Buchmalerei & Klosterbibliotheken. Exkursion der Institute für Kunstgeschichte in Wien und Budapest


Im April 2012 fand auf Anregung unserer Lektorin Dr. Maria Theisen (Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters der ÖAW) erneut eine Kooperation zwischen unserem Institut und jenem der Budapester ELTE-Universität statt. Das dreitägige Projekt hatte zum Ziel, StudentInnen der Geschichte und Kunstgeschichte aus beiden Ländern die mittelalterliche Buchmalerei näher zu bringen und wurde in großzügiger Weise bereits zum vierten Mal von der Stiftung Aktion Österreich-Ungarn finanziert.

Die drei ständigen Betreuer der Studierenden waren neben Dr. Maria Theisen der seit kurzem emeritierte Prof. Dr. Ernö Marosi, ehemaliger Vizepräsident der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Doyen der ungarischen Kunstgeschichte und Fachmann für mittelalterliche Kunst, sowie die Expertin für Buchmalerei an der Ungarischen Nationalbibliothek (Országos Széchényi Könyvtár) Dr. Anna Boreczky.

Durch die freundliche Mithilfe von wissenschaftlichen Kollegen in den Bibliotheken - in Budapest waren dies Dr. Anna Borecky und Dr. Edina Zsupán, in Klosterneuburg und Zwettl Dr. Martin Haltrich und in Melk Dr. Christine Glaßner – hatten die Studierenden die Möglichkeit, bedeutende originale Handschriften zu sehen, die man sonst kaum zu Gesicht bekommt. Dazu kam noch der einmalige Umstand, dass stets drei bis vier Experten zugegen waren, welche die Handschriften vorstellen konnten und mit den StudentInnen gemeinsam begutachteten.

Das erste Ziel war die Budapester Széchényi Bibliothek, wo u.a. das Budapester Antiphonale (Cod. Lat. 462), das im 14. Jahrhundert in der Lombardei entstanden ist und figurale Initialen mit Szenen aus der Franzikusvita enthält, vorgestellt wurde. Außerdem präsentierte man das reich illuminierte und von einem milanesischen Buchmaler signierte Brevier des Domonkos Kálmánchehi (Cod. Lat. 446) aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Anschließend konnte die Gruppe in der Universitätsbibliothek der ELTE den sog. Dante-Codex (Cod. Ital. 1) bewundern, eine der ersten illuminierten Abschriften der Divina Comedia, die während der osmanischen Herrschaft Ungarns nach Istanbul gelangte und vom türkischen Sultan Abdülhamid II. im 19. Jahrhundert retourniert wurde.

Am folgenden Tag wurde zuerst die Benediktinerabtei von Pannonhalma besucht, darunter auch jüngst restaurierte Abteikirche, deren Restaurierung unter Fachleuten umstritten ist. Die Teilnehmer bekamen u.a. ein Stundenbuch aus Brügge der Zeit um 1500 (Ms. 118. I. 43.) und das Evangelistar und Benediktionale – den sog. Forgách Codex (Ms. IV. 27) – aus der Bibliothek zu sehen, wo z. B. gleich Händescheidungen anhand von Differenzen in der Farbigkeit durchgeführt werden konnten.

Das nächste Ziel war die Handschriftensammlung des Augustiner Chorherrenstiftes in Klosterneuburg, wo u. a. nicht nur die älteste Abschrift des Privilegium Minus (Cod. 929), sondern auch eine prachtvolle Bibel, die in Klosterneuburg zwischen 1310-1315 entstanden ist (Cod. 2-3), präsentiert wurde. Weiters gab es eine astronomische Handschrift der Zeit um 1200 mit Figuren der Sternbilder (Cod. 685) und im Anschluss daran die im Mai 2011 eröffnete, ansehnliche Schatzkammer des Stiftes zu sehen.

Am letzten Tag konnte neben einer umfassenden Vorstellung des Zisterzienserstiftes Zwettl auch deren zur Zeit aufgrund von Restaurierungsarbeiten für Besucher sonst unzugängliche Stiftskirche besucht werden. Aus den Sammlungsbeständen der Bibliothek wurden Besonderheiten, wie ein Lektionarium aus Zwettl (Cod. 10) aus dem 12. Jahrhundert mit eingenähten Miniaturen aus dem 14. Jahrhundert gezeigt. Anhand eines Psalteriums aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts konnten erneut eindeutige Händescheidungen durchgeführt und die Stilmerkmale des „Zackbrüchigen Stils“ gezeigt werden. Die Besucher durften sogar die sog. Bärenhaut, das Stifterbuch der Kuenringer und Urbar des Stiftes, das 1310 entstanden ist und bis ins 16. Jahrhundert geführt wurde und eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte Niederösterreichs darstellt, bestaunen. Die Exkursion wurde mit dem Besuch des Benediktinerstiftes Melk und dessen Handschriftensammlung beendet, wo die Wiener Studentin, Olga Schakin, zur Freude aller Anwesenden die Möglichkeit hatte, ihr Diplomarbeitsthema, ein minutiös verziertes venezianisches Gebetbuch aus dem Ende des 15. Jahrhunderts (Cod. 1856), vorzustellen.
Kristóf Viola/ Friedrich Polleroß   Fotos: Kristóf Viola