Professor Konrad Oberhuber (1935-2007)
Professor Konrad Oberhuber (1935-2007)
Am 12. September ist Professor Dr. Konrad Oberhuber im Alter von 72 Jahren nach längerer schwerer Erkrankung in seinem Wohnort San Diego in Kalifornien verstorben. Der frühere Direktor der Albertina und Dozent am Institut für Kunstgeschichte wurde 1935 in Linz geboren und studierte ab 1953 an der Wiener Universität Kunstgeschichte, Archäologie, Psychologie und Philosophie. Daneben machte er eine Ausbildung zum Dolmetscher für Englisch. 1959 wurde Oberhuber mit einer Dissertation über den Hofmaler Kaiser Rudolfs II., Bartholomäus Spranger, promoviert. Nach einer Tätigkeit als Assistent an unserem Institut wirkte er von 1961-64 unter Direktor Otto Benesch als Kustos in der Graphischen Sammlung Albertina. Im Studienjahr 1964/65 war Oberhuber Assistent Professor am Smith College in Northampton MA, 1966 Assistent am Harvard Center für Renaissance Studien an der Villa i Tatti in Florenz, 1968 Gastprofessor in Cambridge und 1971 habilitierte er sich an der Universität Wien mit dem 1972 publizierten Corpus-Band der späten Raphael-Zeichnungen, einem "Markstein in der Geschichte der Raphaelforschung" (Gutachten von Prof. Otto Pächt).
International bekannter Kunsthistoriker...
Ebenfalls im Jahr 1971 wurde Konrad Oberhuber als Zeichnungskurator an die National Gallery of Art in Washington berufen. Nach einem Forschungsstipendium am Institute for Advanced Study in Princeton wurde er 1975 Professor an der Harvard University und Ian-Woodner-Curator der graphischen Sammlung am Fogg Art Museum in Cambridge, MA. Oberhubers Museums- und Lehrtätigkeit hat zweifellos die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Medium der Zeichnung und Grafik in den USA gefördert. Seine Studentinnen Suzanne Folds McCullogh, Carmen C. Bambach und Laura M. Giles betreuen heute die bedeutenden graphischen Sammlungen im Art Institue Chicago, im Metropolitan Museum in New York sowie im Princeton University Art Museum. Oberhubers Dissertant John T. Spike ist seit 1989 General Editor des graphischen Corpuswerkes The Illustrated Bartsch. Seine in Wien bekanntesten Schüler sind der Regisseur Peter Sellars, der Leiter des "A Flowering Crowned Hope Festival" im Rahmen des Mozartjahres 2006, sowie der Professor an der Yale University Christopher Wood, der 1991 bei Oberhuber eine Dissertation über die Landschaftsdarstellungen Albrecht Altdorfers abschloss und sich als "Enkelschüler" der "Wiener Schule der Kunstgeschichte" auch wissenschaftlich mit dieser befasst hat (The Vienna School Reader: Politics and Art Historical Method in the 1930s, New York 2000).
1988 wurde Konrad Oberhuber der Titel "A.o. Universitätsprofessor" verliehen und 1989 wurde er von Bundesminister Dr. Erhard Busek zum Direktor der Albertina ernannt. Er leitete die damals noch als Graphische Sammlung weltweit berühmte Institution bis 1999. Oberhubers Direktionszeit, die in der "Wiener Zeitung" (offensichtlich im Unterschied zu jener seines Nachfolgers) als "sympathisch chaotisch" charakterisiert wurde, brachte vor allem eine Erweiterung des Sammlungsbestandes in Richtung Moderne. Sein Verdienst ist es, dass die Albertina heute die bedeutendste Sammlung von Zeichnungen und Druckgrafiken Oskar Kokoschkas besitzt. Oberhuber kaufte umfangreiche Konvolute von amerikanischen Künstlern wie Robert Rauschenberg, Sol LeWitt oder Andy Warhol, baute aber auch den größten Bestand an osteuropäischer Grafik außerhalb Polens, Ungarns und Tschechiens auf. Darüberhinaus förderte er die damals von Doz. Dr. Richard Bösel geleitete Architekturabteilung und ermöglichte Ankäufe und zahlreiche Ausstellungen (u.a. im Looshaus).
Als Direktor der Albertina war Prof. Oberhuber die Erforschung der Sammlungen ein Hauptanliegen, wobei in seiner Direktionszeit erstmals nach über 50 Jahren wieder Sammlungskataloge (der italienischen, französischen und deutschen Zeichnungen) erschienen sind. Außerdem leitete er die Digitalisierung der Bestände ein. Auch die dringend notwendige Sanierung des Gebäudes wurde von Direktor Oberhuber in Angriff genommen, wobei er sich zunächst den vordringlichen Aufgaben eines sicheren Depots und eines zeitgemäßen Studiensaales widmete. Für seine Verdienste erhielt Konrad Oberhuber 2001 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen. Leider wurden sowohl die Digitalisierung als auch die Ausstellungen der Architektursammlung nach Oberhubers Abgang eingestellt, und der Studiensaal ist nach wie nicht in Betrieb, sodass eine der weltweit wichtigsten graphischen Sammlungen seit fast einem Jahrzehnt für die Forschung unzugänglich ist.
Von den Ausstellungen Konrad Oberhubers in der Albertina sind vor allem "Humanismus in Bologna 1490-1510" (1988, gemeinsam mit Marzia Faietti), "Fürstenhöfe der Renaissance. Giulio Romano und die klassische Tradition" (1989; gemeinsam mit Sylvia Ferino-Pagden) sowie "Raphael und der klassische Stil in Rom 1515-1527" (1999, gemeinsam mit Achim Gnann) zu erwähnen, deren sorgfältig erarbeitete Kataloge eine wissenschaftlich weitaus längere Halbwertszeit aufweisen als die heute üblichen bunten Kunsthallenbilderbücher. Die römische Hochrenaissance bildete auch das Zentrum der wissenschaftlichen Forschungen von Konrad Oberhuber und sie gipfelte in der Raphael-Monographie von 1999. Daneben galt Oberhubers Interesse bedeutenden Vorgängern und Zeitgenossen seines "Helden" wie Mantegna, Michelangelo, Parmigianino, Tizian oder Giorgione, aber auch der niederländischen Zeichenkunst sowie der Graphik des 20. Jahrhunderts. In einer Pressemitteilung würdigte der gegenwärtige Albertina-Direktor Dr. Klaus Albrecht Schröder seinen Vorgänger als einen der "renommiertesten Zeichnungskenner und bedeutendsten Kunsthistoriker unserer Zeit. Seine Zeichnungskenntnisse waren universell, erstreckten sich auf alle Länder und Epochen. Sie gründeten auf einzigartigen Fähigkeiten des Sehens und einem nahezu unerschöpflichen visuellen Gedächtnis. Er hat dabei in seinen zahlreichen Schriften Methoden der Analyse von Kunstwerken entwickelt, die seine Vorgehensweise erläutert haben. Sein Herangehensweise erschöpfte sich keineswegs im Kennerschaftlichen, sondern strebte nach dem Erfassen des Kunstwerks in seiner Gesamtheit."
Erwähnenswert scheint auch der Versuch Oberhubers in seinem eigenen wissenschaftlichen "Spätwerk", die Anthroposophie des Waldviertler Philosophen Rudolf Steiner auf die kunsthistorische Arbeit zu übertragen, und etwa die Lehre von den siebenjährigen Lebenszyklen oder der geographischen Ausrichtung als Methode zur Datierung und Lokalisierung von Kunstwerken heranzuziehen.
...und begeisternder Lehrer an unserem Institut
Von 1989 bis 1999 hielt Professor Oberhuber regelmäßig Lehrveranstaltungen an unserem Institut ab, und er betreute während dieser Zeit nicht weniger als 55 Magister- und 11 Doktorarbeiten. Er konnte seine Studenten nicht nur durch die direkte Konfrontation mit den Originalen im damals noch zugänglichen Studiensaal der Albertina begeistern, sondern als "Seismograph des Unwegbaren" (G. Swoboda) sehr eindrucksvoll auch die Lust und Sinnhaftigkeit der Beschäftigung mit graphischer Kunst vermitteln. Darüberhinaus hat er auch immer wieder seine Studenten in Ausstellungsprojekte eingebunden. Diese fachlichen und menschlichen Qualitäten des Lehrers Konrad Oberhuber fanden offensichtlich bei seinen Schülern einen fruchtbaren Boden und auch seine Begeisterung für die angloamerikanische Kunstwelt scheint ansteckend gewesen zu sein. Zu seinen bekanntesten Wiener SchülerInnen zählen Florian Härb, der heute als Zeichnungsspezialist bei Colnaghi, einem der weltweit traditionsreichsten Kunsthändler, in London arbeitet, Heinz Widauer (Albertina Museum), Andrea Jungmann (Leiterin von Sothebey's Wien), Mathias Müller (Mitarbeiter der Dürer-Ausstellungen in Bremen und Budapest), Rhoda Eitel-Porter, seit 2004 Leiterin der Abteilung für Zeichnungen und Druckgraphik der Morgan Library in New York, Gudrun Swoboda (Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums), Susanne Schröer-Trambowsky (Bildwissenschaftlerin in Bonn), Georg Traska (u.a. Assistent in Trier sowie Wien und Mitarbeiter des Sigmund-Freud-Museums in Wien), Mechthild Widrich (Dissertantin am Department of Architecture des MIT/Massachusetts Institute of Technology) und Nora Fischer (Da-Ponte-Institut, Vorstandsmitglied des österreichischen Kunsthistorikerverbandes).
Nach seinem Abgang von der Albertina widmete sich Professor Oberhuber wieder der Lehrtätigkeit vor allem im Ausland, unter anderem als Gastlektor für Kunstgeschichte an der International Christian University in Tokio. "Damit konnte ich Abstand zu dem gewinnen, was in Wien vorging", sagte Oberhuber anlässlich seines 70. Geburtstages. Denn: "Natürlich geht mir die Albertina ab, mit all ihren wunderbaren Forschungsmöglichkeiten und der herrlichen Sammlung."
Friedrich Polleroß