Kulturtransfer in Genua. Exkursionsausstellung der Studierenden


Im Sommersemester 2009 hielt Frau Prof. Dr. Ingeborg Schemper ein Seminar und vom 2.-11.Juni eine begleitende Exkursion zum Thema „Kulturtransfer in Genua“ ab.
Wie schon früher gelegentlich an unserem Institut passiert, entstand aufgrund der zahlreichen Fotos der Studierenden die Idee, diese Kreativität für eine Ausstellung zu nützen, die anhand dieser Bilder aber auch mit Hilfe von während der Exkursion für die Institutsbibliothek erworbener Literatur das Seminarthema veranschaulichen soll. Die Ausstellung, an der Hans Egger, Lisa Frank, Andrea Fronaschütz, Liza Fügenschuh, Tina Kern, Lucia Laschalt, Wolfgang Loibl, Theodora Oberperfler, Jana Posch, Helena Posch, Elisabeth Strum und Theresa Wielend mitwirkten, ist bis 8. Jänner 2010 in der Institutsaula zu sehen.

Unter Kulturtransfer versteht man jene kulturellen Aktivitäten, die in Zusammenhang mit der Rezeption und Weitergabe von Kunstströmungen stehen. Gerade Genua hat als wirtschaftliche Großmacht immer wieder Künstler aus ganz Europa angezogen und dadurch lokale Künstler inspiriert. Ziel der Exkursion war es, diesen Transfer anhand von ausgewählten Kunstobjekten bzw. Künstlerpersönlichkeiten transparent zu machen. Erst die Begegnung mit der Stadt und den Monumenten vor Ort machte die besondere Lage und sozio-kulturelle Entwicklung von Genua deutlich und half, die im Seminarraum gestellten Fragen zu verstehen. Die Reise verlief trotz der hohen Teilnehmerzahl (22 Damen, 4 Herren) reibungslos und es konnten auch Bereiche erschlossen werden, die dem Normaltouristen unzugänglich bleiben.

Die Macht der Stadtrepublik basierte auf dem Seehandel und vergrößerte sich im Zuge der Kreuzzüge. Als viele dieser Errungenschaften aufgrund des Vordringens der Osmanen wieder verloren gingen, gelang es, sich neue Märkte im Westen zu erschließen, wobei sich das Schwergewicht von der Militärmacht immer mehr in Richtung Handels- und Finanzmacht verschob. Die große Zeit der Stadtrepublik begann 1526, als der Condottiere Andrea Doria von Frankreich auf die Seite Kaiser Karls V. wechselte, der die Unabhängigkeit der Stadt garantierte. In Genua selbst gelang es Doria mit einer neuen Verfassung den permanenten Adelsstreit zu minimieren. Diese günstige politische Konstellation konnte von den Genueser Kaufleuten in wirtschaftliche Erfolge umgemünzt werden. Die Repräsentation der Patrizier führte seit dem frühen Mittelalter Künstler aus allen Himmelsrichtungen nach Genua – von den Magistri Antelami und Vertretern französischer Bauhütten, über Galeazzo Alessi, Giovanni Angelo Montorsoli bis hin zu Peter Paul Rubens, Antonis Van Dyck und Pierre Puget.

Dennoch oder gerade deshalb besitzt Genua unverwechselbare Züge. Die einzigartige Anlage der Strada Nuova zeigt die Vorliebe für illusionistische, szenografische Effekte, die in den barocken Kirchen- und Palastausstattungen ihren Höhepunkt finden sollten. Die große Zeit Genuas endete mit dem Erstarken Frankreichs unter Ludwig XIV, unter dem die "Superba" ihre Handlungsfreiheit verlor. Nachdem die Stadt im Zeitalter Napoleons an Frankreich angegliedert worden war, geriet sie durch die Gründung des auch vom Genuesen Mazzini geförderten Nationalstaates Italien in eine Randlage. Da Genua zuletzt nur mehr als Seehafen von Bedeutung war, verslumte das Centro Storico mit seinen geschichtsträchtigen Bauten. Mit dem Kolumbusjubiläum 1992 begann die konkrete Rückbesinnung der Stadt auf ihre stolze Vergangenheit und es folgten zahlreiche Ausstellungen zum kulturellen Erbe Genuas. Die Ernennung zur Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2004 bildet den vorläufigen Höhepunkt dieses Imagewandels. Der architektonische Umbau Genuas zur Kulturmetropole erfolgte teilweise durch den 1937 in der Stadt geborenen Architekten Renzo Piano. Er verkörpert den Kulturtransfer in umgekehrter Richtung: Hatte das Geld der Handelspatrizier Jahrhunderte lang Künstler aus ganz Europa an die ligurische Küste gezogen, so wurde Renzo Piano mit dem Centre Pompidou (1971-77) zu einem der Gründungsväter der Postmoderne.

Die feierliche Eröffnung der Ausstellung in der Aula des Kunsthistorischen Institutes erfolgte am 11.November 2009. Prof. Schemper dankte allen Mitwirkenden und bot einen Überblick über die Kunstgeschichte Genuas. Der Dekan der Historisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät, Univ.-Prof. Dr. Michael Viktor Schwarz, nahm in seiner Eröffnungsrede auf die aktuellen Demonstrationen der Studierenden Bezug, die sich u.a. gegen die Verschulung des neuen Studienplanes richten. Die Pflichtexkursionen des Faches Kunstgeschichte seien hingegen eine institutionelle Gegenmaßnahme. Und die Ausstellung, die nicht nur das „Kennen“, sondern auch das „Können“ der StudentInnen zeige, verdiene ebenfalls als Demonstration aktiven Engagements jenseits aller Verschulung Lob und Dank. Bei österreichischem Wein, Pesto Genovese und Panettone gab es anschließend Gelegenheit, diese Fragen weiter zu diskutieren.

Friedrich Polleroß
Fotos: Friedrich Polleroß

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