Wiener Schule unterm Matterhorn. Unsere AbsolventInnen in der Schweiz
Anlässlich der Übersiedlung von Prof. Dr. Sebastian Egenhofer aus Basel, wo er 2005 promovierte und seit 2007 eine Assistenzprofessur innehatte, nach Wien zu Ende des WS 2011/12 scheint es naheliegend, den kunsthistorischen Kontakten zwischen den beiden Ländern nachzuspüren. Die Beziehungen der Wiener Schule der Kunstgeschichte mit der Schweiz waren nie sehr intensiv, reichen aber lange zurück. So promovierte etwa der Winterthurer Hans Robert Hahnloser (1899-1974) 1926 bei Julius von Schlosser mit einer Arbeit über das Bauhüttenbuch des Villard d’Honnecourt und war dann auch einige Jahre als unbezahlter Assistent an unserem Institut tätig. Er war 1934-68 Ordinarius an der Universität Bern und ein Jahr auch Rektor seiner Universität. Gemeinsam mit seinem Doktorvater unternahm Hahnloser mehrere Forschungsreisen, deren Fotodokumentationen 2005-2007 aufgearbeitet und ausgestellt wurden – bezeichnenderweise von zwei ehemaligen Studierenden unseres Institutes. Es waren dies die aus der Schweiz stammende heutige Bibliotheksleiterin des Berner Institutes Agatha Rihs (Trouvaillen zu Julius von Schlosser und Hans R. Hahnloser aus den Tiefen des Archivs des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Bern. Eine Ausstellung anlässlich des einhundertjährigen Jubiläums des Institut für Kunstgeschichte Bern, Bern 2005) sowie der Dozent an der Zürcher Hochschule der Künste Harald Krämer (Connaisseure unterwegs. Die Reisen von Hans R. Hahnloser und Julius von Schlosser zu kulturellen Stätten im Europa der zwanziger Jahre, Zentralbibliothek, Universität Bern 2007-2008).
Von 1967 bis 1974 hatte der Wiener Schatzkunstspezialist und Emeritus unseres Institutes Hermann Fillitz eine Professur an der Universität Basel inne, und damals zog es auch wieder mehrere Schweizer nach Wien, vor allem zum Studium bei Univ.-Prof. Dr. Otto Pächt. Genannt seien etwa die dann in Wien ansässig gewordene und auch bei uns unterrichtende Prof. Dr. Daniela Hammer-Tugendhat und der Fotospezialist Dr. David Streiff, 1981-91 Direktor des Filmfestivals in Locarno sowie von 1994-2005 Direktor des Schweizer Bundesamtes für Kultur. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Preimesberger, der 1962 an unserem Institut promoviert hat, wurde 1983 ans Kunsthistorische Institut der Universität Zürich berufen und unterrichtete dort bis 1989.
Eine verstärkte Tätigkeit Wiener Kunsthistoriker in der Schweiz ergab sich jedoch erst in den letzten Jahren. Den Auftakt machte die Wienerin Marianne Koos, die ab 1999 in der Schweiz Lehraufträge hatte und von 2002-10 Assistentin an den Universitäten Basel, Zürich und Fribourg war. Dort hat sie sich 2010 bei Univ.-Prof. Dr. Victor I. Stoichita auch habilitiert. Koos’ Publikationen wurden 2003 mit dem Prix ART-FOCUS (senior) der Vereinigung der Kunsthistoriker in der Schweiz (VKKS) und 2008 mit dem Prix Jubilé der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) ausgezeichnet.
Der Wiener Ralph Ubl folgte seiner Studienkollegin in den Westen und hat nach seiner Assistententätigkeit an unserem Institut und einer Professur an der HdK in Berlin von 2003-2006 jene Laurenz-Professur für zeitgenössische Kunst besetzt, die zuletzt Prof. Egenhofer innegehabt hat. Nach Professuren in Karlsruhe und Chicago kehrte Ubl 2010 als Ordinarius für Neuere Kunstgeschichte an die Universität Basel zurück und wurde auch Direktor des Nationalen Forschungsschwerpunktes (NFS) 'Bildkritik'.
Unser Dissertant Stefan Neuner folgte Ralph Ubl 1999 als Assistent von Univ.-Prof. Dr. Friedrich T. Bach nach und wirkte 2005-2010 als Wissenschaftlicher Assistent am Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich. Seit 2007 war er außerdem wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theorie der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich sowie 2009-2010 wissenschaftlicher Assistent (ERC-Assistent) am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Neuzeit am Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich im Rahmen des ERC-Projekts "An Iconology of the Textile in Art and Architecture". Zuletzt arbeitete er mit Ubl nicht nur bei mehreren Publikationen zusammen, sondern auch beim Nationalen Forschungsschwerpunkt „Eikones“ in Basel.
Aus dem Schüler- und Assistentenkreis von Prof. Bach stammt auch Anette Freytag, die seit 2005 Assistentin für Landschaftsarchitektur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich ist und dort ihre Dissertation über den Schweizer Landschaftsdarchitekten Dieter Kienast geschrieben hat.
Friedrich Polleroß Fotos: Karl Pani, Friedrich Polleroß, UNIDAM