Unlängst hat mich Professor Swoboda, der jetzige Wiener Ordinarius, angefragt, ob ich bereit wäre, ein eben frei gewordenes (bezahltes) Extraordinariat in Wien zu übernehmen. Ich konnte mich aber nicht entschließen, dieses Angebot anzunehmen. Abgesehen von der Schwierigkeit, meine in England aufgewachsene Frau und mein Kind in die Unsicherheit der Wiener Verhältnisse zu verpflanzen, war für mich das Entscheidende das Gefühl, ich würde nach dem Vorgefallenen den Kontakt zu meinen Kollegen und das Vertrauen zu ihnen nicht wiedergewinnen können. Im besten Fall wie in dem Swobodas, mit dem ich einst sehr befreundet war und der gewiß nie ein Nazi war, waren es Opportunisten, die sich mehr oder minder schäbig benommen haben. Dabei bin ich mir ganz bewußt, daß ich hier keine Chance habe, eine nennenswerte und wirklich befriedigende Position zu bekommen; nicht weil ich Otto Pächt bin, sondern weil ich die volle Anerkennung der Kunstgeschichte als akad. Fach nicht mehr erleben werde.” Otto Pächt an Grisebach (1. Februar 1949); Golo Maurer, August Grisebach 1881-1950 – Kunsthistoriker in Deutschland. Mit einer Edition der Briefe Heinrich Wölfflins an Grisebach, Mainz/Ruhpolding 2007, S. 153f.; Der Brief zeigt freilich auch, dass es von Seiten des Wiener Institutes – im Gegensatz zur vielbeklagten Praxis im Österreich der Nachkriegszeit – zumindest Initiativen gegeben hat, ehemals Vertriebene zur Rückkehr zu bewegen. Dass das Fach Kunstgeschichte noch zur Mitte des 20. Jahrhunderts in England kaum Perspektiven für Akademiker bot, wird ebenfalls deutlich.
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