Pionierin der feministischen Kunstgeschichte in Österreich. Staatspreis für Prof. Hammer-Tugendhat
Der Gabriele Possanner-Staatspreis 2009 zur Auszeichnung von Personen aus dem Bereich Forschung und Lehre, deren wissenschaftliche Leistungen die Geschlechterdemokratie fördern, wurde vor kurzem an die auch seit langem an unserem Institut lehrende Professorin Dr. Daniela Hammer-Tugendhat verliehen. Der mit 10.000,– Euro dotierte Staatspreis wird alle zwei Jahre auf Vorschlag einer Jury verliehen, während die mit je 3.000,– Euro dotierten Förderpreise für eingereichte Arbeiten vergeben werden. Die Auszeichnung wurde 1997 in Gedenken an Gabriele Possanner von Ehrenthal
eingerichtet, der 1897 als erster Frau ein akademischer Grad durch eine Universität in Österreich verliehen worden war. Am 5. März 2010 wurde der Preis im Rahmen eines Festaktes durch Wissenschaftsministerin Dr. Beatrix Karl überreicht.
Daniela Hammer-Tugendhat wurde 1946 in Caracas (Venezuela) geboren und studierte Kunstgeschichte sowie Archäologie an den Universitäten Bern und Wien. Sie promovierte 1975 und habilitierte sich 1994 an unserem Institut. Seit 1998 Professorin an der Universität für angewandte Kunst in Wien hatte sie auch Gastprofessuren und Lehraufträge an den Universitäten Frankfurt/M., Oldenburg, Basel und Salzburg. Prof. Hammer-Tugendhat ist darüber hinaus Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Wien-Museums, Beirätin der Frankfurter Kulturwissenschaftlichen Beiträge, Redakteurin der „Zeitschrift für Kulturwissenschaften“, seit 2009 für fünf Jahre Mitglied im ERC (European Research Council) in Brüssel für den Advanced Grant, Vorstandsmitglied des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften (IFK) und Fellow am Zentrum zur Erforschung der Frühen Neuzeit der Universität Frankfurt/Main.
Die Verleihung des Gabriele Possanner-Staatspreises würdigt Daniela Hammer-Tugendhats Lebenswerk als Pionierin der feministischen Kunstgeschichte in Österreich. Seit den 1980er-Jahren hat sie wesentlich dazu beigetragen, dem Fach Kunstgeschichte nicht nur an unserem Institut, sondern im ganzen deutschsprachigen Raum ein neues, genderspezifisches Profil zu geben. Diese Vorgangsweise etablierte "gender" als historisch gewordene, sozial und diskursiv produzierte Kategorie. Hammer-Tugendhats Studien zu Geschlechterkonstruktionen decken ein weites Spektrum ab, sie erstrecken sich vom Hochmittelalter bis ins 19. Jahrhundert mit einem Schwerpunkt in der Niederländischen Malerei, vor allem des 17. Jahrhunderts. Diesem Bereich ist auch ein vor kurzem erschienenes Buch gewidmet.
Laut Begründung der Jury zeichnen sich Hammer-Tugendhats Publikationen und Forschungsarbeiten „durch die für ein kritisches feministisches Wissenschafts- und Gesellschaftsverständnis charakteristische enge Verbindung von theoretischer Analyse und politischem Engagement aus“. Neben der Forschungs- und Lehrtätigekeit wurde auch das jahrzehntelange Engagement der Kunsthistorikerin in universitätspolitischen Frauenangelegenheiten gewürdigt. Ihrer Initiative war es zu verdanken, dass 1991 zwei Gleichbehandlungsstellen in der Österreichischen Rektorenkonferenz und dann die ersten drei Interuniversitären Koordinationsstellen für Frauenforschung in Wien, Linz und Graz geschaffen wurden. Heute sind die Koordinationsstellen im Universitätsgesetz normiert und aus der österreichischen Universitätslandschaft nicht mehr wegzudenken.
Friedrich Polleroß