Professorin Martina Pippal im Unruhestand

Am 1. Oktober 2022 ist Ao. Prof. Dr. Martina Pippal offiziell in den Ruhestand getreten, sie wird aber weiter Lehrveranstaltungen anbieten und Studierende bei Ihren Abschussarbeiten betreuen.

Die gebürtige Wienerin wurde bereits als Kind mit der Kunst vertraut gemacht, da ihre Mutter Eugenie Pippal-Kottnig als Architektin arbeitete und der Vater Hans Robert Pippal Maler war und neben Stadtansichten auch Porträts und sakrale Kunstwerke schuf. In ihrem Elternhaus wurde das einzige Kind aber weniger von einer Kunstschwärmerei erfasst, sondern mit dem Handwerk zahlreicher künstlerischer Techniken inklusive Planzeichnen sowie mit dem Umgang zwischen Künstler*innen und Auftraggeber*innen vertraut gemacht.

Ihre Karriere an der Universität Wien begann Martina Pippal als Studienassistentin und dann als Assistentin von Univ.-Prof. Dr. Hermann Fillitz (1924-2022). Ihr Interesse für die visuellen Medien am Übergang von der Antike zum Mittelalter war jedoch schon zuvor durch die Gastvorlesung von Hans Belting über die Ikone im Wintersemester 1973/74 geweckt worden, welche die Gymnasiastin sozusagen als „Schwarzhörerin“ besucht hatte. Durch die Nebenfächer (Klassische Archäologie, Geschichte) und das Hineinschnuppern in die katholische wie die evangelische Theologie hat sie sich von Anfang an interdisziplinär ausgebildet, und sie kam zur Überzeugung, dass die wissenschaftliche Analyse der Werke und der dahinterstehenden Intentionen, aber auch der theologischen Grundlagen von einem aufgeklärten Standpunkt aus nicht nur möglich, sondern notwendig ist. Mit Hermann Fillitz folgten zahlreiche Kooperationen, darunter 1987 das Buch „Schatzkunst. Goldschmiede- und Elfenbeinarbeiten aus Österreichischen Schatzkammern“, diverse Tagungen und vor allem die Organisation des Internationalen Kunsthistorikerkongresses des C.I.H.A. 1983. Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Beschäftigung mit der hochmittelalterlichen Buchmalerei.

Zumindest indirekt angeregt durch die Auseinandersetzung mit der künstlerischen Arbeit ihrer Eltern beschäftigte sich Martina Pippal im Rahmen ihrer über 100 Publikationen aber auch mehrfach mit der österreichischen bzw. Wiener Architektur und Malerei des 20. Jahrhunderts. Doch auch die Kunst der Frühen Neuzeit streifte sie mit ihren Beiträgen zu den „Meninas“ von Velázquez sowie der Organisation eines internationalen Workshops über Globen der Renaissance.

Zu den hervorragenden Verdiensten von Martina Pippal gehört es jedoch, fast 150 Student*innen zu ihrem Abschluss (Master, Doktorat resp. PhD) begleitet zu haben, und als Supervisorin war sie mehrfach auch international tätig. In Forschung und Lehre beschäftigten Martina Pippal vor allem zwei Fragestellungen: einerseits das Problem, wie die visuellen Medien Auftraggeber-Interessen transportieren; andererseits der Einfluss von Material und Technik auf das Kunstwerk.

Seit ihrer Habilitation 1990 war Martina Pippal auch selbst künstlerisch tätig, vor allem als Malerin von Porträts, und in ihrem Atelier in der Alserstraße machte sie auch Studierende mit diversen Kunsttechniken bekannt. Daraus entwickelte sie das "kinesthetic learning": angehende Kunsthistoriker*innen wurden in Techniken wie Ölmalerei und Perspektivzeichnen eingeführt. Dafür kooperierte Martina Pippal auch mit Fachleuten wie der Emailspezialistin Prof. Hannelore Karl (Universität für angewandte Kunst). Mit diesem pädagogischen Einsatz künstlerischer Methoden bzw. der Verbindung von Wissenschaft und Kunst vertritt die Professorin einen Trend, der in den letzten Jahren nicht nur unter dem Schlagwort „Künstlerische Forschung“ an den Kunstakademien populär, sondern von Universitäten in Wien und Salzburg auch institutionell verankert wurde.

Hatte Martina Pippal zunächst das Format der Fahrradexkursion eingeführt, so nahm sie die Lockdowns 2020/21 zum Anlass, didaktisch Neues auszuprobieren: Das Online-Teaching bot nämlich die Möglichkeit, Seminare gemeinsam mit dem Schweizer Preimesberger-Schüler Dieter Ulrich (Zürich, Luzern) zu leiten. Ihre Vorlesungen produzierte sie als Videos (mit Moderationen, Zoom-Interviews etc.), die im Netz permanent zur Verfügung stehen, und die Studierenden animierte sie, ihre Referate als Videos aufzubereiten und/oder Animationen (z.B. von Decamerone-Miniaturen des 15. Jahrhunderts) zu produzieren. Anlässlich des 90. Geburtstages von Hermann Fillitz sowie des 100. Geburtstages von Renate Wagner-Rieger hat Martina Pippal Dokumentarfilme produziert.

Als dreimalige Halbmarathonläuferin kann sie jetzt – falls Forschung, Lehre und Malerei nicht ausreichen sollten - ja mit Lauftraining gegen einen „Pensionsschock“ anrennen … Wir wünschen ihr jedenfalls herzlich, dass sie wie ihr Lehrer bis ins hohe Alter körperlich und geistig fit bleiben möge!

Friedrich Polleroß    Fotos: Friedrich Polleroß, Martina Pippal