Beim Barthaar des Kaninchens.

Neuerscheinungen des Lehrstuhls für Moderne Kunst


Gleich mit zwei Publikationen trat unser Lehrstuhl für Moderne im Sommersemester 2009 an die wissenschaftliche Öffentlichkeit, und beide Bücher gehen auf wissenschaftliche Tagungen in Wien zurück.
Der vom Ordinarius Friedrich Teja Bach und seinem Assistenten Wolfram Pichler herausgegebene Band „Öffnungen. Zur Theorie und Geschichte der Zeichnung“ basiert auf Vorträgen, die 2004 bei einem Symposion des Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) von renommierten und jungen ForschernInnen aus Europa und den USA gehalten wurden. Nach einleitenden Beiträgen der „Altmeister“ Norman Bryson (San Diego) und Gottfried Boehm (Basel) werden Aspekte der Zeichenkunst in drei Kapiteln untersucht. Am Beispiel der Perspektive bei Filippo Brunelleschi (Friedrich Teja Bach), der Studien von Leonardo (David Rosand) und der Zeichenkunst Raffaels (Christopher Wood) wird disegno als gemeinsamer Nenner von Architektur, Bildhauerei und Malerei deutlich. Der Rolle der Zeichnung in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts sind u.a. Aufsätze von Gerhard Neumann über Kafka, von Maria Naef über Beuys und von Ralph Ubl über Dieter Roth gewidmet. Wird schon bei Roths Zeichnungen mit beiden Händen gleichzeitig der motorische Aspekt der Gattung thematisiert, so analysiert das dritte Kapitel des Bandes insgesamt Bewegungsstudien und Maschinenzeichnungen in Renaissance und Moderne (Steffen Bogen, Marianne Kubaczek, Wolfgang Pircher und Georges Didi-Huberman) Der im deutschen Fink-Verlag erschiene Band umfasst 300 Seiten sowie zahlreiche Abbildungen und kostet 38 Euro.
Der von Wolfram Pichler gemeinsam mit Ralph Ubl, dem frühen Assistenten von Prof. Bach, herausgegebene Sammelband „Topologie. Falten, Knoten, Netze, Stülpungen in Kunst und Theorie“ geht auf eine Tagung zurück, die 2005 am Museum moderner Kunst stattgefunden hat. Mehrere Wiener KunsthistorikerInnen haben dabei gemeinsam mit Philologen, Philosophen, Psychologen und Soziologen vorwiegend Werke der bildenden und darstellenden Kunst des 20. Jahrhunderts abgehandelt. Unter Bezugnahme auf die aus der Mathematik stammenden und vor allem von den französischen Poststrukturalisten Lacan und Derrida propagierten „Topologischen Konfigurationen des Denkens und der Kunst“ (Wolfram Pichler) werden hier die Überlegungen zur Zeichnung etwa wieder am Beispiel von Dieter Roth (Ralph Ubl) aufgegriffen und sozusagen thematisch erweitert von der Literatur Marcel Prousts (Richard Heinrich) über kindliche Raumvorstellungen (Barbara Wittmann) bis zur Umkehrung bei Duchamp (Sebastian Egenhofer), von Jasper Johns Stilwandel (Stefan Neuner) über Filme von Hitchcock (Hubert Damisch) und Guy Deborde (Markus Klammer) bis zur kapitalistischen Raumökonomie Peter Eisemans (Philipp Ursprung). Der elegante Band im Umfang von 470 Seiten erschien im Verlag Turia + Kant und kostet 40 Euro.
P.S. Das Barthaar des Kaninchens wird in einem Text von 1891 als mögliches Zeichengerät genannt (Bach/Pichler S. 279).
Friedrich Polleroß