Tagung und Ausstellung zum 150. Geburtstag von Prof. Julius von Schlosser

Der 150. Geburtstag von Julius von Schlosser am 23. September 2016 bietet die Gelegenheit für eine internationale Tagung vom 6.-7. Oktober. Die Konferenz wird vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien gemeinsam mit dem Kunsthistorischen Museum unter der Federführung von Univ.-Prof. Dr. Sebastian Schütze sowie Dr. Franz Kirchweger veranstaltet. Denn der bedeutende Kunsthistoriker wirkte von 1901 an als Direktor der Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe am Museum und war dort u.a. für die Einrichtung der Schatzkammer und der gerade jetzt gefährdeten Musikinstrumentensammlung zuständig. Ab 1922 lehrte er als Nachfolger von Univ.-Prof. Dr. Max Dvořák an der Universität. Die Doppelfunktion als Museumskurator und Dozent bildete den Ausgangspunkt der für das Wiener Institut bis heute typischen „Übungen vor Originalen“.

Im Rahmen dieser Veranstaltung und bis 25. Oktober gibt es auch eine kleine Ausstellung in der Aula des Instituts zu sehen, die von Institutsarchivar Dr. Friedrich Polleroß in Kooperation mit seiner Schweizer Kollegin Mag. Agatha Rihs vorbereitet wurde. Das Wiener Archiv besitzt nämlich einen Teil des schriftlichen Nachlasses und die älteren Bibliothekskataloge des Gelehrten, während etwa 3500 seiner Bücher an die Universität Bern gelangten. Dort finden sich auch ein weiterer Teil des wissenschaftlichen Nachlasses von Prof. Schlosser sowie der Bildnachlass der Studienreisen, die dieser gemeinsam mit seinem Schweizer Schüler Hans R. Hahnloser 1923-35 unternommen hat. In Vorbereitung dieser Schau wurde der Wiener Schlosser-Nachlass neuerlich geordnet sowie inventarisiert und vor allem in moderne säurefreie Kartons transferiert. Im Zuge der Ausstellungsvorbereitung ist auch die Idee entstanden, die Schlosser-Nachlässe in Wien und Bern durch Einspeisung in die von beiden Instituten genutzte Datenbank „easydb“ zumindest virtuell zu vereinen und der Fachwelt zugänglich zu machen.  

Die Durchsicht des Wiener Bestandes erbrachte zwar keine grundlegenden Neufunde zur wissenschaftlichen Biographie, aber die Ausstellung kann doch Schaustücke zu einigen Hauptwerken des Gelehrten zeigen. Erwähnenswert sind ein früher Text zur Bedeutung der „Quellenschriften“ für die Kunstgeschichte aus dem Jahre 1892 und die korrigierten Fahnen des Handbuches "Die Kunstliteratur" aus dem Jahre 1924 sowie mehrere systematisierte Verzeichnisse der eigenen Sammlung von meist italienischen Quellenschriften, die ja den Ausgangspunkt von Schlossers Forschungen bildeten. Die nicht nach Bern verkauften Bücher – etwa 4000 Stück – wurden 1961/62 in Wien versteigert. Der Versteigerungskatalog der „Kunstbibliothek“ enthält auch ein Verzeichnis der Schriften Schlossers.

Erwähnenswert sind auch ein Manuskript zur „Wiener Schule“, mit dessen Publikation von 1934 ja das einseitige „Narrativ“ der „Wiener Schule der Kunstgeschichte“ geschaffen wurde. Angesichts der Überlieferung von den verfeindeten Instituten wirkt es erstaunlich, dass sich im Hahnloser-Archiv auch einige Fotos erhalten haben, die Schlossers „Kronprinz“ beim Kostümball des gegnerischen „I. Kunsthistorischen Institutes“ unter Univ.- Prof. Dr. Josef Strzygowski zeigen. Ebenso bemerkenswert wirkt es, dass Schlosser parallel zur Damnatio Memoriae des wissenschaftlichen Rivalen Schemata zeichnete und Tabellen anlegte, auf denen ähnlich wie bei Strzygowskis ‚Weltkunstgeschichte‘ die Einflüsse des Orients auf Europa und die Beziehungen zwischen nord- und südeuropäischer Kunst beleuchtet werden. Die Einladungsliste zum 70. Geburtstag von Schlosser, auf der auch die Direktoren der Londoner Warburg-Bibliothek, Fritz Saxl und Ernst Gombrich, aufscheinen, sowie Exzerpte aus Werken von Erwin Panofsky, vermitteln den Eindruck, dass die später vorherrschende Skepsis des Wiener Instituts gegen die ikonologische Methode der Emigranten damals noch nicht so ausgeprägt war.

Natürlich haben sich im Schlosser-Nachlass auch zahlreiche Texte und zwei Postkarten erhalten, die die engen Beziehungen des Wiener Kunsthistorikers zum italienischen Gelehrten und Politiker Benedetto Croce aufzeigen – von ersten Exzerpten im Jahre 1903, über mehrere Übersetzungen seiner Werke bis zur Laudatio und Widmung des Ghiberti-Buches zum 70. Geburtstag des Philosophen im Jahre 1936.

Vielleicht bemerkenswerter als die wissenschaftlichen Texte sind jedoch einige privatere Quellen im Institutsarchiv, die ein Licht auf die Persönlichkeit des Ordinarius werfen. So haben sich dort ein Tagebuch und Gedichte des Sohnes Hans aus der Zeit des Ersten Weltkrieges erhalten sowie eine Übersetzung einer bulgarischen Oper durch seine zweite Gattin, die bulgarische Geigerin Neda Ftitscheff. Die Musik spielte lebenslang eine große Rolle für Schlosser – beginnend mit einem Schülertagebuch von Julius mit der Widmung an einen Freund, dem er eine Karriere als Hofkapellmeister voraussagt bzw. wünscht, über die Einrichtung der Musikinstrumentensammlung, für die er u.a. mit dem Soloflötisten der Wiener Staatsoper Ary van Leeuwen korrespondierte, bis zu den Hauskonzerten des Cellisten mit seinem Assistenten Hahnloser um 1930.
         
Die Stadt Wien ehrte Julius von Schlosser 1938 mit einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof und 1941 mit der Nennung einer Straße in Wien-Floridsdorf nach dem Kunsthistoriker. 1955 wurde schließlich Schlossers um 1920 entstandene Bronzebüste von Josef Thorak im Arkadenhof  des Hauptgebäudes der Universität aufgestellt.

Friedrich Polleroß    Fotos: Institut für Kunstgeschichte