Realismus & Aufklärung im Barock. IFK-Dissertationsstipendien für Andreas Gamerith und Daphne Jung

Das seit Mai 2011 mit der Kunstuniversität Linz kooperierende „Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaften“ (IFK) wurde nicht nur vorübergehend von Hans Belting geleitet, sondern holt immer wieder auch renommierte KunsthistorikerInnen nach Wien – im letzten Sommersemester war dies der Emeritus Martin Warnke, in diesem Wintersemester wird seine Hamburger Kollegin Monika Wagner an der Donau tätig sein. Und obwohl auch unsere Dozentin Dr. Daniela Hammer-Tugendhat im Vorstand des IFK sitzt, finden sich unter den Junior Fellows eher selten Kunsthistoriker bzw. Dissertierende unseres Institutes wie 2001/2 Georg Vasold, dessen Dissertation auch in der Reihe des IFK veröffentlicht wurde.

Heuer können wir stolz sein, dass gleich zwei Studierende unseres Institutes mit einem einjährigen Doktorandenstipendium ausgezeichnet wurden. Diese werden an DissertantInnen mit österreichischer Staatsbürgerschaft bzw. DoktorandInnen an österreichischen Universitäten (bis zum 35. Lebensjahr) mit einem interdisziplinäres Forschungsprojekt aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften vergeben. Das monatliche Stipendium beträgt € 1.200,- und ist mit einem Arbeitsplatz am IFK mit EDV und Internet-Zugang verbunden. Für Nichtwiener gibt es außerdem eine monatliche Wohnbeihilfe von € 370,-.

Andreas Gamerith
wurde 1980 in Horn geboren und schon während seiner Kindheit und Zeit als Sängernknabe im Stift Altenburg mit der klösterlichen Kultur und der Malerei Paul Trogers vertraut gemacht. 1998 begann er das Studium an unserem Institut, ab 2003 war er als Studienassistent in der Diasammlung tätig. Seine 2008 bei Prof. Dr. Monika Dachs-Nickel eingereichte Diplomarbeit war „Paul Troger und Wien“ gewidmet. Doch schon während des Studiums hat er sich über Österreich hinaus einen Namen als Fachmann für die Malerei des 18. Jahrhunderts gemacht und neben der Mitarbeit bei mehreren Ausstellungen – zuletzt im Diözesanmuseum St. Pölten – auch auf Tagungen in Bratislava, Brno, in Langenargen am Bodensee und in der Bibliothek Oechslin in Einsiedeln vorgetragen. Daneben war Andreas Gamerith an unserem Institut auch als Sänger bei Weihnachts- und Gedenkfeiern aktiv, zuletzt 2010. Seit heuer hält Mag. Gamerith die Überblicks- vorlesung zur Kunst zwischen 1600 und 1800 an der Akademie der bildenden Künste in Wien.

Seine Dissertation widmet sich „Aufgeklärten Tendenzen im Rahmen eines klösterlichen Bildprogramms am Beispiel des Stiftes Altenburg“. Die Ausstattung dieses Stiftes, zu dessen Ikonographie Gamerith bereits im Rahmen einer Monographie publiziert hat und die er uns beim Institutsausflug 2010 näher gebracht hat, nimmt durch ihre philosophische Konzeption eine Sonderstellung in der mitteleuropäischen Klosterlandschaft ein. Denn sie bezieht sehr früh Stellung gegen die triumphale Bildpropaganda der katholischen Reform. Die erstmalige Dechiffrierung des Bildprogrammes in diesem Sinn erfüllt das kunstwissenschaftliche Desiderat, die geistes- geschichtliche Umbruchszeit vom gegenreformatorischen Barock in die frühe Moderne anhand eines künstlerischen Ensembles nachzuvollziehen.

Daphne Jung
wurde 1983 in Salzburg geboren und studierte von 2002 bis 2010 Kunstgeschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien. Während ihres Studiums machte sie Praktika am Museum der Moderne in Salzburg sowie in der Generali Foundation und arbeitete als Führerin in der Albertina sowie auf der Art Basel. Trotz dieses Engagements im Bereich der zeitgenössischen Kunst schrieb sie ihre Diplomarbeit bei Prof. Dr. Julia Gelshorn jedoch über „Taktilität und Sichtbarkeit in den Magdalenendarstellungen von Georges de la Tour". In diesem Sommer hat Frau Jung an der von Prof. Gelshorn mitbetreuten Sommerschule des IFK in Maria Taferl teilgenommen.

Ihre Dissertation über „Realismuskonzepte in der europäischen Malerei des 17. Jahrhunderts“ wird die in der Diplomarbeit begonnene Thematik bei Georges de la Tour sowie im größeren Rahmen der sogenannten "caravaggistischen" Malerei fortführen. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass die Bildräume der realistischen Malerei einerseits eine oft hyperrealistische Wirklichkeit vorführen, andererseits aber auf etwas verweisen, das sich dieser dokumentarischen Sichtbarmachung entzieht und als im Bild Verborgenes inszeniert wird. Sowohl das unmittelbar Evidente als auch das Undarstellbare werden so in eine betont artifizielle Bildwelt eingespeist, die doch zugleich mehr als je zuvor alltags- und wirklichkeitsnah sein möchte. Dieser Mischform, die unterschiedliche, oft divergierende Wissensordnungen zugleich ins Bild setzt, welche sich im epistemologischen Übergang zur Moderne ausdifferenzieren, aber diskursiv verflochten bleiben, möchte das Forschungsprojekt nachgehen.



Friedrich Polleroß      Fotos:   Friedrich Polleroß, René Steyer, UNIDAM