„Kunsthistorischer Triebtäter“. Feier zum 70. Geburtstag von Prof. Rosenauer

Anlässlich des 70. Geburtstage von emer. Univ.-Prof. Dr. Artur Rosenauer fand am 19. Juni 2010 am Institut eine von Univ.-Ass. Dr. Georg Vasold organisierte akademische Feier zu Ehren des Jubilars statt. Eingangs würdigte Univ.-Prof. Dr. Michael Viktor Schwarz in seiner Eigenschaft als Dekan der Historisch-Kulturwissen- schaftlichen Fakultät vor allem die „Stabübergabe“ durch den emeritierten Kunsthistoriker, die Teil eines massiven Generationswechsels der Fakultät sei. Im Unterschied zum Sport sei jedoch die wissenschaftliche Stabübergabe durch eine Veränderung des Stabes bzw. die Verwendung alternativer Methoden gekennzeichnet. Aus diesem Anlass habe man daher eine neue Schriftenreihe des Dekanats ins Leben gerufen, die unter dem Titel „Stabwechsel“ die Antrittsvorlesungen der neuen Ordinarien publiziert.  Als Kollege wolle sich Prof. Schwarz hingegen den Emeritus als einen Kunsthistoriker zum Vorbild nehmen, der auch über Genussfähigkeit, Gelassenheit und Selbstironie verfüge.
Emer. Univ.-Prof. Dr. Hermann Fillitz, Rosenauers Vorgänger als Vorsitzender der Kommission für Kunstgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, hielt dann die Laudatio. Er betonte vor allem die Verdienste von Prof. Rosenauer für die, bzw. im Rahmen der „Wiener Schule“ der Kunstgeschichte. Er habe nämlich nicht nur durch zahlreiche Vorträge und Publikationen insbesondere über Alois Riegl und Otto Pächt die Wiener Vertreter der Kunstgeschichte neuerlich sowie international bekannter gemacht, sondern verkörpere mit seinen eigenen Forschungen zur Kunst des Quattrocento in Florenz und Österreich selbst die Wiener Methode des Faches. Dazu gehöre auch die intensive Beschäftigung mit dem Original, die Rosenauer nicht nur im Kunsthistorischen Museum, sondern auch bei zahlreichen Reisen wie kaum ein anderer praktiziere. Denn es gäbe eben – zitierte Fillitz ein Bonmot des KHM-Direktors Ernst Buschbeck- Kunsthistoriker mit Augen im Kopf und solche mit Löchern im Rock.
Ebenfalls um „Originale“, wenn auch anderer Art, ging es im anschließenden überraschenden Intermezzo der Veranstaltung, nämlich einer kleinen Lesung durch den Schwager und Wohnungsnachbarn des Jubilars, Kammersänger Heinz Holecek. Gemeinsames Thema der drei Stücke waren „Kommunikationsprobleme“ der deutschen Idiome in Mitteleuropa. Ein anonymes Stück über den Halley’schen Kometen zeigte die Verständigungs- probleme auf, die ein preußischer Befehlston im Kasernenhof verursacht. Ein am Passamt spielender Sketch von Hugo Wiener deckte hingegen die Sprachprobleme Wiener Beamter mit den „Zugereisten“ auf. Waren diese beiden Stücke bestenfalls indirekte Anspielungen auf das Institut, so besaß das letzte literarische Werk, nämlich die bekannte „Ungarische Schöpfungsgeschichte“ von Peter Hammerschlag, gleich zwei direkte Anknüfungspunkte zum Thema der Veranstaltung. Denn der 1942 in Auschwitz ermordete Kabarettist hatte nicht nur um 1920 einige Zeit Kunstgeschichte an unserem Institut studiert, sondern die von seinem Werk behandelte Genesis kam schließlich im letzten Vortrag in Form der Sixtina-Fresken zur Sprache.
Zunächst referierte jedoch Dr. Eve Borsook von der Villa I Tatti, der Außenstelle der Harvard University in Florenz, über „Artur Rosenauer und die Wiener Schule“. Die seit 50 Jahren mit dem Jubilar befreundete Spezialistin für toskanische Wandmalerei des Mittelalters und der Renaissance knüpfte an den Vortrag von Prof. Fillitz an und analysierte vor allem das Frühwerk Rosenauers im Verhältnis zur Methode seiner Lehrer Otto Pächt und Otto Demus. Als Tochter einer gebürtigen Wienerin verwies sie jedoch auch auf Kontakte zum Wiener Emigranten Sir Ernst Gombrich.
Nicht inhaltlich, sondern sozusagen methodisch dem Genius loci huldigend sprach abschließend der in Erlangen-Nürnberg tätige Univ.-Prof. Dr. Karl Möseneder über die Entwicklung des Dekorationssystems der Deckenmalerei von italienischen Anfängen (Raffael, Michelangelo, Correggio) über den Salzburger Dom bis zu den mitteleuropäischen Kirchen des 18. Jahrhunderts. Im Sinne der Rosenauerschen Methode der „Wiener Schule“ ließ er dabei die Ikonographie weitgehend ausgeklammert und konzentrierte sich auf die formale Entwicklung.
In seinen Dankesworten ging Prof. Rosenauer u.a. auf die ihm in den vorangehenden Laudationes zugeschriebene Begeisterung für die Kunst ein und bezeichnete sich als „kunsthistorischen Trieb- oder Wiederholungstäter“. Er erinnerte sich weiters dankbar an seine Lehrer, wobei er neben den schon in den Vorträgen genannten Professoren auch die ebenfalls am Wiener Institut tätigen Karl Maria Swoboda und Fritz Nowotny nannte. Aber auch in Florenz habe er beeindruckende Persönlichkeiten kennengelernt wie den Direktor der Villa I Tatti, Craig Hugh Smyth, den ebenfalls über Donatello forschenden Sir John Pope-Hennessy und den Direktor des Kunsthistorischen Institutes, Ulrich Middeldorf. Von letzterem hätte er etwa lernen können, dass man junge Kollegen vernetzen und fördern soll.
Nach den Laudatoren konnten sich anschließend in der Aula bei strahlendem Sonnenschein die Zuhörer mit nostalgischen Erinnerungen die Stimmbänder heiß reden. Unter den zahlreichen Gästen befanden sich prominente Schüler wie Dr. Agnes Husslein-Arco, deren Direktion im Belvedere eben um fünf Jahre verlängert wurde, und Dr. Leo Andergassen, der Landesdenkmalpfleger von Südtirol. Angereist waren aber auch ausländische Kollegen wie Prof. Dr. Galavics Géza vom Institut für Kunstgeschichte der ungarischen Akademie der Wissenschaften und Prof. Dr. Ján Bakoš vom Institut für Kunstgeschichte der slowakischen Akademie der Wissenschaften.

Friedrich Polleroß   Fotos: Friedrich Polleroß