Sommer, Kunst und Wissenschaft? UniversitätslehrerInnen arbeiten auch in den Ferien


UniversitätslehrerInnen werden oft mit dem Unwissen bzw. Vorurteil konfrontiert, dass sie ebenso wie die PflichtschullehrerInnen die monatelangen Sommerferien nur zu ausgiebiger Erholung nutzen würden. Abgesehen von der Tatsache, dass an den Universitäten auch reguläre Prüfungen in den Ferien abgehalten werden, dient diese Zeit auch der Lektüre von schriftlichen Arbeiten der Studierenden. Darüberhinaus haben viele MitarbeiterInnen unseres Instituts die Sommermonate jedoch auch heuer wieder für wissenschaftliche Projekte, Tagungen und Vorträge genutzt.
Unser Dekan, Univ.-Prof. Dr. Michael Viktor Schwarz, ging sozusagen mit gutem Beispiel voran und hat im Juni am Zentralinstut für Kunstgeschichte in München einen Vortrag aus dem Bereich seines Forschungsschwerpunktes Giotto unter dem Titel „Padua, seine Arena und die Arena-Kapelle: ein liturgisches Ensemble“ gehalten.
Knapp vor Ferienbeginn referierte Univ.-Prof. Dr. Sebastian Schütze bei der Internationalen Tagung “The Secret Lives of Art Works: Exploring the Boundaries between Art and Life” vom 24.-26. Juni 2010 an der Universität Leiden über „Likeness. The Poetics of Absence and Presence in 17th Century Portraiture“, während. unsere neue Spezialistin für zeitgenössische Kunst, Prof. Dr. Julia Gelshorn, an der Hochschule für bildenden Künste in Hamburg im Rahmen der Tagung "Formen und Foren des Künstlergesprächs seit Vasari“ über „Das Interview als künstlerische Erzählform“ sprach.
Anfang Juli ging es dann Schlag auf Schlag: Am ersten Ferientag führte ein Ausflug fast 50 MitarbeiterInnen des Institutes ins Waldviertel zu einer „Übung vor Originalen“ unter sachkundiger Führung. Darüber hinaus ermöglichte diese Exkursion die Erweiterung unserer Bilddatenbank UNIDAM um zahlreiche schöne Originalfotos der Kremser Gozzoburg, des Stiftes Altenburg (Abb. 1) sowie der Objekte von Daniel Spoerri und Eva Aeppli (Abb. 2).
Am 2. d. M. referierte Univ.-Prof. Dr. Friedrich Teja Bach beim Jahreskongress des Deutschen Forums für Kunstgeschichte/Centre Allemand de l’Histoire de l’Art in Paris zum Thema „Poiesis – Über das Tun in der Kunst“ über „Die Qualität des Konstruktiven bei Albrecht Dürer“. Der Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 7.7. (Abb. 3) über diese Veranstaltung würdigte die neuen Erkenntnisse von Prof. Bach als „analytisches Bravourstück im Handumdrehen. Rühmten Klibansky, Panofsky und Saxl in ihrer kanonischen Studie ‚Saturn und Melancholie’ noch die ‚ganz exakten Flächen’ der Komposition, so kam Bach, der genauer hingesehen hatte, zu einem anderen Befund“.
Am 5. Juli hielt Prof. Gelshorn, einen Gastvortrag beim Exzellenznetzwerk „Aufklärung – Religion – Wissen“ an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zum Thema „Die Grazie der Neugier“.
Vom 4. – 9. Juli fand auf unserem Campus die 20. Internationale Konferenz der „European Association for South Asian Archaeology and Art“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Deborah Klimburg-Salter statt, die 260 ForscherInnen aus 27 Ländern vereinigte (Abb. 5). Die MitarbeiterInnen der Forschungsgruppe von Prof. Klimburg-Salter waren dabei nicht nur organisatorisch tätig, sondern Dr. Erika Forte, Mag. Regina Höfer, Mag. Kerstin Schödl, Mag. Susanne Novotny, Mag. Petra Müller, Mag. Verena Ziegler und Mag. Linda Loida stellten ihre Forschungs- ergebnisse auch durch Referate bzw. Poster zur Diskussion. Den Auftakt der Konferenz bildete die Eröffnung einer Fotoausstellung in unserer Aula (Abb. 4), und im Rahmen der Tagung wurde am 6. Juli im Museum für Völkerkunde auch die von unserer Assistentin Mag. Regina Höfer und ihren Studierenden gestaltete Ausstellung „Imperial Sightseeing“ eröffnet. An der Konferenz nahmen auch acht KuratorInnen des Kabul Museum teil, die vom 30. Mai bis 12. Juli ein von der Gerda-Henkel-Stiftung finanziertes Kuratorentraining am Institut, am Kunsthistorischen Museum sowie am Joanneum in Graz absolvierten.
Asien stand auch im Zentrum einer internationale Tagung vom 10.-12. Juli in Heidelberg anlässlich der Emeritierung des Spezialisten für asiatische Kunst Prof. Dr. Lothar Ledderose. Dabei sprach der vor einem Jahr von der Heidelberger Universität nach Wien berufene Univ.-Prof. Dr. Raphael Rosenberg – zwischen Hans Belting und Horst Bredekamp – zum Thema „When Art History was Global“ (Abb. 6 + 7).
Mitte Juli verbrachte Dr. Friedrich Polleroß einige Urlaubstage beim deutschen Michael Imhof Verlag in Fulda, um die Produktion seines im Herbst erscheinenden Buches „Die Kunst der Diplomatie. Auf den Spuren des kaiserlichen Botschafters Leopold Joseph Graf von Lamberg (1653-1706)“ voranzubringen (Abb. 8). Dem wissenschaftlichen Sommervergnügen der Druckfahnen- korrektur frönte auch Prof. Dr. Martina Pippal, deren im vergangenen Forschungsfreisemester erarbeiteter Kommentarband zum Faksimile des „Sakramentars Heinrichs II.“ (Abb. 10; Faksimile Verlag, Gütersloh) am 22. September im Rahmen eines Symposiums in der Bayerischen Staatsbibliothek in München präsentiert werden wird. Den Urlaub in Sizilien nutzte Martina Pippal zur Vorbereitung der dritten Auflage des UTB-Buches "Kunst des Mittelalters. Eine Einführung" (Abb. 9).
Prof. Dr. Wolfram Pichler war als einer von drei Leitern für das 33. Wittgenstein-Symposium verantwortlich, das vom 8.-14. August in Kirchberg am Wechsel (Abb. 11) stattfand. Der Bogen der 35 Nationen der Gelehrten reichte geographisch von Brasilien bis Neuseeland und ideologisch von Israel bis zum Iran. Gemeinsam diskutierten die 270 Tagungsteilnehmer aus unterschiedlichen Disziplinen „Bild und Bildlichkeit“ in seiner ganzen Vielfalt von Wittgensteins Bildtheorie bis zu den „Bildern des Bösen“ und „Luftgebäuden“(Abb. 12).
Unsere Institutsvorständin Univ.-Prof. Dr. Lioba Theis widmete erfreulicherweise ihr Freisemester einer „Summer School“ im fernen Athen (Abb. 13 + 14). Vom 14. -29. August wurde dort nämlich am Österreichischen Archäologischen Institut ein „schweißtreibender“ Sommerkurs für Studierende der Archäologie und Byzantinistik abgehalten. Gemeinsam beschäftigten sich die beiden Disziplinen mit „Heiligtümern in Athen von den Anfängen bis in die Gegenwart“.
Am 16. September wird im Stift Stams das Kurzinventar der illuminierten Handschriften der Stiftsbibliothek vorgestellt (Abb. 15), das die MitarbeiterInnen unseres Pächt-Archivs, Dr. Maria Theisen und Dr. Martin Roland, erstellt haben.
Univ.-Ass. Dr. Georg Vasold, der erst im Juni einen guten Vortrag am Institut gehalten hatte, hat gemeinsam mit Doz. Dr. Werner Telesko die Tagung „Stadtleben und Residenz im Wien des 19. Jahrhunderts“ vom 16.-17. September an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vorbereitet, bei der die emeritierten Professoren Artur Rosenauer und Hellmut Lorenz als Sektionsmoderatoren fungieret haben. Die beiden Initiatoren referierten in diesem Rahmen über „Die Hofburg und die Mobilität des Blicks im 19. Jahrhundert“ bzw. „Zu einigen Konstruktionen visueller Images der Wiener Residenz“ (Abb. 16).

Unser fleißigster Dozent scheint überhaupt das Ende der vorlesungsfreien Zeit nicht mehr erwarten zu können und bietet daher schon im September Vorträge im Wochenrhythmus an: im Rahmen der vom 23.-25. September an unserer Fakultät stattfindenden Tagung „Historia als Kultur“ spricht er nämlich über die Ausstattung der Stiftskirche in Melk unter Abt Dietmayr (Abb. 17). Bei der zur gleichen Zeit in St. Pölten stattfindenden und dem u.a. in Melk tätigen Architekten Jakob Prandtauer gewidmeten Tagung werden hingegen unsere Lektoren Dr. Herbert Karner und Mag. Dr. Huberta Weigl mitwirken.

Am 2. Oktober werden Prof. Rosenberg und seine Assistentin, Mag. Caroline Fuchs, in Regensburg im Rahmen der Tagung "Aesthetic Cognition and Cognitive Aesthetics" des Themenverbundes "Sehen und Verstehen" der Universität Regensburg unter dem Titel „Eye Movements and the Composition of Paintings“ über neue Erkenntnisse des Blicklabors berichten. Prof. Schütze startet schließlich das neue Semester im Oktober nicht nur mit einer Vorlesung über seinen „Helden“ Caravaggio, sondern auch mit zwei Vorträgen über diesen Barockmaler am 14. und 19. Oktober in Göttingen bzw. Düsseldorf. Ende Oktober beteiligt er sich mit dem Referat „Ancora Imparo. Zur Fortuna Critica einer moralischen Maxime in Bildern und Texten der Frühen Neuzeit“, an einer Internationalen Tagung des Sonderforschungsschwerpunktes „Virtus in der Kunst und Kunsttheorie der Renaissance“ an der Universität Münster.
Unser wissenschaftlicher Nachwuchs nutzt die Ferien ebenfalls für Forschung und Weiterbildung: UNIDAM-Studienassistent Stefan Albl hat für den Studienkurs der Bibliotheca Hertziana „Die Wiedergeburt der römischen Bildkünste im Quattrocento“ vom 16.-25. September in Rom ein Referat über die Grabmäler Donatellos vorbereitet.
Da bleibt nur zu hoffen, dass auch die anderen Studierenden unseres Institutes dem guten Beispiel ihrer LehrerInnen folgen und – wie vom Studienplan vorgesehen – einen Großteil ihrer vorlesungsfreien Zeit dem Selbststudium der Kunstgeschichte oder entsprechender praktischer Arbeit widmen…
Friedrich Polleroß
Fotos: Uwe Niebuhr, Friedrich Polleroß, René Steyer, UNIDAM