Erster Sir-Ernst-Gombrich-Nachwuchspreis an Helena Posch überreicht

Die an unserem Institut ansässige Kunsthistorische Gesellschaft hat im April 2011 beschlossen, einen jährlichen Förderpreis für eine an der Universität Wien approbierte Diplom- oder Magisterarbeit im Fach Kunstgeschichte zu vergeben. Der Preis ist für Absolventinnen und Absolventen des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Wien gedacht, die das 32. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Das Preisgeld beträgt EUR 1500,- Namensgeber ist unser Institutsabsolvent Sir Ernst Gombrich, der nach seiner Emigration nach England zu einem der bekanntesten Vertreter der „Wiener Schule“ wurde und dessen internationale sowie interdisziplinäre Ausrichtung auch heute noch vorbildlich ist.

Die erstmalige Verleihung des Preises fand am 14. Dezember 2011 im Seminarraum 1 des Institutes statt. Zwei der eingereichten Werke waren in die engere Wahl gekommen: Die bei Univ.-Prof. Dr. Deborah Klimburg-Salter geschriebene Diplomarbeit „Die Bedeutung weiblicher Gottheiten im ikonographischen Programm des Vaitāl Deul. Eine Kritische Analyse unter Berücksichtigung der Devī-Darstellungen von Śakti-Tempeln in Orissa „ von Mag. Sabine Valerio-Baumann sowie die von Prof. Dr. Inge Schemper approbierte Untersuchung „Die Königsplätze Heinrichs IV. – Visionen neuzeitlicher Stadtbaukunst in Paris“ von Mag. Helena Posch. Aufgrund der ausländischen Gutachten zog der Vorstand der Kunsthistorischen Gesellschaft zweitere Arbeit vor, obwohl die Entscheidung nicht einfach war. Die Preisträgerin Helena Posch ist gebürtige Wienerin und besuchte schon die Sir-Karl-Popper-Schule für Hochbegabte. 2003 und 2004 war sie Preisträgerin der Latein-Olympiade. In nur fünf Jahren absolvierte sie dann ihr Diplomstudium an unserem Institut, wobei sie ein Jahr an der Sorbonne studierte und auch für die Diplomarbeit mehrere Monate in Paris verbrachte. Daneben arbeitete sie in Galerien. Im März 2010 beendete sie das Studium mit Auszeichnung und einem Notendurchschnitt von 1.
Dekan Univ.-Prof. Dr. Michael Viktor Schwarz, als Vorstand der Kunsthistorischen Gesellschaft gemeinsam mit seinem Stellvertreter Doz. Dr. Werner Telesko Initiator des Preises, leitete die Veranstaltung mit dem Hinweis ein, dass man sich in diesem Falle nicht an der in Münster beheimateten „Historischen Ritualforschung“ orientieren könne. Man müsse vielmehr das Zeremoniell des neuen Preises – etwa das Hintergrundsfoto des Namensgebers – erst etablieren. Grund für die Ausschreibung des Sir-Ernst-Gombrich-Nachwuchspreises war die Tatsache, dass es an unserem Institut mangels öffentlicher Förderungen vergleichsweise wenig Dissertierende gibt. Der Preis bzw. das damit verbundene Geld könne zwar kein Stipendium ersetzen, solle aber doch ein „Signal“ an begabte KunsthistorikerInnen sein, ihre Ausbildung nicht mit dem Diplom zu beenden. Nach der Verlesung einer Passage aus dem Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Dieter Erben von der Technischen Universität München überreichten Prof. Schwarz einen Scheck über 1500 Euro und die Diplomarbeits- betreuerin einen Blumenstrauß.

Sogar mit „++sehr gut“ hatte Prof Schemper die Diplomarbeit bewertet. In ihrem Gutachten heißt es u.a.: „Mühelos und offenbar vollständig wird die vorwiegend französischsprachige Literatur zu dem Thema kritisch hinterfragend herangezogen. Besonders fruchtbar erwies sich die Interpretation zeitgenössischer Quellenschriften wie Stadtbe- schreibungen oder Grafiken beigefügte Texte, die über Strategie und deren mediale Verbreitung der königlichen Vorhaben Auskunft geben. Die original nur in historischem Französisch publizierten Texte liegen nun erstmals in einer adäquaten deutschen Übersetzung der Verfasserin vor. Die Arbeit, inhaltlich klar gegliedert und logisch aufgebaut, ist sprachlich präzise und flüssig formuliert, mit reichem, aber nicht ausuferndem Fußnotenapparat versehen, der Literaturnachweis und –kritik sowie die  deutsche Übersetzung der zahlreichen, aber erhellenden französischen Zitate enthält.“
Das Münchner Gutachten von Prof. Erben würdigt die Arbeit mit folgenden Worten: „Die von Helena Posch vorgelegte Diplomarbeit stellt sich diesen Heraus- forderungen selbstbewusst und meistert sie mit Bravour. […] Die Arbeit bietet in den ersten beiden Kapiteln eine systematische Synthese der bisherigen Forschungsergebnisse hinsichtlich der Genese der Plätze, deren funktionaler Organisation und deren baulichem Erscheinungsbild. Bereits hier wird die ganz außergewöhnlich tiefgründige Auseinander- setzung mit der zeitgenössischen Quellenliteratur ersichtlich, die es erlaubt, punktuell neue Akzente zu setzen. […] Im Urbanismus-Kapitel wird auf der Grundlage von Theoriebildung und anschaulichen Befunden überzeugend herausgearbeitet, dass die Plätze tatsächlich bereits im großräumlichen Kontext der Metropole gedacht wurden. Im inhaltlich gewichtigen letzten Kapitel wird geradezu schlagend klar gemacht, dass neben den oft zitierten italienischen Renaissanceplätzen auch die französische Bautradition mit den Brückenbe- bauungen, mit ex novo entstandenen Erweiterungs- quartieren und mit dem Festungsbau maßgebliche Modelle für die regularisierten Pariser Plätze bereit stellte. Frau Posch hat eine Arbeit von souveräner argumentativer Stringenz, außergewöhnlichem analytischen Gehalt und beeindruckender methodischer Umsicht vorgelegt, die in den Ergebnissen rundum überzeugt und darüber hinaus auch zu neuen Einsichten gelangt. Es handelt sich um eine Abschlussarbeit, die auch unter sehr guten Arbeiten herausragt.“
Die analytische Stringenz sowie die beeindruckende sprachliche und bildliche Argumentation kamen auch im Vortrag von Frau Mag. Posch zum Ausdruck. Selbst dem mit der Materie nicht vertrauten Zuhörer wurden die wichtigsten Überlegungen der Diplomarbeit sehr anschaulich vermittelt, sodass die Auszeichnung durch Gutachten und Kommission gleichsam durch Akklamation des Publikums bestätigt wurde. Das Institut gratuliert herzlich zum Preis und wünscht weiterhin viel Erfolg, vor allem für die Arbeit an der Dissertation.


Friedrich Polleroß     Fotos:  UNIDAM, Karl Pani