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Abgeschlossen: Habilitation (DFG-Forschungsprojekt):Italien als Erlebnis und Konstruktion. Landschaftswahrnehmung deutscher Künstler und Reisender 1760-1870
Als zentrales Thema der deutschen Malerei und Literatur zwischen 1760 und 1870 ist die Wahrnehmung italienischer Landschaft Gegenstand intensiver Forschungen in den Geisteswissenschaften. Dabei überwiegt bislang das Interesse für einzelne Werke, Persönlichkeiten, Topographien oder Chronologien, woraus zwar eine Vielzahl monographischer Studien hervorgegangen ist, kaum aber Untersuchungen größerer problemorientierter Zusammenhänge. Dieses Buch zielt auf einen eben solchen Zusammenhang, indem es nach der Bedeutung dieser obsessiven deutschen Beschäftigung mit Italien fragt. Was versteht man in diesem Zeitraum überhaupt unter ‚italienischer Landschaft‘? Wie wird dieses aus konkreter Erfahrung und Projektion konstruierte ‚Andere‘ Teil der eigenen visuellen Kultur, die für die Ausbildung nationaler und kultureller Identitäten zentral ist? Selbstredend sind für eine solche Fragestellung neben visuellen auch literarische Quellen entscheidend. Erst in der diachronen Verknüpfung der jeweiligen Wahrnehmungen läßt sich die beständige ‚Arbeit am Mythos’ Italien rekonstruieren.
Vor dem Hintergrund der Aufwertung der Landschaftsmalerei in der deutschsprachigen Kunsttheorie ab etwa 1760 werden zunächst zwei Aspekte untersucht, die für die Wahrnehmung und die sich daraus entwickelnde Bildlichkeit grundlegend erscheinen. Dies ist einmal die vor allem in Deutschland einflussreiche Wanderbewegung, also das selbstbestimmte Zufußgehen als Ausdruck persönlicher Freiheit und gesellschaftlicher Emanzipation. Noch im späten 18. Jahrhundert bedient die klassische, die Kompositionsmuster des 17. Jahrhunderts fortführende Landschaftsmalerei vor allem den hegemonialen Blick im Wagen reisender Grand-Touristen; repräsentative Aussichten von überhöhten Standpunkten sind das Charakteristikum dieser ‚Kutschenfahrer-Landschaften‘. Dagegen wendet sich die im Kreis der Olevano-Maler entwickelte ‚Wandererlandschaft‘ an die Erfahrung des meist bürgerlichen Zu-Fuß-Gehers, der unter physischem Einsatz und auf neuen Pfaden in die Tiefen des Terrains vordringt. Aus dieser zunächst minoritären Ästhetik entstehen in Malerei und Literatur weit verbreitete, spezifisch deutsche Wahrnehmungsmuster, die das Interesse an nahsichtigen Szenerien mit der Sehnsucht nach archaischer Idylle verbindet, wie sie parallel in deutschen Märchen- und Volksliedsammlungen beschworen wird. In der Überblendung von Alteritätserlebnis und Rezeption deutschsprachiger Kultur wird die ‚italienische Landschaft‘ als Topos bürgerlicher Erinnerung, als ideale Heimat fassbar.
Zweiter die Wahrnehmung nachhaltig prägender Aspekt ist die Übertragung der auf Winckelmann zurückgehenden Griechenlandsehnsucht auf das Reiseland Italien. Die Überlagerung von Vorstellung und Erlebnis führt dazu, daß bislang ästhetisch nicht rezipierte Landschaftsformen als ‚griechisch‘ wahrgenommen und entsprechend aufgewertet werden. Zum noch im 18. Jahrhundert verbindlichen Ideal parkartiger Formationen (‚Arkadien‘) treten dezidiert mediterrane, mit Mythos und Geschichte verbundene Landschaftsmuster hinzu (‚Landschaftsruine‘), deren Topographie, Vegetation, Farbgebung und Lichtverhältnisse die Paradigmen von Wahrnehmung und Konstruktion im Sinne einer ‚südlichen Ikonographie‘ grundlegend verändern.Erweitert wird diese Perspektive durch die umfassenden Historisierungstendenzen in Kunst, Literatur und Wissenschaft ab etwa 1850. Als historischer Schauplatz und literarische Projektionsfläche wird Italien zum Gegenstand einer Kultur der Retrospektion, die Zivilisationskritik mit den Paradigmen einer zunehmend wissenschaftlich geprägten Wahrnehmungspraxis verbindet. Diese unablässige, als Kreislauf bildlicher und schriftlicher Quellen rekonstruierbare Neubewertung italienischer Landschaft erweist sich als oft krisenhafter Prozeß, der als generationsübergreifende Sukzession visueller Praktiken auch die Disparatheit deutscher Identität im 18. und 19. Jahrhundert wiederspiegelt.
Wissenschaftssprache, Institutionen und Traditionen als Faktoren der Kunstgeschichte: Die Geschichte der Erforschung und Zuschreibung von Michelangelos Zeichnungen
Authentizität und Zuschreibung von Michelangelos Zeichnungen werden seit mehr als hundert Jahren von verschiedenen Zweigen der Forschung derart unterschiedlich beurteilt, daß sich die Frage nach der wissenschaftlichen Objektivierbarkeit der kunsthistorischen Zuschreibungspraxis stellt. Eine wissenschaftsgeschichtliche Analyse der dabei auftretenden Differenzen legt die Hypothese nahe, daß die Uneinigkeit der Forschung auch in den Unterschieden der akademischen Milieus verwurzelt sein könnte. Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts steht die Frage, inwieweit Sprache (vor allem der Gegensatz zwischen den Wissenschaftssprachen Deutsch und Englisch), akademische Sozialisierung und methodische Grundlagen (kennerschaftliche Tradition angelsächsischer Forscher bzw. akademisch-geisteswissenschaftlich ausgerichtete deutschsprachige Kunstgeschichte) zu den Unterschieden beigetragen haben und weiter beitragen.
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