Tagungen zu Wiener Kunsthistorikerinnen

Erica Tietze-Conrat

Erica Tietze-Conrat

Während manche berühmte Kunsthistoriker der „Wiener Schule der Kunstgeschichte“ sogar mit eigenen Denkmälern geehrt wurden, ist eine solche Ehre wenigen Wissenschaftlerinnen der Wiener Universität erst seit kurzem zuteil geworden. Nicht zuletzt das Schicksal der Emigration und in einzelnen Fällen auch der Ermordung führte dazu, dass viele dieser Kunsthistorikerinnen auch biographisch aus dem Bewußtsein verschwunden sind.

Diesen Mangel wenigstens teilweise zu beseitigen, hat sich der Verband österreichischer Kunsthistoriker und Kunsthistorikerinnen mit seiner Tagung „Great Female Art Historians / Große Kunsthistoriker*Innen" vom 4.-7. November 2021 vorgenommen. Vorträge sind u.a. anderen den Wiener Absolventinnen Melanie Stiaßny, Stella Kramrisch (der gerade eine Dissertation gewidmet wurde), Erica Tietze-Conrat (Abbildung), Anna Spitzmüller, Friederike Klauner (Abbildung), Margarethe Demus-Witternigg (Abbildung), Alma S. Wittlin und Renate Wagner-Rieger gewidmet. Ein Auswahl der Beiträge konnte im Journal of Art Historiography (Dec23) publiziert werden. Am Institut wird am 6. November die von Heidrun Rosenberg und Fani Gargova organisierte Ausstellung „Von Irene Adler bis Hilde Zaloscer. Kunsthistorikerinnen aus der ‚Wiener Schule‘ 1905-1980“ eröffnet werden.

Begleitend dazu entstand eine Initiative von Heidrun Rosenberg, um die mangelnde Berücksichtigung der österreichischen Kunsthistorikerinnen im Internetlexikon „Wikipedia“ mit neuen Lebensgeschichten auszugleichen. Unter dem Namen „Edit-a-thon/Female Art Historians In Blue“ hat sich eine kleine Gruppe mit professionellen Teilnehmerinnen aus Wien, Linz und Berlin zur Bearbeitung dieser Biographien zusammengefunden. Bisher wurden folgende verstorbene Kunsthistorikerinnen erstmals bearbeitet bzw. vorhandene Einträge erweitert: Selma Krasa-Florian; Magda Starkenstein; Elizabeth Sgalitzer Ettinghausen; Hedwig Gollob; Karin Pernegger und Wiltrud Topić-Mersmann.
 
Tatsächlich gab es auch in der Nachkriegszeit in Wien zahlreiche Studentinnen der Kunstgeschichte, die auch Karriere machten. Ein Foto einer unbekannten institutsfeier um 1965 zeigt etwa folgende Personen (Abbildung): v.l.n.r Heine Swoboda (die Gattin des Ordinarius), Erika Neubauer (Gartenkunsthistorikerin und Schwiegermutter von Artur Rosenauer), Walter Koschatzky, Erna Lifschetz, Waltraud Blauensteiner (Bundesdenkmalamt), Gertrude Tripp (Bundesdenkmalamt), Dr. N. Höfer; stehend: Hilde Lenzen-Buschhausen, Margaretha Vyoral-Tschapka (Bundesdenkmalamt), Anton Rohrmoser, Robert Herzig, Johann Kugler, Ute Demelius, Johann Sturm und Magdalena Hörmann-Weingartner.

Der erste weibliche „Ordentliche Universitätsprofessor“ für Kunstgeschichte an der Universität Wien, Renate Wagner-Rieger, wäre am 10. Jänner dieses Jahres 100 Jahre alt geworden, und hat nicht nur durch das ihr gewidmete Tor am Universitäts-Campus ihre Spuren in der Stadt Wien hinterlassen. Aus diesem Anlass beleuchtet eine Internetkonferenz am 11. und 12, November 2021 Werk und Wirkung der international renommierten Kunst- und Architekturhistorikerin. Die Beiträge diskutieren Wagner-Riegers inhaltliche und methodische Ausrichtung sowie ihren nachhaltigen Einfluss auf nachfolgende kunst- und architekturhistorische Forschungen. Dabei steht ausgehend von einer biografischen Würdigung die beeindruckende Breite der von Wagner-Rieger behandelten Themengebiete, die von der mittelalterlichen Baukunst über das barocke Schloss bis zu den innovativen Schwerpunkten in der Neubewertung der historistischen Kunst des 19. Jahrhunderts reichen, im Zentrum der Vorträge.

Renate Wagner-Rieger ist einer breiteren Öffentlichkeit in erster Linie wegen ihres wichtigen Anteils an der Wiederentdeckung des Historismus des 19. Jahrhunderts bekannt. Das von ihr zwischen 1969 und 1981 herausgegebene monumentale elfbändige Werk „Die Wiener Ringstraße. Bild einer Epoche“ markiert bis heute ein grundlegendes Referenzwerk der kunsthistorischen Forschung zur Architektur- sowie der Denkmalgeschichte Wiens. Aus einer leidenschaftlichen Wertschätzung für die Architektur des 19. Jahrhunderts erklärt sich zudem ihr tatkräftiger Einsatz für die Erhaltung des Stadtbildes Wiens und ihre Unterstützung gefährdeter Bauten auch auf europäischer Ebene. Im wissenschaftlichen Diskurs war sie darüber hinaus mit Kolleginnen und Kollegen in den Nachbarländern Österreichs eng vernetzt. Aus genderhistorischer Perspektive ist schließlich ihre starke Rolle als weibliche Gelehrte in einer damals noch vorwiegend von Männern dominierten wissenschaftlichen Community zu thematisieren.

Die Tagung, die vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die Wagner-Rieger zu ihren Mitgliedern zählen durfte, veranstaltet wird, versucht nicht zuletzt auch der Frage des Einflusses ihrer zahlreichen Schriften auf die kunsthistorischen Forschungen der Länder Zentral- und Ostmitteleuropas nachzugehen. Aus dieser umfassenden Perspektive soll insgesamt deutlicher werden, in welcher Hinsicht der Wiener Ordinaria eine Schlüsselstellung in der Geschichte der jüngeren Wiener Schule der Kunstgeschichte zukommen kann. Die Veranstaltung findet online als Zoom-Konferenz statt. Nach Anmeldung erhalten Sie per e-mail zeitnah den Authentifizierungslink, um an der Konferenz teilzunehmen. Das Programm finden Sie hier!

 


Friedrich Polleroß, Werner Telesko    Fotos: Institut für Kunstgeschichte