Neuerscheinungen unserer ehemaligen InstitutsmitarbeiterInnen zur Kunst des Mittelalters


Fast fünf Jahre nach dem Tod unserer früheren Ao. Professorin Michaela Krieger (1956-2007) konnte nun deren im Jahre 2004 abgeschlossenene Habilitation "Stilkritische Überlegungen zu Gerard Horenbout und zum Meister Jakobs IV. von Schottland“ im Druck erscheinen. Der damalige Institutsvorstand Univ.-Prof. Dr. Viktor Michael Schwarz hatte beim Begräbnis bzw. bei der Gedenkfeier versprochen, sich um die Publikation der Qualifizierungsarbeit der Verstorbenen zu kümmern, und in den folgenden Jahren haben die Buchmalereispezialistinnen des „Pächtarchives“ das Lektorat und die Bildredaktion übernommen. Das Ergebnis liegt nun im Böhlau-Verlag in Form eines fast 600 Seiten und über 250 Abbildungen umfassenden Buches vor. Die Illustration der Publikation durch gute Farbbildungen der schönen Handschriften war vor allem durch die dankenswerte Unterstützung der Österreichischen Nationalbibliothek und durch einen finanziellen Beitrag der Familie der Verstorbenen möglich geworden.
Die Miniaturen, die dem Anonymus mit dem Notnamen Meister Jakobs IV. von Schottland und/oder dem gut dokumentierten Künstler Gerard Horenbout zugeschrieben werden, gehören nämlich zu den faszinierendsten Beispielen flämischer Buchmalerei um 1500. Die genaue stilkritische Analyse, deren Möglichkeiten und Grenzen im vorliegenden Buch ausgelotet werden, führt Leser und Betrachter in das zentrale Problem der Gestaltung der dreidimensionalen Wirklichkeit ein. Zugleich wird ein Eindruck von der Arbeitsweise des Buchmalers und von den Entwicklungs- prozessen vermittelt, denen er und seine Mitarbeiter unterworfen waren. Die zahlreichen Abbildungen unterstützen nicht nur die Argumentation. Sondern bieten auch einen visuellen Zugang zur überaus reichen flämischen Handschriftenproduktion dieser auch für die Ausbildung unserer heutigen Sehgewohnheiten wichtigen Zeit.
Mit der 100 Jahre älteren Tafelmalerei beschäftigt sich hingegen das ebenfalls im Böhlau-Verlag erscheinende Buch „Die Wiener Tafelmalerei der Gotik um 1400“ von Jörg Oberhaidacher, das am 18. Oktober im Bundesdenkmalamt vorgestellt wurde. Dr. Oberhaidacher war von 1975-2004 Leiter der Fotosammlung unseres Institutes gewesen. Der Band zeichnet ein neues Bild der Wiener Tafelmalerei der Gotik um 1400. Die Untersuchung berücksichtigt besonders die Grundlagen, wie die Kriterien der Lokalisierung nach Wien, aber auch die Rolle von Wanderkünstlern, die für die Verbreitung der Kunst um 1400 wichtig waren. Für die Entstehung der unverwechselbaren Wiener Malerei gleichermaßen bedeutend sind die Verschiebung in der gesellschaftlichen Stellung der Vertreter der Künste, die in Wien zur Bildung von freien Arbeitsgemeinschaften niedergelassener Maler nach Pariser Vorbild führte, und die Fühlungnahme mit der internationalen Kunst um 1400. Als besonderer Glücksfall für die Kunstgeschichte kann hierbei der Nachweis einer zweiten vielköpfigen Arbeitsgemeinschaft für Wien neben der bekannten Großwerkstatt erbracht werden, wodurch sich die Kenntnis der Wiener Malerei beträchtlich erweitert und vertieft. Dagegen kann die frühere Vielfalt an Einzelmeistern mit Notnamen auf weniger Künstlerpersönlichkeiten reduziert werden. Ein Werkverzeichnis aller Tafelbilder vervollständigt die Untersuchung.
Von 2001 bis 2010 war auch das Forschungsprojekt „Corpus der deutschen und niederländischen Zeichnungen 1350-1500“ an unserem Institut ansässig, welches unter der Leitung von Univ.-Doz. Doz. Fritz Koreny von Dr. Erwin Pokorny, Dr. Georg Zeman und Dr. Eva Michel durchgeführt worden war. Als erste Frucht dieser langjährigen Arbeit erschien heuer im renommierten belgischen Brepols-Verlag der in Zusammenarbeit mit Erwin Pokorny entstandene Katalog der Zeichnungen von Hieronymus Bosch, seiner Werkstatt und seiner Nachfolge bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Hieronymus Bosch (um 1450/60-1516) schuf mit der Erfindung phantastischer, von Dämonen und anthropomorphen Monstren bevölkerter Szenarien eine Bildwelt des Unheimlichen von suggestiver Eindringlichkeit. Doch nicht nur als Maler wirkte Bosch bahnbrechend, er zählt auch als Zeichner zu den Pionieren altniederländischer Kunst, deren früheste autonome Zeichnungen ihm zugeschrieben werden. Die Publikation bildete die erste umfassende Zusammenstellung der Zeichnungen des Meisters und seiner Werkstatt sowie Beispiele der frühen Bosch-Rezeption. Das 450 Seiten dicke Buch bietet auf 450 Farbabbildungen alle Zeichnungen von Hieronymus Bosch und seiner Nachfolge in Originalgröße sowie zahlreiche Vergleichsabbildungen.
 

Friedrich Polleroß  Fotos: Verlage, Institut, Eva Grohs, Friedrich Polleroß