650 Jahre Universität & 150 Jahre Ringstraße. KunsthistorikerInnen als AusstellungskuratorInnen

Schon mit dem Neujahrskonzert am 1. Jänner 2015 wurden Millionen ZuschauerInnen darüber informiert, dass die Wiener Universität heuer ihren 650. und die Ringstraße ihren 150. Geburtstag feiern. Doch diese Anlässe verdienen auch wissenschaftliche Ausstellungen, an denen Kunsthis-torikerInnen unseres Institutes wesentlich beteiligt sind.

Am 29. Jänner wurde in den Seitenvestibülen beim Haupteingang die Ausstellung „Universität Wien – das Hauptgebäude an der Ringstraße“ eröffnet, die sich dem architektonischen Sitz der Universität widmet.  Am 1. Mai 1865 wurde der neue Boulevard feierlich eröffnet, und ab 1869 entstanden erste Entwürfe für ein Bürgerforum im Ringstraßenkontext, das neben Rathaus und Parlament auch die Universität umfassen sollte. Der Wiener Architekt Heinrich von Ferstel plante nach technisch modernsten Maßstäben einen Monumentalbau, der stilistisch an die Renaissance erinnern sollte. Architektonische Planungen, Archivnotizen und Zeitungsausschnitte eröffnen einen Blick in die gemeinsame Geschichte der Ringstraßenanlage und in den Neubau der Universität Wien. Die weitere Geschichte erzählt vom Skandal um die Fakultätsbilder von Gustav Klimt bis zum  Entstehen des heutigen Erscheinungsbildes. Die Ausstellung wurde von unserer früheren Assistentin und Projektmitarbeiterin Dr. Julia Rüdiger gestaltet, die sich schon in ihrer demnächst im Druck erscheinenden Dissertation, im Rahmen eines Forschungsprojektes und im Buch „Stätten des Wissens“ mit der Thematik beschäftigt hat. Auch in einem kleinen Dokumentarfilm hat sie das Gebäude präsentiert.

An den „schwierigen Start“ des Unternehmens und die erste Blüte, nämlich ins 14. und 15. Jahrhundert, führt die Sonderausstellung „Wien 1365. Eine Universität entsteht“ zurück, die am 5. März im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek eröffnet werden konnte. Die Idee zur Ausstellung stammt von Univ.-Prof. Dr. Michael Viktor Schwarz, die Ausstellungsleitung lag bei der freischaffenden Kunsthistorikerin Mag. Heidrun Rosenberg, die dafür vom Rektorat angestellt wurde. Der Direktor der Handschriftensammlung der ÖNB Dr. Andreas Fingernagel und Mag. Friedrich Simader, beide Absolventen unseres Institutes, kümmerten sich um die Handschriften. Schon im Rahmen der Vorbereitung waren zahlreiche Kunstwerke und Archivalien im Universitätsarchiv von unseren Fotografen Karl Pani und René Steyer aufgenommen worden. Ein Teil dieser Bilder ist seit kurzem auch im Stiegenhaus unseres Institutes zu sehen.

Bei der feierlichen Eröffnung, die im Beisein zahlreicher Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens stattfand, bedankte sich Rektor der Universität Wien, Magnifizenz Univ.-Prof. Dr. Heinz W. Engl, beim damaligen Dekan Schwarz und Frau Rosenberg für die Initiative zu dieser Ausstellung, die u.a. die „Erste Wiener Mathematische Schule“ und Wien als Zentrum der Naturwissenschaften präsentiere. Denn schon bald nach der Gründung unterrichteten „Spitzenforscher“ wie Johann von Gmunden oder Georg Peuerbach in Wien und lockten Studierende aus ganz Europa an.   

Die Ausstellungskuratorin Heidrun Rosenberg stellte in ihrer Rede das Konzept und die fünf Themen vor, die in der von der  Universität Wien und der Österreichische Nationalbibliothek gemeinsam durchgeführten Ausstellung mit über 100 Exponaten vom Mittelalter bis zur Renaissance präsentiert werden: 1. Stadt und Stifter, 2. Hof und Universität, 3. Studium und Lernorte, 4. Exzellenzforschung und Medien 5. Internationale Mobilität.

Gezeigt werden u.a. der von Herzog Rudolf IV. eigenhändig unterzeichnete Stiftungsbrief, dessen Format die üblichen Vitrinen sprengte. Denn die rund einen Quadratmeter große und mit drei fein gearbeiteten Siegeln ausgestattete Urkunde ist weitaus mehr als die bloße Willensbekundung eines Herrschers: sie ist zugleich Programm, Botschaft und Vermächtnis. Wien sollte mit einer eigenen Universität für alle sichtbar in eine traditionsreiche Ahnenreihe treten, die von Athen über Rom nach Paris reichte. Damit wollte Rudolf nicht nur seine eigene Residenzstadt aufwerten, sondern auch in Konkurrenz zu seinem Schwiegervater Kaiser Karl IV. treten, der 1348 im nicht weit entfernten Prag selbst eine Universität gegründet hatte. Nicht nur historisch, sondern auch kunsthistorisch höchst bedeutsam ist das Porträt Herzog Rudolfs IV., das erste europäische Bildnis im Halbprofil, dem Prof. Schwarz im Katalog einen Aufsatz gewidmet hat. Dazu werden zahlreiche Schätze aus der Frühzeit der Universität vorgestellt wie das Zepter der Artistenfakultät aus vergoldetem Silber, das aufgrund des Zopfes der Hl. Katharina eine Stiftung von Herzog Albrecht III. „mit dem Zopf“ sein dürfte, sowie das älteste Universitätssiegel, welches sich nicht am Prager, sondern am Pariser Vorbild orientierte.

Die Ausstellung präsentiert außerdem Prachthandschriften aus mehreren Jahrhunderten mit beeindruckenden Illuminationen, hochkarätige wissenschaftliche Werke mit faszinierenden Darstellungen aus Theologie, Optik, Astronomie oder Medizin ebenso wie studentische Schriften mit manch derber Federzeichnung, die Kurator Andreas Fingernagel in seiner Rede vorstellte. Der von Heidrun Rosenberg und Michael Viktor Schwarz herausgegebene Ausstellungskatalog erschien in deutscher und englischer Ausgabe im Brandstätter Verlag, und entält auch einen Aufsatz unseres Institutsvorstandes Univ.-Prof. Dr. Markus Ritter über das iranische Leichentuch des Universitäts- gründers, der schon mit 26 Jahren unerwartet in Mailand gestorben ist.

Im Rahmen der Lehrveranstaltung „ Kuratieren im Raum der Stadt“ im WS 2014/15 unter der Leitung von Heidrun Rosenberg und Michaela Rotsch erarbeiteten die Studentinnen Florentine Muhry, Lisa Charlotte Sonnberger und Martina Schöggl das Projekt "#wien1365". Dieses sollte  universitäre Orte im Stadtbild Wiens sichtbar machen und außerdem Aufmerksamkeit für die Ausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek generieren. Blaue Kreidetags mit dem Schriftzug "#wien1365" markierten in den Tagen rund um die Eröffnung der Ausstellung die aktuellen rund 60 Standorte der Universität Wien, während rund 30 Orte, an denen die mittelalterliche Universität beheimatet war, mit dem Schriftzug in goldener Farbe gekennzeichnet wurden.


Friedrich Polleroß   Fotos: APA/Hinterramskogler, Institut für Kunstgeschichte, Friedrich Polleroß, Universität Wien