Ausstellung über Beginn der islamischen Kunstgeschichte

Am 7. Juni wurde am Institut für Kunstgeschichte die Ausstellung „Auf dem Weg zur islamischen Kunst: Friedrich Sarre in Westasien - Historische Fotografien aus dem Museum für Islamische Kunst Berlin“ eröffnet, die 2016 in anderer Form in Berlin gezeigt worden war, und thematisch an eine Lehrveranstaltung zur „Geschichte der islamischen Kunstgeschichte“ von Univ.-Prof. Dr. Markus Ritter im Sommersemester 2016 anknüpft.

Im Mittelpunkt steht Friedrich Sarre (1865–1945), einer der Gründungsväter der Forschungstradition, die Kunst der islamischen Welt als Teil einer allgemeinen Kunstgeschichte behandelt. 1904 begründete er mit Wilhelm von Bode im neuen Kaiser-Friedrich-Museum (heute Bode-Museum) auf der Berliner Museumsinsel die Islamische Abteilung, die später ins Pergamonmuseum übersiedelte. Das heutige Museum für Islamische Kunst baut zu großen Teilen auf der privaten Sammlung von Sarre auf. Hunderte Objekte, die er während strapaziöser Reisen in Vorderasien privat erworben hatte, stellte er dem Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung. Reisenotizen, die viele Werke erstmals in Schrift und Bild dokumentierten, bildeten die Basis für grundlegende Veröffentlichungen, teils auf eigene Kosten, darunter sein 1901–10 erschienenes Buch Denkmäler persischer Baukunst. Sarre war ein Gelehrter und wissenschaftlicher Sammler, der nie eine Professur innehatte oder dies anzustreben schien. Von seiner Ausbildung her Kunsthistoriker stand er jedoch in engem Kontakt mit Orientalisten und Archäologen. Er hatte in Leipzig bei Anton Springer studiert und war mit Maria Humann verheiratet, der Tochter des Ausgräbers von Pergamon, Carl Humann. Für Sarre war die Verbindung von Kennerschaft und Kunstgeschichte essentiell. Objekte islamischer Kunst, die in Europa im 19. Jahrhundert im Zuge der Kunstgewerbebewegung wahrgenommen wurden und deren Erforschung Völkerkundlern überlassen wurde, behandelte Sarre als vollwertige Kunstwerke. Die epochale, von ihm mitorganisierte Ausstellung Meisterwerke Muhammedanischer Kunst (München 1910) untermauerte diesen Anspruch, auch durch ihren Titel. Seither sind Werke der Textilkunst oder Keramik neben Architektur und Malerei ebenso Bestandteil eines kunsthistorisch arbeitenden Forschungsfeldes. Sarre hat auch zur Etablierung der gängigen regional-dynastischen Einteilung einer Geschichte der islamischen Kunst in räumlich-zeitlichen Einheiten beigetragen, anstelle stilistischer Epochen wie in der abendländischen Kunstgeschichte. Da er selbst in orientalischen Sprachen kaum bewandert war, kooperierte er oft mit Orientalisten; Bauaufnahmen und Ornamentzeichnungen ließ er von Architekten anfertigen; die Ausgrabungen von Samarra, Residenzstadt der Abbasidenkalifen im 9. Jahrhundert, unternahm er gemeinsam mit dem Archäologen Ernst Herzfeld.

Die Ausstellung in der Aula des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Wien versammelt die historischen Fotografien und die Wandfahnen der von Julia Gonnella kuratierten Berliner Ausstellung in einem einzelnen Raum und setzt sie in direkten Zusammenhang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Sarre. Die Wiener Schau wurde von Univ.-Prof. Ritter und seinen AssistentInnen Safa Mahmoudian, Mattia Guidetti und Maximilian Hartmuth vorbereitet. Die Hängung der Fotografien an der Fensterfront und der Wandfahnen an der Längswand und Stirnwand der Aula verdeutlichen in der seriellen, abzuschreitenden Folge das Thema des Weges – biographisch in der Person von Sarre und historiographisch in Stationen der Entstehung eines Forschungsfeldes islamische Kunstgeschichte. Die historischen Fotografien entstanden in den Jahren 1895–1913 auf Forschungsreisen von Friedrich Sarre in Westasien. Sie führten ins damalige Osmanische Reich nach Anatolien, Syrien und Mesopotamien, nach Iran unter den Schahs der Kadscharen und ins westliche Zentralasien unter russischer Herrschaft. Sie dokumentieren Architektur und Landschaften und beobachten Menschen. Die Wandfahnen zeigen Collagen von Abbildungen und Kurztexte, die Stationen der Biographie von Sarre und Themen seiner Arbeit in einen historischen, politischen und forschungs- geschichtlichen Zusammenhang setzen. Forschen, Reisen und Sammeln und der Aufbau der Islamischen Abteilung an den Berliner Museen sind auch im Kontext von Interessen des Deutschen Reiches und der Beziehungen zum Osmanischen Reich zu sehen, in der Zeit vom späten 19. Jahrhundert bis zum Ersten und Zweiten Weltkrieg.

Die aus der Wiener Institutsbibliothek stammenden Bücher in den Wandvitrinen zeigen die Breite von Sarres Forschungsinteressen und beziehen sich auf die Orte und Themen der ausgestellten Fotografien. Vielfach handelt es sich um die Originalausgaben aus dem Besitz des Wiener Ordinarius Josef Strzygowski.

Vitrine 1: Die zwei großformatigen Bände der Denkmäler persischer Baukunst: "Geschichtliche Untersuchung" und "Aufnahme muhammedanischer Backsteinbauten in Vorderasien und Persien" (1901–10) beschreiben Bauten islamischer Zeit auf Reisen in Iran, im persischsprachigen Zentralasien und in Anatolien. "Der Kiosk von Konia" (1936) behandelt den einzigen in der Türkei als Ruine erhaltenen mittelalterlich-islamischen Palastbau, ein Turmpavillon in Konya, Residenzstadt der Sultane der RumSeldschuken (1092–1307) in Anatolien. In "Keramik und andere Kleinfunde der islamischen Zeit von Baalbek" (1925) untersucht Sarre Grabungsfunde, die bei Ausgrabungen römischer Orte oft wenig beachtet wurden, hier in Baalbek im Libanon.

Vitrine 2: Die Ausstellung von "Meisterwerken muhammedanischer Kunst" in München 1910 stellte in einer Mammutshow von 3600 Objekten erstmals islamische Kunst einem großen Publikum als Kunstwerke vor. Neben Sarre waren mehrere Wissenschaftler beteiligt, darunter der Wiener Kunsthistoriker Ernst Diez. Die sorgfältigen Katalogveröffentlichungen waren lange Referenzwerke. Von Sarre stammen Band 1, Miniaturen und Buchkunst; Die Teppiche und Band 2, Die Keramik; Die Metallarbeiten (1912). Sarre verfasste auch die erste kunsthistorische Werkmonographie zu einem Künstler islamischer Zeit: "Zeichnungen von Riza-i Abbasi" (1914, mit Eugen Mittwoch) studiert einen Teil des Oeuvres dieses bedeutenden Malers (c. 1570–1635) am safawidischen Hof in Isfahan.

Vitrine 3: Die Erforschung der islamischen Zeit Mesopotamiens, das bis dahin eine Domäne der Altorientalistik war, bildet einen weiteren Schwerpunkt in Sarres Tätigkeit. "Die Archäologische Reise im Euphrat- und Tigris-Gebiet", 4 Bände (1911–20), die er mit dem Archäologen, Orientalisten und Kunsthistoriker Ernst Herzfeld unternahm, bildete den Einstieg. Daraus gingen "Die Ausgrabungen von Samarra" hervor, eine von Sarre herausgegebene Reihe, in der verschiedene Autoren die Ergebnisse der Grabungen veröffentlichten. Sarre selbst verfasste "Die Keramik von Samarra" (1925). Der jüngst erschienene Sammelband von Julia Gonnella und Jens Kröger (Hg.), "Wie die islamische Kunst nach Berlin kam: der Sammler und Museumsdirektor Friedrich Sarre (1865-1945)" (2015) bündelt das Wissen über diese Forscherpersönlichkeit. Die Ausstellung kann bis 6. Juli 2017 besichtigt werden.

Anlässlich der Eröffnung erläuterte Prof. Ritter zunächst die Genese sowie das Konzept der Ausstellung und bedankte sich bei allen Mitwirkenden. Dann hielt der pensionerte Berliner Museumskurator Dr. Jens Kröger den Vortrag „Friedrich Sarre (1865-1945) und die Anfänge der islamischen Kunstgeschichte“, der einen anschaulichen Eindruck von diesem Gelehrten bot, dessen gesamter Nachlass 1945 aufgrund der Räumung seiner Villa durch sowjetische Soldaten für die Postdamer Konferenz vernichtet wurde. Zu Gast war auch Mag. Thomas Kloiber, Kulturattaché an der Österreichischen Botschaft Teheran.

Markus Ritter, Friedrich Polleroß   Fotos: Karl Pani, Mattia Guidetti