Forschungsschwerpunkte & Dissertationsprojekt
Forschungsschwerpunkte
- akademische Malerei und Salonmalerei im Frankreich des 19. Jahrhunderts
- Gender und Queer Studies in der Kunstgeschichte
- Konstruktionen von Männlichkeit in der bildenden Kunst
- der Akt als künstlerisches Ausdrucksmittel
Dissertationsprojekt
„Hypermaskuline Konstruktionen der Männlichkeit. Die envois de Rome und der akademische Männerakt im Frankreich der 1840-1860er Jahre“.
Laut den Erkenntnissen der feministischen Kunstforschung hat der Männerakt um 1800 seine letzte Blütezeit in der französischen Malerei erlebt, um danach langsam, aber sicher, durch den Frauenakt abgelöst zu werden. Abigail Solomon-Godeau argumentierte bekanntlich in ihrem kontrovers diskutierten Buch Male Trouble (1997), dass die zahlreichen Darstellungen passiver androgyner Jünglinge eine Krise in der Männlichkeitsrepräsentation nach der Französischen Revolution bezeugten, die zum Abgesang des männlichen Aktes im 19. Jahrhundert führte. Allerdings offenbart selbst ein kursorischer Blick auf die studentischen Werke der jungen Künstler an der Académie de France à Rome (sog. envois de Rome) das bestehende Interesse am Männerakt, das sich insbesondere in den späten 1840-1860er Jahren zu einer regelrechten Faszination für nahezu fantastisch hypermaskuline und zugleich sinnliche Aktdarstellungen entwickelte. Lange vor der Etablierung des durchtrainierten Körpers als modernes Vorbild der Männlichkeit rebellierten Kunststudenten sowohl gegen den dominanten intellektuell-geistigen bürgerlichen Männlichkeitsentwurf der Zeit als auch gegen den apollinischen Archetyp der akademischen Tradition, indem sie sich ihr eigenes muskulöses, viriles, im mehrfachen Sinne verlockendes Männlichkeitsideal vorstellten, das zwischen den Rollen eines hegemonialen Handlungssubjekts und eines erotischen Schaulustobjekts oszillierte. Zu diesen ‚Rebellen‘ gehörten Alexandre Cabanel, William Bouguereau, Henri Regnault und Joseph Blanc – allesamt künftige Stars des französischen Salons, die heute in erster Linie für ihre zahlreichen reizvollen Göttinnen, Nymphen und Odalisken bekannt sind. Obwohl sie als junge Männer den nackten männlichen Körper als künstlerisches Ausdrucksmittel ganz enthusiastisch verarbeitet haben, wurden sie später durch die Realien des Kunstmarkts, die bürgerliche Moral sowie auch durch die Ablehnung ihrer ambigen Männlichkeitsbilder seitens ihrer Alma Mater entmutigt – was ihre ausdruckskräftigen frühen Werke umso spannender macht.
Diese Dissertation untersucht dementsprechend das Phänomen der hypermaskulinen Männerakte an der Académie de France à Rome aus einer interdisziplinären kunst- und geschlechterhistorischen Perspektive und stellt unter anderem die Fragen nach den gesellschaftlichen und ästhetischen Grenzen der darstellbaren Männlichkeit um 1850 sowie nach der Rolle des akademischen Männeraktes und der Académie des Beaux-Arts in der Konstruktion, Interpretation und Reproduktion von Männlichkeitsentwürfen in der visuellen Hochkultur des 19. Jahrhunderts. Die Aufarbeitung dieser Fragestellungen erfolgt anhand der traditionellen kunsthistorischen Methoden im größeren theoretischen Rahmen der Gender Studies und der Männlichkeitsforschung: Ikonographie, Stilanalyse, Kunsttheorie sowie die Studien des sozialhistorischen Kontexts werden dabei als Werkzeuge der kritischen queerfeministischen Kunstanalyse verwendet.