Hans Buchwald (*1933 - †2013)


        In der Person von Hans Buchwald verbanden sich zwei Biographien: Er war Architekt und Kunsthistoriker mit einem Schwerpunkt in der Bauforschung. Er lebte als Amerikaner meistens in Europa und hier im deutschsprachigen Bereich. dennoch bevorzugte er immer das Englische als Kommunikations- oder Publikationssprache. An der Universität Stuttgart  lehrte er zwischen 1970 und 2000 Architektonisches Entwerfen und Architektonische Theorie, arbeitete aber seit 1954  auch parallel als Architekt in verschiedenen Büros und von 1985 – 2000 selbständig (CDE Prof. Buchwald GmbH, Consulting – Design – Engineering). Hans Buchwald lebte nicht nur in Stuttgart, sondern seit dem Ende der 1970er Jahre auch wieder in Wien. Hier  widmete er sich neben all seinen anderen Tätigkeiten mit zunehmender Intensität der Erforschung byzantinischer Architektur. Wie kam es zu dieser Mannigfaltigkeit?

       Hans Buchwald wurde 1933 in Wien geboren. In Wien verbrachte er auch seine ersten Lebensjahre. 1940 gelang der Familie Buchwald die durch rassenpolitische Verfolgung notwendig gewordene Zwangs-Emigration in die USA. Pittsburgh wurde die neue Heimat von Hans Buchwald, in welcher er zwischen 1951 und 1956 auch sein Studium der Architektur mit dem Bachelor of Arts absolvierte. Auf besonderen Wunsch seines Vaters besuchte Hans Buchwald nach dem zweiten Weltkrieg erstmals 1956 die Geburtsstadt Wien, Hier nahm er neben einer Tätigkeit in einem Architekturbüro gewissermaßen aus Unterbeanspruchung gleichzeitig das Studium der Kunstgeschichte auf, welches ihn schließlich zur intensiven Begegnung mit der byzantinischen Kunst führte. Otto Demus betreute seine Doktorarbeit zum Thema “The Carved Stone Ornament of the High Middle Ages in San Marco, Venice”, die Hans Buchwald 1962 abschloß, bevor er zwischen 1963 und 1967 zuerst als Instructor, dann als Assistant Professor und schließlich 1972 nochmals als Guest Professor am Carpenter Center for the Visual Arts an der Harvard University in Cambridge, Mass. unterrichtete. Zwischenzeitlich hatte er weitere praktische Erfahrungen in Architekturbüros in Cambridge, Mass. (bei Walter Gropius) und in Wien (bei Karl Schwanzer) gewonnen. Seit 1970 wurde Stuttgart der Ort seines Kontinuums, hier lehrte und arbeitete er, hier verehelichte er sich mit Carla Grazia Wiig aus Stockholm und gründete eine Familie.
 
        In der gelebten beruflichen Vielfalt lassen sich charakteristische Kontinuitäten in den Forschungsinteressen von Hans Buchwald feststellen: Schon der erste Ausstellungskatalog befaßte sich mit der Frage nach Proportionen in der Architektur (Proportion, a Measure of Order, Exhibition Catalogue, Harvard University, 1965, Eduard F. Sekler, planning and direction, Hans Buchwald, research and design, Albert B. Gregory, design and installation). Dieses Thema nahm Hans Buchwald seit 1992 systematisch wieder auf. "The Geometry of Middle Byzantine Churches and Some Possible Implications (1992) untersucht die Anwendung des Quadratursystems im mittelbyzantinischen Kirchenbaus, "Notes on the Design of Aisled Basilicas in Asia Minor" (1995) fragt nach den Proportionen bei spätantiken Bauten. In jüngster Zeit und publizierte gerade in den letzten Jahren intensiv dazu (“Christian Basilicas, Proportions, Pythagoras and Vitruvius,” (2012); “Design Procedures in the Production of Christian Basilicas, Constantinople : Rome – East : West, a Dichotomy?” Byzantium and Renaissances. Dialogue of Cultures, Heritage of Antiquity – Tradition and Modernity. Conference at University of Warsaw, Poland, 19-21 October, 2011 (Warsaw, 2012); Hans Buchwald and Irina Zavadskaya, “Numeric Proportions of Christian Basilicas of Crimea - 4th to 7th Centuries,” Materials in Archaeology, History and Ethnology in Tauria 13 (2013).) Ohne seine Ideen im Detail zu erläutern, beschäftigte er sich in den Wiener Bibliotheken der Archäologie, Kunstgeschichte und Byzantinistik eingehend mit Fragen der pythagoreischen Zahlenlehre und hier ganz besonders mit der Tetraktys. Ohne das weiter zu erläutern, wurde in allen Gesprächen der letzten Zeit deutlich, daß er hierin einen wesentlichen Schlüssel zum Verständnis des Kirchenbaus in der Spätantike sah. So kündigte er als Titel seines geplanten Buchprojekts auch nichts weiter an als „On Numeric Proportions in Christian Basilicas“.

        Ein anderes thematisches Kontinuum war die praktische Bauforschung, die ihn vor allem in die Türkei führte. Schon früh legte er als Ergebnis unmittelbarer Untersuchungen eine sorgfältige Baumonographie zu einem mittelbyzantinischen Kirchenbau an der Südküste des Marmarameeres vor (The Church of the Archangels in Sige near Mudania (Böhlau Verlag, Vienna, 1969). Intensiv war er auch an den Ausgrabungen der Harvard Universität in Sardis beteiligt. Ein seit langem abgeschlossenes Manuskript seiner Forschungen wartet in diesen Wochen auf den Druck (The Churches of Sardis. Archaeological Exploration of Sardis Monograph (Harvard University Press, Cambridge, Mass.). Seine eigene architektonische Erfahrung führte dazu, daß Hans Buchwald immer sehr originäre  Beobachtungen und Meinungen verfolgte, die nie einem geisteswissenschaftlichen ‚Mainstream‘  entsprachen. So fanden sich seine Ideen in umfangreichen Aufsätzen wieder, wie  "The First Byzantine Architectural Style, Evolution or Revolution?"  Jahrbuch der österreichischen  Byzantinistik  32/5 (1982)  Akten des XVI. internationalen Byzantinistenkongresses  II/5, 33-45, "Western Asia Minor as a Generator of Architectural Forms in the Byzantine Period, Provincial Back-wash or Dynamic Center of Production?",  Jahrbuch der österreichischen Byzantinistik   34 (1984) 199-234, der einzige Aufsatz in deutscher Sprache "Der Stilbegriff in der byzantinischen Architektur",  Jahrbuch der österreichischen  Byzantinistik  36 (1986) 303-316 und "Criteria for the Evaluation of Transitional Byzantine Architecture," W. Hörandner, J. Koder, O. Kresten, eds., Festschrift Andrias. Herbert Hunger zum 80. Geburtstag.  Jahrbuch der  österreichischen Byzantinistik  44 (1994) 21 – 31.

        Die Wertschätzung, die Hans Buchwald im internationalen Kollegenkreis zukam, wird auch darin deutlich, daß 1999 viele seiner Aufsätze in den Variorum Collected Studies Series unter dem Titel „Form, Style and Meaning in Byzantine Church Architecture“ (Ashgate Publishers, Aldershot) neu aufgelegt wurden. Den hier ausgewählten Aufsätzen fügte er darin einen weiteren originären Beitrag: „Retrofit, Hallmark of Byzantine Architecture?“ hinzu.

        Hans Buchwald war lebhaft interessiert an neuer Forschung aber auch am intensiven Gedankenaustausch mit Fachkollegen. So nahm er nach der Auflösung seines Architekturbüros rege an Fachtagungen in den USA und in Europa teil, reiste viel und sehr bewußt, um damit weitere, ihm bis dahin noch unbekannte Kunstdenkmäler zu erschließen. Nur in einem Fall kehrte er zu seiner Planungstätigkeit zurück. Auf Anregung seines Freundes Wolfgang G. Fischer plante er das Denkmal für die zwischen 1933/34 und 1945 ausgegrenzten – vertriebenen – ermordeten Absolventinnen und Absolventen des Kunsthistorischen Instituts der Universität Wien, welches 2008 vor dem Institut für Kunstgeschichte in Hof 9 des Campus der Universität enthüllt werden konnte.

        In den vergangenen Jahren band Hans Buchwald an Wien immer wieder die gute Forschungsmöglichkeit aber auch der intellektuelle Austausch mit Freunden und Kollegen. Vor allem aber auch das unerschöpfliche musikalische Angebot, welches er gemeinsam mit Grazia Buchwald intensiv  wahrnahm. In den letzten Wochen war er darüber hinaus voll freudiger Erwartung auf die Geburt seines ersten Enkelkindes. Ein unglücklicher Sturz riß ihn jäh mitten aus seiner Wiener Forschungstätigkeit. Glücklicherweise erlebte er noch wenige Tage vor seinem Tod die Geburt seiner Enkeltochter Zoe!  Am 31. Oktober ist Hans Buchwald in Wien gestorben.

 

Lioba Theis