Michaela Krieger (1956-2007)

Nach langer Krankheit, aber für viele völlig unerwartet ist Ao. Univ.-Prof. Dr. Michaela Krieger am 27. Dezember 2007 in einem Wiener Krankenhaus verstorben. Sie wurde am 4. Jänner 2008 auf dem Friedhof in Neckenmarkt im Burgenland beigesetzt.

Michaela Krieger wurde 1956 in Wien als Tochter eines österreichisch- amerikanischen Lehrerehepaares geboren und ist im Burgenland aufgewachsen. Nach einem anfänglichen Interesse für die Jurisprudenz, das mit der 1. Staatsprüfung an der Universität Wien abgeschlossen wurde – zu ihren Studienkolleginnen zählte u.a. die heutige österreichische Außenministerin Dr. Ursula Plassnik – wechselte sie 1976 zum Studium der Kunstgeschichte und Ethnologie. Seit 1981 war sie am Institut für Kunstgeschichte als Studienassistentin tätig. Ihre 1984 bei Univ.-Prof. Dr. Gerhard Schmidt abgeschlossene Dissertation „Die Grisaille im Stundenbuch der Jeanne d'Evreux und ihre Bedeutung für das Entstehen der neuzeitlichen Kunstauffassung“ fand zunächst in einem Aufsatz über dieses Meisterwerk der Pariser Buchmalerei des 14. Jahrhunderts im Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte (1989) sowie einem Beitrag „Zum Problem des Illusionismus im 14. und 15. Jahrhundert“ in der deutschen Zeitschrift Pantheon (1996) einen Niederschlag.
Kriegers Forschungen zur Gattung der monochromen Malerei kulminierten jedoch 1995 in der inzwischen vergriffenen Monographie zu diesem Thema unter dem Titel „Grisaille als Metapher“ (Holzhausen Verlag Wien). In der Tradition der „Wiener Schule der Kunstgeschichte“ und ihres Lehrers Gerhard Schmidt stehend widmete sich Michaela Krieger also in erster Linie formalen und gattungsgeschichtlichen Problemen der Malerei sowie der bei Handschriften besonders komplizierten Frage von Händescheidungen und Werkstattmitarbeit.

1985 wurde Michaela Krieger als Nachfolgerin von Dr. Dieter Bogner Assistentin von Prof. Schmidt. Vorübergehend arbeitete sie im universitären Bereich auch mit Prof. Dr. Konrad Oberhuber zusammen. In ihren zahlreichen Lehrveranstaltungen – auch an der Akademie der bildenden Künste sowie für das Bundesgremium für Kunst- und Antiquitätenhandel – deckte sie vielfältige Themen ab, von Bernward von Hildesheim bis zur Porträtmalerei des 20. Jahrhunderts, aber auch russische und chinesische Malerei. Wissenschaftlich beschäftigte sich Michaela Krieger jedoch weiterhin vorwiegend mit der Buchmalerei der Gotik und frühen Renaissance. Neben Aufsätzen zum Buchschmuck der "Handregistratur" Kaiser Friedrichs III. sowie zur Buchmalerei Francesco Francias im Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte (1994 und 1996), sind vor allem die Kommentare zu Faksimileausgaben mittelalterlicher Prachthandschriften zu nennen, darunter der Gotischen Bilderbibel der Österreichischen Nationalbibliothek (Stuttgart 1988) sowie der ebenfalls in Wien verwahrten Wenzelsbibel (gem. mit Gerhard Schmidt, Elfriede Gaál und Katharina Hranitzky; Graz 1996).

Aufgrund ihrer fachlichen Kenntnisse erlangte Prof. Krieger bald auch internationale Bekanntheit und wurde zu zahlreichen Tagungen sowie Katalogbeiträgen eingeladen, z.B. in Prag (Der Psalter der Bonne de Luxembourg, in: King John of Luxembourg [1296-1346] and the Art of his Era, Prag 1998), in Leuven (Zur Grisaillemalerei bei Dirk Bouts, in: Bouts Studies, Leuven-Paris-Sterling 2001), oder in Köln (Skulptur als Thema der Malerei im Oeuvre des Bartholomäusmeisters, in: Rainer Budde – Roland Krischel (Hg.), Genie ohne Namen. Der Meister des Bartholomäus-Altars, Köln 2001). 2003 erschien ein gemeinsam mit Karin Gludovatz verfasster Aufsatz über die „Heures de Flandre“ im Wallraff-Richartz-Jahrbuch in Köln. Prof. Krieger hielt Vorträge in Luzern (1999), Antwerpen (2002) sowie Lille (2006), und noch im September 2007 vollendete sie einen Beitrag für die derzeit in Karlsruhe und Colmar laufende große Grünewald-Ausstellung.

Nach einer vorübergehenden Beschäftigung mit der Malerei des 18. Jahrhunderts, vor allem Giambattista Tiepolo sowie den Porträts von Sir Joshua Reynolds, die u.a. zu einem italienischen Tagungsreferat (Reynolds e Tiepolo, in: Giambattista Tiepolo nel terzo centenario della nascita, Venedig-Padua 1998) führte, kehrte Prof. Krieger mit ihrer im Jahre 2004 abgeschlossenen Habilitation" Stilkritische Überlegungen zu Gerard Horenbout und zum Meister Jakobs IV. von Schottland“ wieder zur flämischen Buchmalerei der Zeit um 1500 zurück. Einen Teil ihrer diesbezüglichen Erkenntnisse konnte sie 2004 und 2007 in der Zeitschrift "Codices manuscripti" publizieren (Zum Frühwerk des Jakobsmeisters, in: Codices Manuscripti 48/49; Der Meister Jakobs IV. von Schottland, Gerard Horenbout und die Sforza Hours, in: Codices manusripti 59). Es ist zu hoffen, dass die gesamte Schrift posthum veröffentlicht werden kann.

Neben der sorgfältigen Betreuung der Studierenden engagierte sich Prof. Krieger auch in verschiedenen Bereichen des Institutes und der Fakultät. Schon 1994 hatte sie gemeinsam mit Hans Aurenhammer die Festschrift für Gerhard Schmidt herausgegeben. Vom Jahre 2000 an war sie stellvertretende Vorsitzende der Studienkommission und seit dieser Zeit auch Mitglied der Frauenforschungskommission der Fakultät. Seit dem Wintersemester 2006 übte Prof. Krieger die Funktion einer Stellvertreterin der Institutsvorständin aus. In ihrer bescheidenen und besonnenen Art nahm sie immer  eine vermittelnde Stellung am Institut ein, wenngleich sie gegenüber der wachsenden Bürokratie und "Reformitis" der Universität auch auf ihre individuelle Freiheit von Wissenschaft und Lehre pochen konnte.

Die gerade in der spätgotischen Buchmalerei immer wieder anzutreffenden Darstellungen von Blumen entsprachen jedoch nicht nur dem kunsthistorischen Interesse der Verstorbenen: sie kultivierte auch eine Vielzahl von Rosen auf der Dachterrasse ihrer Wiener Wohnung, vielleicht ein gewisser Ausgleich zu ihrer Leidenschaft für Motorräder. Daneben interessierte sich Michaela Krieger immer wieder für die Kunstproduktion außerhalb Europas. Ihre Begeisterung für ferne Länder führte nicht nur zu zahlreichen Reisen, sondern schlug sich vor allem in einer intensiven Auseinandersetzung mit der Kultur, Religion, Philosophie und den davon abhängigen Sportaktivitäten Asiens nieder. Im „Karatedo-Doshinkan“ brachte sie es zum „Shihan 7. Dan“ und damit zur höchstgraduierten Frau weltweit. Doch auch die dort gewonnenen Fähigkeiten blieben dem Kampf gegen den Krebs nicht gewachsen. Unser Mitgefühl gilt dem Lebensgefährten und den Eltern von Michaela Krieger.

Friedrich Polleroß
Fotos: Karl Pani, Eva Michel, Alexander Beck