Vorbild Prag. Studierende der Karlsuniversität in Wien

Knapp ein Monat nach dem Besuch ungarischer KollegInnen fand vom 26. bis 28. November 2008 ein erstes Treffen von Kunstgeschichte-Studierenden der Universitäten Wien und Prag statt. Die von der Stiftung "Aktion Österreich-Tschechische Republik" finanzierte Begegnung führte eine Gruppe von KollegInnen der ältesten deutschen Universität – der 1348 gegründeten Karlsuniversität – an unser Institut.
Die Studierenden aus Prag hatten selbst einige Referate vorbereitet, die sich insbesondere mit spätmittelalterlichen Kunstwerken Wiens bzw. Österreichs beschäftigten (siehe Programm). Sie setzen sich also aktiv mit jener Zeit auseinander, als unter Kaiser Karl IV. Prag zur Reichsmetropole aufstieg und der Schwiegersohn des Herrschers, Herzog Rudolf IV. von Österreich, sowie dessen unmittelbare Nachfolger das Prager Vorbild kopierend bzw. damit rivalisierend auch Wien zu einem Zentralort ausbauen wollten: Während die Aufwertung Österreichs zum Erzherzogtum und Wiens zum Bischofssitz scheiterten, waren der Ausbau von St. Stephan zu einer Erzherzogskathedrale“ und die Gründung der Universität Wien im Jahre 1365 von Erfolg gekrönt.
Wie die Organisatorin des Treffens, Dr. Maria Theisen, ausführte, sollen aber damit „nicht alte Zeiten der über Jahrhunderte die Nachbarn auch kulturell prägenden Herrscherhäuser nostalgisch heraufbeschworen werden, die die heutigen Staaten und ihre Bewohner in stets wechselnden Machtverhältnissen verbanden und trennten, sondern zukunftsgerichtet die modernen Möglichkeiten für Studium, Forschung und erfolgreiche Zusammenarbeit in unserem Fach vorgeführt werden“. Die Aktion wird daher auch von den beiden Institutsvorständen Prof. Dr. Lioba Theis/Wien und Prof. Dr. Jiří Kuthan/Prag unterstützt.
In diesem Zusammenhang soll auch an die historisch vielfältigen, wenn auch nicht immer problemfreien Verbindungen zwischen den Kunsthistorikern in Wien und Prag erinnert werden. Von Beginn an zog das Wiener Institut Studenten aus Böhmen und Mähren an, darunter einen der wichtigsten Vertreter der älteren „Wiener Schule der Kunstgeschichte“ Max Dvořák (1874-1921), dessen Berufung an die Wiener Universität 1905 allerdings von Protesten deutschnationaler Kreise überschattet wurde. Der Prager Karl Maria Swoboda (1889-1977) unterrichtete 1934-45 an der Deutschen Universität in Prag und wurde 1945 als Nachfolger des abgesetzten Hans Sedlmayr Vorstand des Wiener Institutes. Seit den 1960er Jahren hatte der Wiener Ordinarius und Spezialist für die Prager Skulptur und Buchmalerei der Epoche Karls IV., Gerhard Schmidt, enge Kontakte zu den tschechischen Kollegen, während umgekehrt der Prager Barockforscher Pavel Preiss ein gern gesehener Gast in Wien war. Heute verfügt unser Institut mit der Bibliothekarin Venceslava Orlinski, der Assistentin Petra Kalousek sowie dem Dozenten Petr Fidler über gleich drei tschechischsprachige MitarbeiterInnen, und die Zahl tschechischer Stipendiaten in Wien wächst kontinuierlich.
Friedrich Polleroß  Fotos: Friedrich Polleroß/René Scholz/Kristóf Viola

Programm

Mittwoch, 26.11.:
Vormittag: Ankunft und Besichtigung der Mittelaltersammlung des Belvedere.
Referate der Prager KollegInnen über den Meister von Großlobming (Srovnal) und den Znaimer Altar (Kaňková, beide in tschechischer Sprache). Danach Führung in das Schatzhaus Mittelalter (Unteres Belvedere) durch Dr. Veronika Pirker-Aurenhammer, Kuratorin der Mittelalterabteilung des Belvedere
Nachmittag: Besichtigung der Kirchen Minoritenkirche und Maria am Gestade, gemeinsam mit Gastprof. Doz. Dr. Marc Carl Schurr und Dr. Maria Theisen.
Abends: Besuch der Van Gogh-Ausstellung, Albertina
Donnerstag, 27.11.:
Vormittag: Besichtigung des Stephansdoms (inkl. Friedrichsgrab), gemeinsam mit Dr. Maria Theisen. Referate der KollegInnen Šmíd: Architektur; Ryantová: Riesentor; Zemanová: Bischofstor; Uhrovič: 1. Hälfte 14. Jahrhundert; Haragová: Meister Pilgram; und Slávková: Skulptur des 16. Jahrhunderts. Gefolgt von einem Überblicksvortrag von PhDr. Michaela Ottová (tschechisch).
Nachmittag: Treffen in der Diasammlung bei Dr. Friedrich Polleross. 14.30 – Möglichkeiten im Rahmen des Erasmus-Programms für Studierende, vorgetragen von Mag. Julia Rüdiger; 15.00 – Begrüßung der Gäste durch Institutsvorständin Prof. Dr. Lioba Theis. – Anschließend Besichtigung des Instituts und der Fachbereichsbibliothek (Führung durch OR Mag. Dr. Venceslava Orlinski-Raidl, tschechisch).
Abends: Besuch des Kunsthistorischen Museums, Referate der Prager KollegInnen Veselá, Kortus, Kolbabová und Bulínová. Abschließender Vortrag von Mag. Magdaléna Hamsíková (tschechisch).
Freitag, 28.11.:
Vormittag: Besichtigung der Fresken im Haus Tuchlauben und Augustinerkirche – gemeinsam mit Dr. Maria Theisen.
Nachmittag: 13.15 – Besuch der Handschriftensammlung (Böhmische Buchmalerei, vorgeführt durch Dr. Maria Theisen)
Abreise