügung stand. 1933 erkannte Saxl rechtzeitig die nationalsozialistische Bedrohung und übersiedelte fast die gesamte Bibliothek nach London, wo sie elf Jahre später der Universität eingegliedert wurde. Die von Warburg entwickelte Methode der „guten Nachbarschaft“ von Bildern übertrug Saxl auf die Systematik seiner Bibliothek, sah er sich ja als Vermittler zwischen abend- und morgenländischer Kunst sowie als intellektueller Wanderer zwischen Kunstwissenschaft, Theologie und Astrologie. Während man über die berufliche Seite und die organisatorischen Fähigkeiten von Fritz Saxl aufgrund der erhaltenen Korrespondenz gut informiert ist, mangelt es hingegen – wie die Autorin abschließend ausführte – an Quellen, die seine private Persönlichkeit plastischer werden lassen – abgesehen von einigen Spitzen gegen seine Wiener Lehrer und seinem Engagement für seine Schüler wie Anthony Blunt und John Pope-Hennessy. Diese Nachwuchsförderung wurde nach Saxls Tod mit einer nach ihm benannten Stipendienstiftung gleichsam institutionalisiert.
Zuletzt schilderte der emeritierte Jusprofessor und Hobbyhistoriker Dr. Gerhardt Plöchl seine Eindrücke von der Lektüre des Buches, wobei er die große Bedeutung der Fotografie und die Mythenwanderung hervorhob. Mit seiner Aufforderung „Lesen Sie es, es zahlt sich aus!“ wurden die Gäste, darunter Verlagsleiterin Dr. Eva Reinhold-Weisz, der Botschafter sowie Historiker Dr. Rudolf Agstner und der frühere Direktor des Jüdischen Museums Dr. Karl Weinberger, nach einem Musikstück von Kreislers Pariser Lehrer zum Büchertisch sowie zu einem Glas Wein entlassen. Das im Böhlau-Verlag erschienene Buch umfasst 344 Seiten sowie 36 Abbildungen und kostet 39 Euro.
Friedrich Polleroß Fotos: Friedrich Polleroß