Die Kunst der Diplomatie. Neuerscheinung von Friedrich Polleroß
Die Kunst der Diplomatie. Neuerscheinung von Friedrich Polleroß
Am 22. Oktober wurde im ehemaligen Palais Lamberg-Sprinzenstein in Wien ein neues Buch über den 1700-1705 in Rom tätigen kaiserlichen Botschafter Leopold Joseph Graf von Lamberg der Öffentlichtkeit vorgestellt. Ausgezeichnet wurde die Veranstaltung durch die Anwesenheit Seiner Exzellenz des italienischen Botschafters Cavaliere Eugenio d’Auria sowie des Botschafters Dr. Alfons M. Kloss von der Präsidentschaftskanzlei. Dieser wird der nächste österreichische Botschafter beim Heiligen Stuhl sein, während seine Gemahlin eine direkte Nachfahrin der Grafen Lamberg ist. Unter den zahlreichen Gästen befanden sich aber auch mehrere andere Besitz- bzw. Rechtsnachfolger des kaiserlichen Botschafters, nämlich Prinz Heinrich und Prinzessin Stephanie Auersperg-Breunner, Gräfin Catharina Meran sowie Bürgermeister Ing. Johann Müllner von der Marktgemeinde Pölla.
Zunächst hob Dr. Michael Imhof vom deutschen Imhof-Verlag die besonders gediegene Ausstattung des gewichtigen Buches hervor. Diese war nur durch die finanzielle Unterstützung zahlreicher Sponsoren möglich geworden, darunter die Kulturabteilung der Niederösterreichischen Landesregierung, das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, die Wissenschaftsförderung der Stadt Wien, die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften, das Dorotheum und das Antiquariat Christian M. Nebehay in Wien sowie die Marktgemeinde Pölla.
Der Autor Dr. Friedrich Polleroß vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien brachte seine Freude über den Abschluss eines fünfjährigen Projektes zum Ausdruck und bedankte sich für die Unterstützung in Archiven, Museen und Forschungseinrichtungen sowie für das Entgegenkommen zahlreicher Privatpersonen, in deren Besitz Kunstobjekte aus dem Nachlass des Botschafters aufgespürt werden konnten.
Univ.-Prof. Dr. Sebastian Schütze, Vorstand des Instituts für Kunstgeschichte und Spezialist für die römische Kunst des 17. Jahrhunderts, stellte dann das neue Buch vor. Er würdigte den Versuch des Autors, allgemeine Fragestellungen wie das Verhältnis von Kunst und Diplomatie oder den sozialen Stellenwert des Mäzenatentums am Beispiel und mit der guten Quellenbasis dieses österreichischen Adeligen abzuhandeln. Auch er lobte die gute Ausstattung mit vielfach bisher unbekanntem Bildmaterial.
Abschließend bot Dr. Gustav Ortner, ehemaliger österreichischer Botschafter beim Heiligen Stuhl und Gentiluomo di Sua Santità (Ehrenkämmerer des Papstes) einen anschaulichen Einblick in das päpstliche Zeremoniell und vor allem dessen Zustand vor den einschneidenden Veränderungen des Vatikanischen Konzils. Die Buchpräsentation klang mit einem kleinen Empfang aus, bei dem die anwesenden (Kunst-)Historiker und Diplomaten ihre Erfahrungen mit der „Zeremoniellwissenschaft“ austauschen konnten.
Das Buch von Friedrich Polleroß ist dem Verhältnis von Kunst und Diplomatie sowie der kulturhistorischen Biographie eines kaiserlichen Botschafters gewidmet. Nach einer Einführung in den Forschungsstand wird ein Überblick über die Rolle der Kunst im Rahmen der europäischen Diplomatie des 17. und frühen 18. Jahrhunderts geboten: Waren die Gesandten aufgrund ihrer Tätigkeit im Ausland schon berufsbedingt Kulturvermittler, so gewann die Kunst im Laufe des 17. Jahrhunderts sowohl als Satussymbol und im Bereich des Geschenkwesens als auch zur Dokumentation politischer und militärischer Erfolge an Bedeutung.
Graf Leopold Joseph von Lamberg stammte aus einer katholischen österreichischen Adelsfamilie, die am kaiserlichen Hof und in der Reichskirche bedeutende Positionen erringen konnte.1674-77 unternahm er eine Kavalierstour durch Italien, die Schweiz, Deutschland, die Niederlande, Frankreich und auch nach London. Aufgrund der Informationen über seine Besichtigungen sowie seine kunsthistorischen Erzieher in Rom und Paris kann das dabei vermittelte kunsthistorische Wissen rekonstruiert werden.
Die Heirat ermöglichte Lamberg ab 1679 den Ausbau seines Schlosses Ottenstein im niederösterreichischen Waldviertel, dessen Ausstattung durch Serien von Porträts und Herrschaftsansichten seine zwischen Hof- und Landleben oszillierende Ideologie visualisierte. Weitere Umgestaltungen betrafen das Schloss Kottingbrunn im südlichen Niederösterreich, das Herzogsbad in Baden bei Wien sowie einen Stadt- und Gartenpalast in der Residenzstadt. Von 1690-99 vertrat Graf Lamberg den österreichischen Landesfürsten auf dem Reichstag in Regensburg. Damals wurde er mit den Schwierigkeiten des diplomatischen Zeremoniells vertraut gemacht und entwickelte sich auch zu einer „Informationsdrehscheibe“. Seinen Rang demonstrierte der Gesandte u.a. durch Porträts und Goldgeschirr sowie Silbermöbel aus Augsburg.
1700 wurde Lamberg als kaiserlicher Botschafter nach Rom entsandt und erlangte damit einen der wichtigsten Botschaftsposten des kaiserlichen Hofes. Die politischen Umstände waren allerdings alles andere als erfreulich. Die Wahl von Clemens XI. sowie der Ausbruch des spanischen Erbfolgekrieges schränkten Lambergs politischen Handlungsspielraum ein und er bediente sich vor allem der Bild- und Massenmedien, um die habsburgische Position in Rom zu propagieren. Ein eigenes Kapitel ist den Kutschen und den daraus resultierenden Zeremonialstreitigkeiten gewidmet. Der zuerst im Palazzo Madama, dann im Palazzo Bonelli-Valentini und schließlich im Palazzo Caetani-Ruspoli am Corso residierende Diplomat war zwar kein Kunstliebhaber im eigentlichen Sinn, verfolgte aber das kulturelle Geschehen aufmerksam und stand mit dem Architekten Carlo Fontana in persönlichem Kontakt. Er gab Gemälde bei Francesco Trevisani und Christian Berentz in Auftrag, beschäftigte Christian Reder und Antonio David als Maler von Porträtserien, beherbergte Rosa da Tivoli in seinem Palast und erwarb Bilder aus dem Nachlass von Henri Gascar. Ein besonderes Interesse galt der Archäologie und den Reliquien.
Das letzte Kapitel ist dem Aufspüren des später verstreuten Kunstbesitzes Lambergs gewidmet. Einzelne Gemälde aus dem Besitz Lambergs befinden sich heute in deutschen Museen, einige kamen mit der Sammlung des Urenkels an die Wiener Akademiegalerie und die Kleinbronzen landeten offensichtlich im Kunsthistorischen Museum. Zahlreiche Objekte gingen in den Besitz verwandter Adelsfamilien über und können in diesem Buch erstmals vorgestellt werden.
Das Buch „Die Kunst der Diplomatie. Auf den Spuren des kaiserlichen Botschafters Leopold Joseph Graf von Lamberg (1653-1706)“, 32 x 24 cm, 608 Seiten, 516 Abbildungen großteils in Farbe, ist um 69 Euro im guten Buchhandel oder direkt über den Michael-Imhof-Verlag erhältlich.
Friedrich Polleroß Fotos: Josef Polleroß