Gleiche Bilder – verschiedene Sprachen. Antrittsvorlesung von Prof. Raphael Rosenberg


Fünf Wochen nach der Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Sebastian Schütze stellte sich auch der ebenfalls seit dem Wintersemester 2009 in Wien tätige Univ.-Prof. Dr. Raphael Rosenberg im Rahmen einer Antrittsvorlesung am 14. Juni 2011 einer größeren Öffentlichkeit an unserer Universität vor.

Nach der Begrüßung durch Vizerektorin Ao. Univ.-Prof. Dr. Christa Schnabl gab der Dekan der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät, O. Univ.-Prof. Dr. Michael Viktor Schwarz, seiner Freude Ausdruck, dass es ihm gelungen sei, Raphael Rosenberg in Heidelberg abzuwerben. Dann stellte er den Nachfolger von O. Univ.-Prof. Dr. Artur Rosenauer auf dem von diesem zum Renaissance-Schwerpunkt geformten Lehrstuhl vor. Dessen Nachfolger widme sich grundsätzlichen Fragen in der Tradition der Wiener Schule der Kunstgeschichte.

Der 1962 in Mailand geborene Raphael Rosenberg studierte trotz französisch-italienischer Muttersprache 1983-95 an den Universitäten in München und Bonn. 1996 promovierte er an der Universität Basel über Beschreibung und Nachzeichnung von Skulpturen Michelangelos. Von 1996-2004 wirkte der Kunsthistoriker als Assistent in Freiburg im Breisgau, wo er sich 2003 mit einer Arbeit über die Entdeckung der Abstraktion im 19. Jahrhundert habilitierte. 2004 Maître de conférences am Collège de France in Paris, hatte er 2004-2008 einen Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg und 2008-2009 eine Fellowship am Wissenschaftskolleg Berlin inne.

Die in der Dissertation begonnene Fragestellung nach dem Verhältnis zwischen bildender Kunst und ihrer Betrachtung bildet seit damals einen Forschungsschwerpunkt von Prof. Rosenberg. Schon in Heidelberg zog er für seine Untersuchungen nicht nur Bild- und Textquellen heran, sondern auch naturwissenschaftliche Verfahren und technische Geräte. Die entsprechende Kooperation wird in Wien im Rahmen einer vor kurzem gegründeten kognitionswissenschaftlichen Plattform intensiv fortgesetzt.

In der Antrittsvorlesung gong Prof. Rosenberg vom Vergleich zweier gleich aussehender Bilder aus, um zu zeigen, dass diese nur innerhalb ihres jeweiligen Diskurses verstanden werden können: Das „Schwarze Quadrat“ von Matthäus Merian im Buch „Utriusque Cosmi Historia“ von Robert Fludd von 1617 und das 300 Jahre jüngere „Schwarze Quadrat“ von Kasimir Malewitsch. Tatsächlich gehe es sogar um gegensätzliche Vorstellungen: visualisiere die Renaissance-Radierung die „prima materia“ vor Beginn der Schöpfung, so verkörpere das suprematistische Gemälde die reine Kunst. Visuelle Systeme sind immer in einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort verankert.

Auf die Schiller-Frage, 'was heißt und zu welchem Ende studiert man Kunstgeschichte?', gab Prof. Rosenberg deswegen die Antwort, Kunstgeschichte sei die Philologie der Bilder. "Sie untersucht, wie Bilder zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten, innerhalb bestimmter gesellschaftlichen Kreisen funktioniert haben und ermöglicht es, Bilder angemessen zu verstehen."

Die Antrittsvorlesung ist als Webstream im Internet zugänglich und wird in der Fakultätsreihe "Stabwechsel" im Böhlau-Verlag publiziert werden.

 


Friedrich Polleroß     Fotos: René Steyer, UNIDAM