Rolling Stones der Kunstgeschichte. Goldene Doktordiplome für Hans Buchwald, Jörg Garms und Rudolf Preimesberger


Nicht nur die Rolling Stones feiern heuer ihr 50-jähriges Berufsjubiläum, sondern auch drei international renommierte Kunsthistoriker. Da sie vor 50 Jahren an unserem Institut ihr Studium abgeschlossen haben, wurden sie am 21. November 2012 im Rahmen einer Feier mit der Verleihung des Goldenen Doktordiploms geehrt. Nach der Begrüßung durch Institutsvorstand Univ.-Prof. Dr. Raphael Rosenberg, wurden die drei „Golddoktoren“ kurz gewürdigt und anschließend hielten sie kleine Ansprachen.

Univ.-Prof. Dr. Michael Viktor Schwarz stellte den alphabetisch ersten und ältesten Ehrenpromovenden, Hans Herbert Buchwald, vor und betonte zwei Aspekte: die Flucht vor dem Nationalsozialismus in die USA, die 1947 zur amerikanischen Staatsbürgerschaft und zu lebenslanger Publikation in englischer Sprache geführt hat, sowie die vielen Kollegen unbekannte Doppelbegabung als Architekt und Kunsthistoriker. Tatsächlich musste der 1933 in Wien geborene Hans Buchwald schon als Siebenjähriger Österreich verlassen. Ab 1951 studierte er Architektur an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, PA, ab 1956 Kunstgeschichte in Wien. 1962 promovierte er hier mit der Dissertation  “The Carved Stone Ornament of the High Middle Ages in San Marco, Venice”. 1964-72 unterrichtete er am Carpenter Center for the Visual Arts der Harvard University in Cambridge, MA (teilweise gemeinsam mit Eduard Sekler und James Ackerman). 1970-2000 wirkte er als Professor für Architektonisches Entwerfen und Architektonische Theorie an der Universität in Stuttgart.
Parallel dazu betätigte sich Hans Buchwald seit 1954 auch als praktischer Architekt in amerikanischen, italienischen und österreichischen Ateliers u.a. bei Walter Gropius in Cambridge sowie bei Karl Schwanzer in Wien. 1985-2000 unterhielt er zusätzlich eine eigene Firma CDE Prof. Buchwald GmbH, Consulting – Design – Engineering in Stuttgart, wobei er vorwiegend Stadt- und Spitals- planungen betrieb. Auf Buchwalds Entwurf geht auch das Denkmal für die vertriebenen und ermordeten Kunst- historikerInnen im Hof 9 des Wiener Universitätscampus zurück.
Das neben der architektonischen Planungstätigkeit quantitativ zurücktretende wissenschaftliche Werk umfasst zunächst Werke am Schnittpunkt der beiden Begabungen, nämlich Ausstellungskataloge über Architekturproportion und den Thonet-Stuhl. Das Hauptthema von drei Büchern und mehreren Dutzend Aufsätzen Buchwalds bilden jedoch die Skulptur von San Marco in Venedig sowie die Geschichte der byzantinischen Architektur.
Hans Buchwald dankte seinem Hauptlehrer Karl Maria Swoboda, mit dem er gut ausgekommen sei. und seinem Dissertationsbetreuer Otto Demus, aber auch seinen damaligen Studienkollegen. Erst die alten Fotos asiatischer Kirchen hätten die Begeisterung für die byzantinische Kunst geweckt und ihn dazu gebracht, das nur zur Überbrückung gedachte Kunstgeschichtestudium auch abzuschließen.   

Ein besonderes Interesse an Architektur kennzeichnet auch den zweiten Jubilar, Jörg (Georg-Michael) Garms, der von Emer. Univ.-Prof. Dr. Hellmut Lorenz gewürdigt wurde. Die Bescheidenheit und „Dienstleistung“ für Kollegen durch die Publikation von unbekannten Archivalien sowie das Engagement für die Lehre seien ebenso zu loben wie die wissenschaftliche Verankerung zwischen Wien, Paris und Rom. Jörg Garms wurde 1936 in Theuma (Sachsen) geboren und wuchs nach 1945 in Österreich auf. Ab 1955 studierte an der Wiener Universität Kunstgeschichte und Geschichte, während dreier Semester auch in Paris. Er wurde 1962 mit einer Dissertation über den lothringischen Hofarchitekten Germain Boffrand promoviert. Es folgten Stipendien am Österreichischen Kulturinstitut in Rom sowie eine vierjährige Tätigkeit als Assistenzprofessor an der Université de Montréal. Von September 1968 bis zu seiner Pensionierung Ende 2001 wirkte Prof. Garms als wissenschaftlicher Beamter am Österreichischen Historischen Institut in Rom. 1975 habilitierte er sich an unserem Institut für Neuere, 1981 auch für Mittelalterliche Kunstgeschichte; 1988 erhielt er den Titel „Außerordentlicher Professor“. Neben seiner Lehrtätigkeit in Wien und einer einjährigen Vertretung in Straßburg unterrichtet er auch noch immer an der Università di Roma III. Die internationale Anerkennung des Kunsthistorikers belegen auch ein Senior Visiting Fellowship am CASVA in Washington (1982), die Mitgliedschaft bei der Accademia Nazionale di San Luca (1995) sowie die Verleihung des Premio Daria Borghese im selben Jahr.
Der Schwerpunkt von Jörg Garms in Forschung und Lehre liegt bei der Architektur des 17. und 18. Jahrhunderts in Frankreich, Italien und Österreich. Er hat aber auch über römische Skulptur des Mittelalters, über römische Veduten sowie über österreichische Architektur und Malerei des 19. Jahrhunderts publiziert. Dementsprechend finden sich unter seinen fast 150 Veröffentlichungen auch zahlreiche Werke in französischer und italienischer Sprache.
Der Geehrte verwies ebenfalls auf seinen nicht immer einfachen Lehrer Swoboda, und betonte die Rolle des Österreichischen Historischen Instituts in Rom als Außenstelle für begabte Wiener Kunsthistoriker. Gerne erinnere er sich auch an ein von ihm gehaltenes Juvara-Seminar, dessen Absolventen heute an den Universitäten in Basel, Berlin, Darmstadt, Fribourg, Hamburg und Wien tätig seien.

Die Bedeutung als Lehrer bzw. die große Zahl erfolgreicher Schüler strich auch Univ.-Prof. Sebastian Schütze als Laudator des Berliner Emeritus Rudolf Preimesberger heraus und er konnte dies aus eigener Erfahrung bestätigen. Wissenschaftlich habe der Gelehrte neue Wege der Berniniforschung erschlossen, die päpstliche Kunstpatronage wieder zu einem wichtigen Thema gemacht und die in der Kunst visualisierte Kunsttheorie an vielen bedeutenden Beispielen erforscht. Ein entsprechender Sammelband mit Preimesbergers Aufsätzen in englischer Sprache wurde erst 2011 von Getty publiziert. Der 1936 in Oberösterreich geborene Rudolf Preimesberger hatte ab 1955 an der Universität Wien Kunstgeschichte und Geschichte studiert. Er promovierte 1962 mit „Studien zur barocken Plastik in Genua“. Nach der Assistententätigkeit an unserem Institut von 1963-66 übersiedelte er nach Rom, wo er zunächst am Österreichischen Kulturinstitut und von 1968-72 an der Bibliotheca Hertziana (Max-Planck-Institut) tätig war. In München wirkte Preimesberger von 1972-79 als stellvertretender Direktor am Zentralinstitut für Kunstgeschichte und habilitierte sich 1978 mit Forschungen zur Kunstpolitik der römischen Familie Pamphilij. 1979 wurde er an die Freie Universität Berlin berufen. Nach einem Aufenthalt am Institute of Advanced Study in Princeton und einem Abstecher in die Schweiz als Ordinarius an der Universität Zürich, kehrte er nach zehn Jahren an die Freie Universität zurück. 1996 lehnte er einen Ruf nach Wien ab und begründete stattdessen in Berlin das interdisziplinär ausgerichtete Italienzentrum. Nach seiner Emerititierung 2001 folgten Gastprofessuren an der Università della Sapienza in Rom sowie an den Universitäten Basel, Jena und Bern. Der Kunsthistoriker ist seit 1992 Korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, war 1994-98 Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Bibliotheca Hertziana und 1996-2000 Hauptgutachter des Fachausschusses der DFG. 2003/4 war er Scholar in Residence am Getty Research Institute in Los Angeles und 2007/8 Samuel H. Kress Professor am CASVA in Washington.
Ausgehend von seiner Dissertation hat sich Rudolf Preimesberger vorwiegend mit italienischer Barockskulptur beschäftigt, dabei jedoch Rhetorik und Poetik als Grundlagen einer Wirkungsästhetik der frühneuzeitlichen Kunst sowie den jeweils historischen Kontext einbezogen. Von Bernini und Algardi erweiterte er seine Überlegungen auf die Malerei, wobei neben Jan van Eyck, Albrecht Dürer und Raffael zuletzt Caravaggio im Mittelpunkt seines Interesses stand.
Prof. Preimesberger widmete sich in seiner Dankesrede noch ausführlicher dem gemeinsamen Lehrer Karl Maria Swoboda, der ebenso schwierig wie inspirierend gewesen sei. Das seinerzeit bei der Verleihung von dessen Goldenem Doktordiplom geäußerte Bonmot von den „Träumen und Trümmern“ einer wissenschaftlichen Karriere könne er heute gut nachvollziehen. Unter dem Motto „Die Minne wächst mit der Entfernung“ wolle er außerdem nicht nur seinen Dank für sein „Happy Exile“ Wien, sondern auch seinen Respekt vor der Leistung der „Wiener Schule der Kunstgeschichte“ zum Ausdruck bringen.

Den Abschluss der Feier bildete ein Festvortrag des Vorsitzenden des Deutschen Kunsthistorikerverbandes, Univ.-Prof. Dr. Georg Satzinger von der Universität Bonn, über Tieopolos Fresken in der Würzburger Residenz und deren politische Bedeutung -ein zuerst bildliches und dann auch akademisches Feuerwerk unter dem von Balthasar Neumann entlehnten Glückwunsch "Vita et felicitas"!

Friedrich Polleroß   Fotos: Friedrich Polleroß, UNIDAM, Verlage