Flämische Schule

Dagmar Thoss und Christine Beier


Das Projekt ist den flämischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek gewidmet und nimmt damit eine der bedeutendsten Sammlungen dieser Spitzenwerke der Buchmalerei in den Blick. Einen Schwerpunkt bildet die vor allem aus Stundenbüchern und einigen Musikhandschriften bestehende Gruppe, deren Ausstattung unter dem Terminus "Gent-Brügger Schule" subsumiert wird. Damit wird eine Periode der Buchmalerei bezeichnet, in der diese Kunst einen ihrer Höhepunkte erreichte und Flandern für mehrere Jahrzehnte die Führung in Europa übernahm. In dieser Zeitspanne legte man in allen kulturellen Zentren Europas größten Wert darauf, in Flandern illuminierte Handschriften zu besitzen. Dies galt nicht nur für die Höfe der Habsburger in Wien, Innsbruck und Madrid, die durch ihre dynastischen Verbindungen besonders enge Kontakte mit den Niederlanden pflegten, sondern auch für die italienischen Fürstenhöfe oder den englischen Königshof. Ein weiterer bedeutender Teil des Bestandes sind die beiden in Wien verwahrten Prachtcodices Joris Hoefnagels, eines der hervorragendsten Künstler des ausgehenden 16. Jahrhunderts, gleichzeitig der letzte Buchmaler überhaupt, der mit seinem Œuvre dem am Ende seiner Geschichte angelangten Genre nochmals einen letzten, fulminanten Höhepunkt bescherte: Das im Auftrag Erzherzog Ferdinands von Tirol für seinen Sohn Kardinal Andreas von Österreich hergestellte Missale Romanum (Cod. 1784) enthält mehr als 500 reich geschmückte Seiten, auf denen Hoefnagel alle Facetten seiner Kunst vorführt: emblematische Darstellungen, Naturstudien, christologische Szenen, meist in komplizierte manieristische Rahmenkompositionen inkorporiert. Nicht weniger beeindruckend hinsichtlich des Umfangs der künstlerischen Leistung sind die sogenannten Croy-Alben, 15 von insgesamt 25 erhaltenen Bänden eines monumentalen topographischen Sammelwerkes mit insgesamt fast zweieinhalbtausend Ansichten. Diesen zahlenmäßig dominanten Arbeiten sind eine Reihe interessanter Einzelhandschriften an die Seite zu stellen, darunter Werke literarischer und historischer Natur, die ebenfalls reich mit bildlichem und dekorativem Schmuck versehen wurden.