Strenger Historist und wandelndes Künstlerlexikon. Prof. Walter Krause im Ruhestand


Mit Ende September 2009 trat Prof. Dr. Walter Krause in den Ruhestand. Nach Hellmut Lorenz und Peter Haiko hat sich damit der dritte der drei Wiener Architekturhistoriker an unserem Institut, die Schüler und Assistenten von Prof. Renate Wagner–Rieger waren, aus dem offiziellen Lehrbetrieb zurückgezogen.
Walter Krause wurde 1943 in Wien geboren und promovierte 1972 an unserem Institut mit einer Dissertation über die Plastik des Wiener Opernhauses bei Prof. Wagner-Rieger. Deren bahnbrechende Historismusforschungen, die eine Neubewertung dieser Kunstrichtung nach sich zogen, wurden von Beginn an im Rahmen eines großen Forschungsprojektes der Fritz-Thyssen-Stiftung über die Wiener Ringstrasse gefördert. Durch die Einbeziehung zahlreicher DissertantInnen erfüllte das Ringstrassenprojekt an unserem Institut die Funktion eines Graduiertenkollegs lange bevor es solche Einrichtungen an deutschen Universitäten offiziell gab. Im Zusammenhang damit wurde auch schon ein Forschungsarchiv von mehreren tausend Originalfotos, darunter vielfach Neuaufnahmen von Bauten und Plänen der Wiener Ringstraße, angelegt.
Walter Krause war innerhalb dieser Forschergruppe für die Plastik der Ringstrasse verantwortlich und seine Habilitationsschrift zu diesem Thema wurde 1980 in der entsprechenden Buchreihe veröffentlicht. Da die Ringstrassenskulptur in erster Linie Bauplastik war, beschäftigte sich der Kunsthistoriker bald ebenso mit der Architektur, aber auch mit der Malerei und dem Kunstgewerbe des 19. Jahrhunderts. Nach dem Tod von Renate Wagner-Rieger übernahm Walter Krause 1980 die Leitung des Forschungsprojektes. 1981 wurde ihm die Lehrbefugnis für Neueres und Neueste Kunstgeschichte verliehen, 1997 wurde er zum Ao. Universitätsprofessor ernannt.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Prof. Krause zur Architektur des österreichischen Historismus fanden in dem von Gerbert Frodl herausgegebenen Band zur Kunst des 19. Jahrhunderts in der im Prestel-Verlag erschienenen Reihe „Geschichte der bildenden Kunst in Österreich“ im Jahre 2002 ihren vorläufigen Abschluss. Durch die Mitarbeit an der Landesausstellung über das Zeitalter des Kaisers Franz Josef 1984 im Schloss Grafenegg sowie bei der von Prof. Hermann Fillitz initiierten Europaratsausstellung „Der Traum vom Glück“ im Wiener Künstlerhaus im Jahre 1996 wurden die neuen Erkenntnisse zur Kunst des frühen, strengen und späten Historismus auch einer größeren Öffentlichkeit bekannt gemacht. Seit 1975 mit einer Ungarin verheiratet, widmete Prof. Krause dem Kunstschaffen auf dem transleithanischen Gebiet der k. u. k. Monarchie besondere Aufmerksamkeit, was auch zur Mitarbeit an der wichtigen Ausstellung „Wien–Budapest: 1850-1914“ (2003) führte. Zuletzt steuerte Prof. Krause einen Aufsatz über die Landschaftsmalerei von Ferdinand Georg Waldmüller für den Katalog der großen Ausstellung über diesen Biedermeiermaler im Louvre bei.
Die internationale Reputation des Kunsthistorikers belegen außerdem Aufsätze in ungarischer, kroatischer und russischer Sprache, eine Gastprofessur an der Eötvös-Lorand-Universität in Budapest (2003), seine Funktion als Doktoratsreferent der Technischen Universität Einhoven (NL) sowie seine Tätigkeit als „Area Advisor“ des „Dictionary of Art“ in London und als wissenschaftlicher Beirat des „Allgemeinen Künstlerlexikons“ in Leipzig. Für beide Nachschlagewerke sowie für das Österreichische Biographische Lexikon lieferte Walter Krause selbst auch zahlreiche Biographien zu Künstlern des 19. Jahrhunderts.

In seinen Lehrveranstaltungen deckte Prof. Krause jedoch ein weiteres Spektrum von der romanischen Plastik über die spätgotische Tafelmalerei bis zur den Filmen des Nationalsozialismus ab, ebenso bei der Betreuung von Abschlußarbeiten. Mit einer Zahl von 20 erstbegutachteten Dissertationen sowie über 130 betreuten Diplomarbeiten gehört er zweifellos zu den eifrigsten und beliebtesten Lehrern an unserem Institut. Bei seinen Exkursionen – bevorzugt nach Südtirol und Ungarn – bemühte sich Prof. Krause, den Studierenden auch die kulinarischen Vorzüge der Regionen nicht zu verheimlichen, und sie bedankten sich daher nach der letzten Lehrveranstaltung dieser Art im Sommer 2009 mit einem Picknickkorb samt Südtiroler Spezialitäten.
Neben der Lehr- und Forschungstätigkeit war Walter Krause auch ein engagierter Verfechter der Unireformen der 1970er Jahre und brachte seine Vertrautheit mit dem Universitätsgesetz (UOG 1976) in zahlreichen Kommissionen in der Fakultät und im Senat ein, solange die Mitbestimmung an unserer Universität möglich war. Bis 1993 leitete Walter Krause die Diasammlung, bis 2006 war er auch EDV- und AV-Referent unseres Institutes. Von 1982-2008 lenkte er als Generalsekretär die Geschicke der „Gesellschaft für vergleichende Kunstforschung“, eines bis vor kurzer Zeit an unserem Institut beheimateten wissenschaftlichen Vereines. Die größten Verdienste um unser Institut hat sich Prof. Krause jedoch dadurch erworben, dass er bis 1997 gemeinsam mit Prof. Martina Pippal nicht nur die Neubauplanung für unser Institut leitete, sondern die Gesamtplanung des Umbaues des Alten Allgemeinen Krankenhauses in den Universitätscampus mitbetreute. Diesem „glücklichen Zufall“ - oder besser gesagt – lobenswerten Engagement ist es zu verdanken, dass wir heute wohl über eines der flächenmäßig größten kunsthistorischen Universitätsinstitute in Europa verfügen können.
Abschließend sei noch erwähnt, dass Prof. Krause von 1980-89 an der „Summer School“ der Wiener Universität in Strobl unterrichtet hat, sich seit 1988 als Mitglied im Denkmalbeirat des Österreichischen Bundesdenkmalamtes für den Denkmalschutz einsetzt, und für seine Verdienste um die Denkmalpflege und das Kaiser-Maximilian-von-Mexiko-Museum der Burg Hardegg schon 1982 mit
der Ehrenbürgerschaft dieser Stadt an der Thaya ausgezeichnet wurde.

 

 


Friedrich Polleroß
Fotos: Eva-Maria Grohs/ Karl Pani/ René Steyer