Datenmillionär. Unser Absolvent Christian Huemer am Getty Center in Los Angeles

Ein jüngerer Absolvent unseres Institutes ist seit Jahresbeginn wissenschaftlicher Abteilungsleiter an einem der renommiertesten und bestdotierten kunsthistorischen Forschungszentren der Welt, dem Getty Research Institute, das seit Ende 2007 vom Berliner Emeritus Thomas Gaehtgens geleitet wird.
Mit der Berufung an die pazifische Küste hat die schon sehr internationale Karriere des aus der Traunseeregion stammenden Mag. Christian Huemer einen vorläufigen Höhepunkt und Abschluss gefunden. Der 1970 geborene Kunsthistoriker hat nämlich neben seinem Studium in Wien auch in Paris (Sorbonne, École des Hautes Études en Sciences Sociales) sowie in New York (City University) studiert und u.a. am Guggenheim Museum sowie am Museum of Modern Art in New York Praktika absolviert. In seiner Diplomarbeit bei Prof. Bach hat er sich mit dem österreichisch-französischen Kunsthändler Charles Sedelmeyer (1837-1925) beschäftigt. 2004 war er Junior Fellow am IFK und 2006 wurde er mit dem Talentförderungspreis des Landes Oberösterreich für Wissenschaft ausgezeichnet. Neben seiner wissenschaftlichen Beschäftigung mit Kunst und Kunsthandel im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert – zuletzt war er Mitherausgeber des Buches „Moderne Architektur im Salzkammergut“ – arbeitete Huemer für die österreichische Kunstzeitschrift „Parnass“ und hatte Lehraufträge am Hunter College der City University in New York sowie der American University in Paris.
Der junge Kollege beschäftigte sich jedoch nicht nur historisch mit dem Kunstmarkt, sondern auch praktisch mit dem KunsthistorikerInnenmarkt und gründete mit zwei Kolleginnen ein  Ausstellungsbüro zur Förderung  des künstlerischen Austausches in Mitteleuropa. Huemers noch nicht abgeschlossene New Yorker Dissertation „The Art Market as a Medium of French-Austrian Cultural Transfers 1873-1937“ qualifizierte ihn sowohl für die unbedankte Grundlagenforschung zur ersten Ausstellung der neuen Belvedere-Direktion im Jahre 2007, „Wien-Paris“, als auch für den Job in Kalifornien. Die vom Öl-Milliardär Jean Paul Getty (1892-1976) errichtete Stiftung umfasst u.a. das für seine Großeinkäufe (u.a. der Handschriften der Sammlung Ludwig) berühmte Museum, das seit 1997 in einem Neubau von Richard Meier in Los Angeles untergebracht ist, sowie die heute zur Ausstellung der Antikensammlung dienende neoherculeanische Villa in Malibu. Ebenso renommiert sind das angeschlossene Restaurierungs- sowie das Forschungsinstitut. Das Getty Research Institute ist allen Kunsthistorikern als Herausgeber der „Bibliography of the History of Art“ (BHA) bekannt.
Ein wichtiger Schwerpunkt ist jedoch die in den 1970er Jahren zunächst im Rahmen des Museums eingeleitete Provenienzforschung. 1983 wurde dieser Forschungszweig vom Museum ausgegliedert und zu einer selbständigen Einrichtung aufgewertet. Die „Getty Provenance Index Databases" mit mehr als 1 Million Einträgen zu Kunstsammlungen von ca. 1600-1840 sollen im Idealfall den Weg eines Kunstwerkes von der Entstehung bis zum aktuellen Standort nachvollziehbar machen. Diese Informationen ermöglichen einerseits die Verifizierung der Echtheit von historischen Kunstwerken, andererseits kulturgeschichtliche Untersuchungen zu Sammlungen und Kunsthandel. Nicht zuletzt in der Diskussion über die Restitution von jüdischem Besitz bzw. offiziell oder inoffiziell erworbene Kriegsbeute haben solche Nachforschungen auch innerhalb der Getty-Sammlungsbestände eine eminent politische und wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Gemeinsam mit den sogenannten "Collectors Files" - mehr als 20.000 Mappen mit Informationen zu Sammlern und Kunsthändlern vom 16. bis zum 20. Jahrhundert - bietet die Getty-Datenbank das weltweite Zentrum der Provenienzforschung. Die Datenbank umfasst zur Zeit drei Bereiche: einen Index zu Archivalien, vor allem Inventaren, einen Index zu historischen Auktionskatalogen sowie ein Verzeichnis der Gemälde in öffentlichen Sammlungen in Amerika und England.
Als Manager des "Project for the Study of Collecting and Provenance" ist Christian Huemer für die Entwicklung neuer Projekte und internationaler Kooperationen zuständig. Derzeit gibt es eine Kooperation mit der INHA in Paris und der Fondazione di Venezia. Geplant ist ein großes Projekt zum Kunstmarkt in den 1930er und 40er Jahren mit einer neuen Datenbank („German Sales 1933-43“), die Organisation von Workshops und Konferenzen sowie Publikationen.
Friedrich Polleroß