Das Wiener Institut für Kunstgeschichte und die Fudan-Universität in Shanghai

Aufgrund der großen Bedeutung der chinesischen Kunst wollte der Wiener Ordinarius Josef Strzygowski schon 1912 eine Außenstelle in Peking einrichten. Es war aber dann offensichtlich eine Schülerin des konkurrierenden „II. Kunsthistorischen Institutes“ der Wiener Universität unter Max Dvorák oder Julius von Schlosser, die es als erste Wiener Studentin nach China verschlug: Klara Blum (朱白兰 / 朱白蘭). Sie wurde 1904 in Czernowitz als Tochter eines jüdischen Großgrundbesitzers geboren und übersiedelte 1913 mit ihrer Mutter nach Wien, wo sie zunächst Kunstgeschichte studierte, da sich in unserem Institutsarchiv eine undatierte Aufnahmearbeit über „Das Verhältnis des Pariser Psalters zur antiken Malerei“ erhalten hat (Abb.). Parallel dazu oder erst ab 1923 studierte sie Psychologie, konnte jedoch nicht abschließen. Sie wurde Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und engagierte sich vor allem in der Frauenbewegung. Aus der 1934 begonnenen zweimonatigen Studienreise in die Sowjetunion wurde ein Aufenthalt von elf Jahren. In Moskau verliebte sich Klara Blum 1937 in den chinesischen Theaterregisseur und Journalisten Zhu Xiangcheng. Als dieser plötzlich verschwand (und in einem sibirischen Lager 1943 verstarb), verließ Blum 1945 die Sowjetunion und wanderte auf der Suche nach ihrem Mann 1947 nach Shanghai aus. 1949 wurde Klara Blum Professorin für deutsche Literatur an der 1905 gegründeten Fudan-Universität. Die 1966 einsetzende Kulturrevolution zerstörte jedoch die politischen Hoffnungen der Österreicherin und sie starb im Mai 1971. 1996 wurde von Yang Zhidong in Frankfurt die Dissertation „: Klara Blum – Zhu Bailan (1904–1971). Leben und Werk einer österreichisch-chinesischen Schriftstellerin“ veröffentlicht, und 2008 in Wien-Donaustadt die Klara Blum Gasse nach der österreichischen Wahlchinesin benannt.

Seit einigen Jahren interessiert sich die renommierte Shanghaier Universität, an der Rektor Engl seit 2010 eine Ehrenprofessur innehat, für österreichische Kunst und Kunstgeschichte. Bereits 2015 wurde Prof. Dr. Martina Pippal vom Austrian Center Shanghai an dieser Universität zu einem Vortrag über österreichische Malerei von 1869 bis 1960 eingeladen (Abb.).

Für 2018 ist die Schaffung es eigenen Institutes für Kunstwissenschaft an der Fudan-Universität geplant, das aus der "School of Philosophy" heraus entstehen soll. Mit diesem Institut strebt das Wiener Institut eine Kooperation an (Studierendenaustausch, Austausch von Lehrenden, gemeinsame Veranstaltungen). Zur Vorbereitung dieser möglichen Zusammenarbeit waren Institutsvorstand Univ.-Prof. Dr. Sebastian Egenhofer und Univ.-Prof. Dr. Lukas Nickel, Professor für Asiatische Kunstgeschichte, im Frühjahr 2018 zu Gast an der Fudan-Universität (Abb.). Sie hielten Vorträge über „Andy Warhol’s aesthetics of emptiness“ bzw. „Alien identities in Han Chinese funerary art“. Mit den Professoren Shen Yubing, Pan Gongkai und Chen Jia sowie mit Dekan Sun Xiangchen und Vizedekan Lin Hui von der School of Philosophy wurde der Plan eines gemeinsamen Workshops von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen beider Institute für das Jahr 2019 besprochen. Kunstgeschichte ist ein junges Fach in China, aber erfährt zur Zeit eine dynamische Entwicklung, sodass die Bedingungen für einen Dialog Wien – Shanghai günstiger erscheinen als vor hundert Jahren.

Friedrich Polleroß    Fotos: Institut für Kunstgeschichte